Zwölf ambitionierte Laien und ein gut gelaunter Mario Kotaska haben in neun gemeinsamen Kochkurs-Stunden ein feines Menü gezaubert. Natürlich mit viel Genuss und jeder Menge Spaß.
Kommen zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ein Mario Kotaska in der Küche der „Genussschule" vom „Schmidt Z&KO" in Friedenau zusammen, kann nach neun gemeinsamen Kochkurs-stunden nur eines entstehen: das Gefühl, einander beinah immer schon zu kennen und mit bester Laune etwas Großartiges auf die Teller gebracht zu haben. In manchen Phasen geht es beim Zubereiten des viergängigen Menüs sehr konzentriert zur Sache: Zuschauen, Erfassen und Umsetzen des Gezeigten und Gesagten sind gefragt. In anderen sind dagegen Scherzen, Chillen und das gepflegte Pausen-Quatschen zum Kaltgetränk auf der Terrasse angesagt.
Mario Kotaska selbst trägt zu beidem erheblich bei. Der aus dem Fernsehen populäre Koch ist „in echt" genauso unterhaltsam wie auf dem Bildschirm. Aber er bedeutet uns, bei aller Flockigkeit, ebenfalls: Das Handwerk ist ernst zu nehmen, den Produkten gebührt aller Respekt.
Die meisten, die sich diesen Kurs für 379 Euro gönnen, sind keine völlig unbedarften Anfänger. Einige haben schon mehrere davon bei Mario Kotaska absolviert, andere kochen selbst in Fernsehshows mit und reisen aus dem Süden der Republik und aus Österreich an. Einer erhielt den Kurs als Geburtstagsgeschenk von seiner Frau, der begleitende Freund besitzt einen eigenen Burger-Imbiss und wird sich später als unser „Wurst-Joker" erweisen. Alle sind übrigens gleich per du.
Mit drei backblechgroßen Steinbutten und einem Lachs liegen außerdem nicht nur große Fische im Ganzen, sondern mit mindestens 120 Euro pro Butt auch echte Werte auf dem Küchenwagen. „Guckt zuerst auf die Kiemen", fordert uns Mario Kotaska auf und klappt dieselben nach hinten. „Genau so frisch und rosig müssen sie sein.
Mit den Fingern fährt er am geriffelten „Saum" des Vorzeige-Steinbutts für den ersten Gang entlang, streicht über die Mittelgräte. Überall dort werden wir Schere oder Messer ansetzen, Flossen ab- und ein Dreieck in den Fisch hineinschneiden, um die Innereien auszunehmen und später das Filet auszulösen. „Ist doch klasse, dass die Natur uns zeigt, was zu tun ist." Mein Nachbar legt einen Butt auf sein Brett, während ich noch notiere. „Schnupper mal!", sagt Bjørn und hält mir seine Finger vor die Nase. „Und fass mal an." Ich rieche: Meer, ausschließlich. So wie es bei frischem Fisch sein soll. Ertaste die „Pickel" in der Haut, die dem Steinbutt seinen Namen gaben. Derweil schälen und schneiden Rainer, Ivana, Andi und Philipp Kräuter und Gemüse, das den Fisch später geschmort begleiten wird. „Nur nicht die Gurken!", ruft Kotaska in die Schnibbelorgie hinein. Er muss manche Zutaten fix vor unserem Arbeits- und Kocheifer bewahren. Der macht weder vor dem Aufblasen von Wurstdärmen noch vorm Zwiebelschälen Halt.
Auch dem Profi brennt was an
Renate und Gerhard aus Graz und Rainer und Ivana aus Berlin sind nicht zum ersten Mal dabei. Sie meldeten im Vorfeld ihre Wünsche an. Ivana hatte sich ein „Gurken-Tutorial" gewünscht. Sie will wissen, wie sie richtig geschnitten werden, damit kein Zickzackband entsteht. Der Kniff: Mit einer Wellenbewegung vorwärts oder rückwärts schneiden, keine hackenden Auf- und Abwärtsbewegungen. Techniken, die der Profi in Jahren täglicher Übung lernt, bekommen wir natürlich nicht in einer halben Stunde hin. Aber wir bekommen die Rezepte in einer Mappe mit nach Hause. Und wir lernen durchs Zuschauen, Nachmachen und durchs Nachfragen, wenn’s hakt.
