Missionarisch und erratisch sei die Politik von US-Präsident Trump, analysiert Bruno von Lutz vom Deutsch-Amerikanischen Institut. Die ohnehin großen Herausforderungen an die Außenpolitik würden nicht geringer, je näher das angestrebte Amtsenthebungsverfahrung rückt.
US-Präsident Donald Trump bringt selbst ausgewiesene Amerika-Kenner in Verlegenheit, wenn sie nach einem Erklärungsmuster zur amerikanischen Außenpolitik gefragt werden. Bruno von Lutz, langjähriger geschäftsführender Direktor des Deutsch-Amerikanischen Instituts Saarbrücken, charakterisiert Trumps Politik als „erratisch und unberechenbar, nach innen und nach außen". Was die Sache zusätzlich problematisch macht: „Es fehlt an Weitsicht. Und manchmal überlappen sich auch Innen- und Außenpolitik, wie im Fall der Ukraine." Was am Einsatz von Rudy Giuliani deutlich werde, Trumps Rechtsanwalt, der mit der für den Präsidenten höchst kritischen Mission beauftragt war, und der „so eine Art Parallel-Außenpolitik" betrieben habe, wie von Lutz analysiert. Womit sich nicht nur Innen- und Außenpolitik vermischen, sondern auch noch die persönlichen Interessen des Präsidenten.
Gefragt nach einem roten Faden in Trumps Politik befindet von Lutz: „Er sieht sich als großer Wirtschaftler, der immer auf den großen Deal aus ist. Dabei stellt er in populistischer Weise Amerika als Opfer von schlechten Deals dar. Das ist mit der Nato so, das ist mit Europa so, mit Mexiko, mit China. Die ganze Welt hat Amerika einen schlechten Deal gegeben, und das will er in einem Kreuzzug ändern. Das hat schon religiös-missionarische Züge."
Das Problem dabei sei, dass es für manche Bereiche durchaus Gründe gibt, die im Übrigen nicht besonders neu sind. So seien europäische Zölle auf Autos höher als amerikanische. Das muss einen Präsidenten, der Außenpolitik immer aus einem wirtschaftspolitischen Blickwinkel betrachtet, reizen. Auch bei einem anderen Beispiel sind Interessen unverkennbar. „Wenn man die Ostseepipeline verteufelt, dann steckt dahinter der Wunsch, eigenes Gas zu verkaufen."
Auch andere Themen sind nicht neu, etwa das Stichwort Nato-Beiträge und das Zwei-Prozent-Ziel. Das habe schließlich auch schon Trumps Vorgänger immer wieder aufgerufen. „Das Zwei-Prozent-Ziel hat auch schon Obama angesprochen, aber der war eben ein höflicher Mensch", so von Lutz. Trumps brachiales Auftreten ist das eine, in der Forderung, „dass Deutschland mehr tun muss", setze er aber Obamas Linie fort, und „hat im Grunde recht", meint der Amerika-Kenner. Dass zeitgleich die USA den Rückzug aus Krisen- und Kriegsregionen antrete, sei nicht völlig überraschend. „Es gab immer schon diese Wellenbewegungen der Amerikaner, dass man sich mal zurückzieht und dann wieder engagiert." Dabei teile Amerika das „Schicksal des Hegemons". Greift Amerika ein, hagelt es Kritik, zieht es sich zurück, fällt die Kritik ebenfalls massiv aus. Das Problem bei Trump sei dessen Sprunghaftigkeit und fehlende Weitsicht.
Die Situation in Nordsyrien und damit in der gesamten Region ist ein gefährliches Beispiel dafür. „Wenn Erdogan damit durchkommt, werden auch andere auf die Idee kommen", warnt von Lutz und spricht von einem „naiven Weltbild" Trumps.
