Bloß keinen Einfluss nehmen?
Aufrufe zu Demos gegen Rechts, die Anregung, mit den Nachbarn doch mal über das Klimapaket der Bundesregierung zu diskutieren, oder eine Petition gegen den Export von Plastikmüll: Mit solchen Anliegen wendet sich die Organisation Campact regelmäßig an die Öffentlichkeit. Dennoch, so mussten die Aktiven kürzlich schmerzlich erfahren, gelten sie vor dem Fiskus weniger als Verbraucher- und Tierschützer oder auch als ein Karnevalsverein: Ebenso wie der ähnlich gelagerten Plattform Attac vor wenigen Monaten wurde Campact nun die steuerbefreiende Gemeinnützigkeit abgesprochen. Der Verein habe versucht, auf die öffentliche Meinung und auf Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft Einfluss zu nehmen, heißt es in der Begründung des Finanzamtes Berlin. Das geht für die Entscheider offenbar über eine „allgemeine" Politikarbeit hinaus – und somit zu weit.
„Ein fatales Signal gegen die freie Meinungsbildung in unserem Land" nennt der Transparency-International-Vorsitzende Hartmut Bäumer den Schritt. Von einem politisch völlig falschen Signal spricht Werner Hesse vom Paritätischen Gesamtverband. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht das ähnlich: Es werde „mit Hochdruck an der Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts" gearbeitet, heißt es aus seinem Haus. Das Steuerrecht müsse geändert werden zugunsten von Organisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Kniffelig ist, wie man Parteifinanzierung durch die Hintertür ausschließen kann. Dennoch will Scholz – wohl auch angesichts zunehmender Politikverdrossenheit oder möglicher Gefahr durch Rechtsterrorismus – in den nächsten Wochen einen Vorschlag vorlegen.
Ramelow gewinnt
Zwei Wahlsieger gab es bei der Landtagswahl in Thüringen, Ministerpräsident Bodo Ramelow mit der Linken und Björn Höcke mit der AfD. Die Linke konnte ein Rekordergebnis von 31 Prozent der Wählerstimmen erzielen, die AfD verdoppelte ihr Ergebnis gegenüber der Landtagswahl 2014 auf 23,4 Prozent. Die CDU verlor 11,4 Prozentpunkte und landete bei 21,8 Prozent. Die SPD holte 8,2 Prozent, die Grünen 5,2 und die FDP 5 Prozent.
Eine Regierungsbildung stößt bei dieser Konstellation auf große Probleme: Die CDU hat vor der Wahl jede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen. Zwar hat sich nach der Wahl Spitzenkandidat Mike Mohring insofern bewegt, dass er sich für eine Zusammenarbeit unter Umständen offen zeigte. Aber damit widerspricht er allen Stimmen in der CDU-Führung, die eine Kooperation mit der Linken ablehnen. Die FDP, mit der es zu einer Viererkoalition aus Linke, SPD und Grünen gereicht hätte, wandte sich nach dem Wahlausgang gegen ein Bündnis mit der Linken. Eine Minderheitsregierung lehnte Ministerpräsident Ramelow ab. Nach der Thüringer Verfassung kann er allerdings solange im Amt bleiben, bis eine neue Mehrheit zustande kommt. Für den rechtsextremen AfD-Landeschef Björn Höcke bedeutet das Wahlergebnis eine Stärkung seiner Position in der Gesamtpartei.
In Thüringen waren 1,7 Millionen Wähler aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,9 Prozent, zwölf Prozent höher als 2014. Die AfD holte die meisten Stimmen bei allen Altersgruppen bis 60 Jahre. Dagegen wählten die über 60-Jährigen mehrheitlich die Linke. Die FDP retteten exakt fünf Stimmen vor dem Absinken unter die Fünfprozenthürde.
Hass im Netz
Beleidigungen – Drohungen – Diskriminierungen. Hasskriminalität im Internet wächst stetig. Insbesondere auch Politiker fallen ihr zum Opfer. Die Bundesregierung möchte dagegen vorgehen. Soziale Netzwerke sollen verpflichtet werden, strafbare Inhalte zu melden. Ein Punkt, der auch im Zehn-Punkte-Plan gegen Rechtsextremismus der Landesinnenminister festgehalten ist. Zudem sollen die Strafen gegen Hetze, aggressive Beleidigungen und Stalking auf sozialen Medien härter werden. Die Straftatbestände müssen zudem – insbesondere auch im Bereich der Beleidigung – an die Besonderheiten des Internets angepasst werden.