Rainer, mit sechsmaliger Teilnahme Kursbesuchsrekordhalter, hatte angeregt, Wurst selbst zu machen. Also setzte Mario Kotaska Entenbratwurst und Leberwurst im Glas aufs Menü. Das „Team Wurst" drückt nun ausgelöste und zerkleinerte Entenkeule durch den Wolf. Einmal. Und ein zweites Mal, mit ordentlich viel Eis. Das Fleisch war zum ersten Wolfen zu grob geschnitten gewesen, von „feinem Brät", wie im Rezept gefordert, war nicht viel zu sehen. Anschließend wird es mit gewürfelten Dörrpflaumen, Petersilie, Salz, Majoran und Zitrone gewürzt. „Probieren!", fordert uns Mario Kotaska auf. „Was fehlt noch?" Pfeffer. Natürlich. Aber auch eine etwas entschiedenere Menge Zitronenabrieb und noch mehr Salz wären gut. Das Wurstbrät schluckt Gewürze und Salz. Ebenso wie der Steinbutt. „Der Fisch nimmt sich das Salz, das er braucht", erklärt Kotaska. „Der Rest der Lake fließt von ihm herunter. Das ist doch praktisch." Und wir sind auf der sicheren Seite.
Der Chef ermuntert und ermutigt zum Experimentieren, Probieren und vor allem zum Vertrauen in den eigenen Geschmack. Aber auch zum Verwerfen, falls etwas richtig schiefgeht: „Dann machen wir’s noch mal!" „Wo kommt denn der Brandgeruch her?", frage ich in Richtung Herd, auf dem das „Team Dessert" Mandeln fürs Krokant-Parfait bräunt. „Sag’s mir nur. Ich hab’ das Karamell anbrennen lassen", ruft Kotaska zurück. Die Aktion Karamell startet zum zweiten Mal. Bei allem legeren Umgang mit der Materie warnt er Renate, die übernommen hat: „Pass auf, und verbrenn dich nicht, das hat 170 Grad!"
Mario Kotaska jongliert nicht mit den sprichwörtlichen Tellern, aber mit dem exakten Timing und den Regieanweisungen an die ganze Gruppe. Diese Präzision braucht es, um die vier Gänge später zeitgerecht nacheinander auf die Teller zu bekommen. Er federt von der Wurstmaschine, auf die Dirk und „Wurst-Joker" Tom den vorbereiteten Darm aufziehen und mit der sie die Bratwürste meterweise füllen, zu den Kochfeldern auf der einen und zu den Backöfen auf der anderen Stirnseite des Raumes hin und her. Hilft, wenn’s hakt, und gibt Tipps, wie’s besser funktionieren könnte. „Ihr könnt einiges, wie die Wurst oder das Parfait, am Vortag zubereiten." Hinweise, wie so ein nicht alltägliches Menü mit unter Folie glasig gezogenen Lachsfilets oder Zwetschgen-Ravioli in der Laienküche stressfreier gelingen kann, werden gern angenommen.
„Dynamischster Kurs ever"
Während Bjørn Vanille, Sahne, Zucker und Eigelb für die Sauce zum Dessert überm Wasserbad schlägt, scheitert Renate glorios am Teig für die Zwetschgen-Ravioli. Ein Gnocchi-Teig aus mehlig kochenden und möglichst trocken gekochten Kartoffeln – „Kalt und mit Schale aufsetzen! Nach dem Kochen noch im Ofen trocknen!" – will und will sich einfach nicht ebenmäßig ausrollen lassen. Renate bekommt einen Lachanfall vor Verzweiflung. Mario Kotaska zeigt mehrfach und zunächst vergeblich auf die rettende Mehltüte. Schließlich gelingt’s. Renate bemisst eher Rechtecke als Quadrate, Gerhard spritzt passierte Portwein-Zwetschgen auf. Renate klappt zusammen, schneidet Überstände beherzt ab. Pythagoras hätte seine Freude an diesem höchst individuell gewinkelten Dreiecks-Dessert!