„Leute, mit denen er sich umgibt, sind ähnlich erratisch"
Dass Erdogan den Angriff auf Nordsyrien gestartet hat, wird allgemein mit der innenpolitischen Situation in der Türkei erklärt. Wobei der Mechanismus nicht sonderlich neu ist. Gerade autokratische Herrscher ergreifen häufig in innenpolitisch schwierigen Situationen ähnliche Maßnahmen. Die Krim oder die Lage in der Ukraine sind vergleichbare Aktionen des russischen Präsidenten Putin. Vor diesem Hintergrund zeigt sich von Lutz besorgt über die Außenpolitik Trumps. „Viel entspricht oft der Tageslaune, ohne dass er sich überlegt, was daraus wird." Der Rückzug der US-Truppen hat den Weg für Erdogans Eingreifen frei gemacht, es folgten ein denkwürdiger Brief Trumps an Erdogan und die von US-Vizepräsident Mike Pence ausgehandelte 120-Stunden-Waffenruhe. Die Leben „vieler, vieler Kurden" seien gerettet worden, ohne einen Tropfen amerikanischen Blutes zu vergießen, jubelte der Präsident. Alles Weitere klärte dann zunächst mal Putin mit Erdogan.
Von Lutz’ Sorge richtet sich auf das Impeachment (Amtsenthebungsverfahren): „Ich weiß nicht, was da noch kommt. Er muss immer spektakulärere Dinge bringen, wenn das Impeachment näher rückt".
Waren nun Europa und Deutschland zu blauäugig in Fragen, die schon seit Obama auf der Agenda standen – wenn auch mit anderem Tonfall – etwa das Nato-Zwei-Prozent-Ziel und stärkeres eigenes europäisches Engagement? Was das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, betrifft, sei es aber „so eine Sache", meint von Lutz. Bei einem Rückgang der Wirtschaftsentwicklung oder gar einer Wirtschaftskrise würde sich dieser prozentuale Anteil gleich anders darstellen als in Zeiten hoher Wachstumsraten. Unabhängig von dieser Betrachtung werde Deutschland seine bisherige Zurückhaltung wohl kaum durchhalten können.
Deutschland habe sich, „aus guten Gründen" herausgehalten und sei „bislang ganz gemütlich unter dem Radar gesegelt. Die Vergangenheit war oft ein Feigenblatt". Gleichzeitig sei aber auch klar, dass jetzt jeder Vorstoß in Richtung eines stärkeren Engagements Deutschlands „im Inneren auf wütende Kritik trifft und auf Misstrauen in anderen EU-Ländern". Die Reaktionen auf den Vorstoß von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Blick auf die Situation in Nordsyrien bestätigen die Analyse.
Wie aber soll und kann eine deutsche, eine europäische, Außenpolitik mit dieser Situation im eigenen transatlantischen Verhältnis umgehen? „Es gibt keinen festen Punkt, an den man sich bei Trump halten kann. Und die Leute, mit denen er sich umgibt, sind ähnlich erratisch", sagt Bruno von Lutz und spricht von der Notwendigkeit, zu „lavieren". Damit beschreibt er den schwierigen Weg, dass auch Deutschland mehr Verantwortung übernehmen müsse – in dem skizzierten schwierigen Spagat. Außenminister Heiko Maas habe im Übrigen sicher Recht, wenn er auf engeren und stärkeren Zusammenhalt Europas angesichts der Herausforderungen hinarbeite. Aber es stelle sich eben die Frage: „Welche Mittel haben wir überhaupt?", um eigene Interessen durchzusetzen.
Diese Fragen würden drängender im Zusammenhang mit dem Impeachment-Verfahren, worauf Entwicklungen in den USA selbst hindeuteten. Von Lutz verweist auf eine wachsende Stimmung selbst unter den Republikanern: „Es muss anders werden. An jeder Ecke brennt es, und es kommt jeden Tag ein neuer Brandherd dazu. Und mit dem Versuch, ein Impeachment einzuleiten, wird es richtig ernst. Da befürchten viele, dass das nicht mehr beherrschbar wird."