Die sozialen Medien stellen die Gesellschaft vor viele neue Herausforderungen, bringen viele Vorteile, aber auch Gefahren mit sich. „Die Digitalisierung ist keine Krankheit, die wieder weggeht – damit müssen wir klarkommen", sagt Thorsten Klein, Social-Media-Experte. Mehr zu den Auswirkungen sozialer Medien und wie sie die politische Kommunikation verändern, finden Sie in der kommenden FORUM-Ausgabe.
Mehr Zulagen für Staatsdiener
Polizisten, Richter, Soldaten und Feuerwehrleute erhalten höhere Zulagen. Betroffen sind 300.000 Beamte, die Kosten belaufen sich auf 111,5 Millionen Euro im nächsten und 150 Millionen in den kommenden Jahren. Das beschloss kürzlich der Bundestag. Der Bund will so als Arbeitgeber attraktiver werden.
Der Zuschlag für Soldaten im Auslandseinsatz kann bis zu 47 Prozent des Grundgehalts erreichen. Auch Beamtenanwärter werden künftig besser bezahlt als bisher.
Fragwürdiger Ehrenbürger
Soll Paul von Hindenburg, der als Reichspräsident 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, weiterhin Berliner Ehrenbürger bleiben? Darüber ist in der Hauptstadt schon öfter diskutiert worden, bislang ohne Folgen. Auf der Liste gelandet war von Hindenburg gemeinsam mit Adolf Hitler an Hitlers Geburtstag, dem 20. April 1933 – auf Vorschlag der NSDAP.
SPD, Grüne und Linke fordern nun gemeinsam, von Hindenburg als Wegbereiter des Nationalsozialismus die Ehrung abzuerkennen. Hätte der Antrag Erfolg, würde sich Berlin in eine ganze Reihe von Städten einreihen, die diesen Beschluss schon gefasst haben. Unter anderem wurde von Hindenburg der Ehrenbürgertitel in Dortmund, Köln, Karlsruhe, Leipzig, München, Münster, Stuttgart und vor Kurzem in Konstanz aberkannt.
Klimaabgabe fürs Pendeln
Trotz Klimadebatte lösten pendelnde Regierungsbeamte im vergangenen Jahr für Flüge zwischen den Flughäfen Köln/Bonn und Berlin 109.422 Tickets für mehr als 200.000 Hin- und Rückflüge. Im selben Zeitraum fuhren sie nur 26.661 Mal mit dem Zug. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine FDP-Anfrage hervor. Im ersten Halbjahr 2019 lag die entsprechende Zahl den Angaben zufolge bei 61.839 Tickets. Jetzt hat der Ältestenrat des Bundestages beschlossen, dass der CO₂-Fußabdruck solcher Dienstreisen künftig zumindest finanziell ausgeglichen wird: „Auf unsere Initiative soll es im kommenden Jahr endlich eine Klimaabgabe auf Dienstreisen des Bundestags geben", sagte Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, der dpa. Die Kompensation solle es sowohl für Flugreisen als auch für Reisen mit Dienstfahrzeugen geben. Die Abgabe fließt in die Unterstützung verschiedener Klimaschutzprojekte.
Schlechte Luft vor Gericht
Andauernde und systematische Überschreitung der Luft-Grenzwerte. Dafür musste sich nun Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verantworten. Jahrelang habe das Land wirksamen Maßnahmen zur Reduzierung des Stickstoffdioxidausstoßes verwehrt. Zwar gibt es in Frankreich Fahrverbote, doch seien die NO₂-Werte noch immer deutlich zu hoch. Bereits 2012 bat das Land daher um Nachsicht, man schaffe es nicht, die Jahresgrenzwerte nach EU-Richtlinie einzuhalten. Aber die EU-Kommission blieb standhaft. Bei der im Oktober 2018 eingereichten Klage ging es um Ballungsgebiete wie Paris, Marseille, Lyon und Straßburg. Doch nicht nur Frankreich wurde durch die EU-Kommission verklagt – auch Deutschland soll sich dem EuGH stellen.