Die in Gläschen eingekochte Leber- und die spontan im Smoker kaltgeräucherte und anschließend gegrillte Entenbratwurst liegen zur rechten Zeit zu Kumquat-Parfait und Feldsalat auf den Tellern. Wir haben für 16 Personen gekocht, denn Philipp, Andi und Rainer haben ihre Frauen zum Essen dazugebucht. Ein Glück, dass der Service die Tafel schon aufgebaut hat und wir nicht noch dort beim Eindecken den Überblick verlieren! Außerdem hat Restaurantleiter Alexander Rosenfeld aus dem „Schmidt Z&KO" die Weinauswahl zum Menü im Vorfeld getroffen. Mit einem 2018er Aix aus der Provence trifft er zum „Wurst-Gang" gleich ins Schwarze. Die Leberwurst ist cremig und elegant, keineswegs schüchtern gewürzt – wunderbar.
Mein Liebling ist der Lachs im Zwischengang. Er ist unter Frischhaltefolie glasig gezogen und gibt sich in Gesellschaft der mustergültig geschnittenen „Schnibbelgurken" sanft. Sie wurden mit Erdnüssen, Koriander, Limette, Fisch- und Hoisin-Sauce auf Asia-Kurs gebracht. Wasabi-Soja-Espuma schärft in genau der richtigen, dezenten Dimension fluffig an. Im dritten Gang essen wir die Filets von allen drei Steinbutten ratzeputz auf. So pur, mild und schmackig hatte ich den Fisch bislang nicht auf dem Teller. Topinambur, violette Rüben, Kartoffeln, Fenchel und Karotte sind eine wurzelig perfekte Ergänzung. Keine Frage, mit dem Sancerre Le Pierrier von der Domaine Thomas et Fils plus der geballten Expertise des Schmidtschen Weinladens sind wir einmal mehr auf der geschmackssicheren Seite. Renate hat die apart geformten Kartoffel-Ravioli ausgebacken, ihr Mann Gerhard das Krokant-Parfait in großzügige Scheiben geschnitten. Wir erfreuen uns mit einem karamellig-pflaumigen „Six Grapes" Reserve Port von Graham’s an dem auf Vanillesaucen-Schlaufen und mit frischen Zwetschgen angerichteten Dessert. Zwischen den Gängen wird stetig aufgeräumt – also in der Küche das Alibi zum Würstel-Nachnaschen und Steinbutt-Reste-von-der-Gräte-Zupfen geschaffen. Schmeckten der heimliche Löffel aus dem Topf oder das Angebackene vom Blech nicht schon immer am besten? Das eine oder andere Glas und Gespräch ziehen sich auf der Terrasse anschließend in die spätsommerliche Samstagnacht hinein. Mario Kotaska fasst zusammen: „Ich danke euch für den dynamischsten Kurs ever, den ich hier gegeben habe." Eine charmante Umschreibung für unser wildes Gewusel!
Wir danken retour, probieren den Stuttgart Dry Gin, den Andi und Philipp als Gruß aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Ob’s zu Hause mit dem Nachkochen der Rezepte glattgeht, wird sich zeigen. Falls nicht: Der nächste Kurs findet am 4. April 2020 statt. Mit seiner Erfahrung und guter Laune hat Mario Kotaska uns aber etwas viel Wichtigeres als Technik und Perfektion vermittelt: den Spaß am Umgang mit tollen Produkten. Keine übertriebene Ehrfurcht vor großen Fischen. Und das Zutrauen ins eigene Können.