Grüne „Lebenslinie" unter besonderem Schutz
Von Hof in Bayern bis Lübeck in Schleswig-Holstein, rund 1.400 Kilometer: So lang ist das Grüne Band entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, der eindeutig größte Erinnerungsort Deutschlands. Vielerorts ist hier der Kolonnenweg für die Grenzer noch sichtbar, auch wenn nun Wachtürme der DDR-Posten auf offene Biotope blicken statt auf Sicherheitszäune und Selbstschussanlagen. Der Mischung aus Natur und Geschichtsort trägt ein recht neuer Schutz-Titel Rechnung: Schon Ende 2018 erklärte Thüringen seine gut 750 Kilometer Grünes Band zum „Nationalen Naturmonument". Nun, zum 30. Mauerfall-Jubiläum, folgen unter dem Titel „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie" und nach einigem Hin und Her um Enteignungsängste, Naturschutz und Erinnerungskultur weitere knapp 350 Kilometer – diesmal am Rande Sachsen-Anhalts.
Mindestlohn für Azubis
Weniger als 500 Euro im Monat, oft sogar weniger als 400 – das ist gerade in Berufen wie dem Friseurhandwerk und vor allem auch im Osten Deutschlands gang und gäbe. Ab kommendem Jahr soll sich das mit einem neuen Mindestlohn für Lehrlinge ändern. Bundesweit hätten nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Ende vergangenen Jahres knapp 90.000 junge Menschen ein Anrecht auf mehr Geld in der Tasche. Sie sollen dann im ersten Lehrjahr wenigstens 515 Euro verdienen – ein Betrag, der in den kommenden Jahren schrittweise weiter bis auf 620 Euro monatlich steigen soll. Der Bundesrat muss der Reform noch zustimmen.
Die Bundesregierung will so dazu beitragen, Ausbildung attraktiver zu machen und auch die Abbrecherquote zu senken. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verwies in diesem Zusammenhang auch auf nicht besetzte Lehrstellen.
Gewerkschaften, Grüne und Linke begrüßten die Reform, kritisierten die Höhe des Mindestlohns allerdings als „deutlich zu wenig". Da müsse der Gesetzgeber, so ihre Forderung, nochmal nachlegen.
Schwarzes Personalkarussell
Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) schlägt ein neues Kapitel auf – und tauscht das alte Team in der Staatskanzlei aus, das noch unter AKK tätig war. Chef der Staatskanzlei Jürgen Lennartz (CDU) geht in Ruhestand. Als oberster Beamte des Saarlandes tritt sein Parteikollege Henrik Eitel, der zuvor bereits in der Staatskanzlei tätig war, die Nachfolge an. Eitel gilt als enger Vertrauter des Ministerpräsidenten. Auch Regierungssprecherin Anne Funk übernimmt neue Aufgaben im Europaministerium, ihr folgt der Landtagsabgeordnete und Chef der Jungen Union, Alexander Zeyer (CDU). Damit schrumpft der Frauenanteil in der Staatskanzlei. Dafür wird mit Anja Wagner-Scheid, Landesvorsitzende der Frauen-Union, eine Frau Staatssekretärin. Sie folgt auf Ulli Meyer, der jetzt Oberbürgermeister in St. Ingbert ist. Beim Wechsel von AKK zu Hans und den Folgeentscheidungen war kritisiert worden, dass keine Frauen zum Zuge gekommen waren. Mit den Personalentscheidungen blieb die allgemein erwartete größere Kabinettsumbildung auf Ministereben aus.
Innovation im Handwerk
Handwerk ist nicht zuletzt eins: Kreativität. Um diese zu würdigen, vergeben die Handwerkskammer des Saarlandes (HWK) und der Sparkassenverband Saar im Zweijahresturnus einen Förderpreis für innovatives und kreatives Handwerk. Beworben hatten sich rund zwei Dutzend Handwerker und Handwerkerinnen, zur Freude von HWK-Präsident Bernd Wegner: „Die vielen eingereichten Wettbewerbsbeiträge zeigen eindrucksvoll die Innovationskraft und die Kreativität, die unserem Handwerk innewohnt." Den ersten Platz erhielt in diesem Jahr Erik Martini aus Völklingen, der mit dem sogenannten Fresh Air Conditioner ein Klimagerät entwickelt hat, das nachhaltig und ohne Kühlmittel Räume kühlen und erwärmen kann. Der zweite Preis ging an Wilco Design GmbH aus Marpingen, die Mobiliar aus alten Flugzeugteilen entwirft und der dritte Preis an Thomas Peitz aus Losheim am See für seine gläserne Dorfbäckerei „Die Backmol".