Wichtiger Aspekt der Außenpolitik ist auch die Sicherheitspolitik. Dr. Peter Tauber (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, spricht über internationale Ansätze, Friedenssicherung und die Bundeswehr.
Herr Tauber, inwiefern hat sich die deutsche Sicherheitspolitik in den letzten Jahren verändert?
Grundsätzlich ist das sicherheitspolitische Umfeld komplexer und wechselhafter geworden. Sicherheitspolitische Entwicklungen gewinnen zunehmend an Dynamik und sind aufgrund ihrer Komplexität schwieriger zu bewerten. Der Fokus deutscher Sicherheitspolitik hat sich vom nationalen Denken gelöst. Wir betrachten sicherheitspolitisches Handeln stets im europäischen Verbund und mit unseren internationalen Partnern. Dieses Denken ist notwendig, denn wir leben in einer vernetzten Welt im stetigen Wandel. Die Auswirkung globaler Phänomene wie klimatischer und demografischer Wandel, Ressourcenknappheit, die Einführung neuer Technologien sowie die Globalisierung selbst bedingen sich gegenseitig, haben weitreichende Folgen für Staaten, deren Wirtschaft und Gesellschaft. Dies birgt viele neue Herausforderungen in sich, zwingt und bietet uns aber auch die Chance, unsere Zukunft aktiv zu gestalten, denn nur diese können wir nachhaltig beeinflussen. Spätestens seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat die Bedeutung von Sicherheitspolitik – speziell auch für Bürgerinnen und Bürger unserer Nation – an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewonnen. Vor diesem Hintergrund wird unsere Bundeswehr heute vermehrt eingesetzt, um Bündnisverpflichtungen zu übernehmen und unserer Verantwortung weltweit gerecht zu werden. Eine aktive Außen- und Sicherheitspolitik, zum Beispiel durch Beteiligung bei Ausbildungs- und Stabilisierungsmissionen, kann präventiv zur Bekämpfung von Ursachen beitragen und nachhaltige Erfolge in den jeweiligen Regionen erzielen. Für unsere zunehmend digitalisierte Gesellschaft haben sich die Bedrohungsfelder durch Cyberattacken und Desinformationskampagnen als nur ein Teil einer Vielzahl hybrider Bedrohungen weiterentwickelt. Darauf haben wir bereits mit einer Vielzahl von Maßnahmen im Verbund mit unseren Bündnispartnern innerhalb der EU und der Nato reagiert. Unsere Bundeswehr hat beispielsweise ein Cyber-Kommando eingerichtet und baut Fähigkeiten im Rahmen ihrer Nato-Verpflichtungen so auf, dass wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft Landes- und Bündnisverteidigung praktizieren.
Muss Sicherheitspolitik denn überhaupt noch national gedacht werden?
Sicherheitspolitik muss weiterhin national und gleichzeitig auch europäisch und global gedacht werden. Mitunter liegt darin ihre Komplexität. Wir können nur gemeinsam mit unseren Partnern international Einfluss haben. Unsere nationalen Ansätze müssen dabei immer unsere Verpflichtungen in der EU und Nato berücksichtigen. Neben der Nato haben wir in der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU", deren integraler Bestandteil die „Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" ist, in den letzten Jahren viel erreicht. Unter Berücksichtigung berechtigter Anliegen der Mitgliedsstaaten sichert dies der EU ihre Operationsfähigkeit. Unsere Bundesregierung möchte, und das betont sie, die Handlungsfähigkeit der „Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik" verbessern. Es gilt, die EU- und die nationale Ebene miteinander zu verzahnen, um kollektiv gestalten und nach außen hin ernst genommen werden zu können. Zuletzt haben wir vielversprechende Initiativen auf den Weg gebracht, wie beispielsweise die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit", Projekte zur Harmonisierung der Verteidigungsplanung und den „Europäischen Verteidigungsfonds". Das ist nicht mit einer Europäischen Armee gleichzusetzen, bildet aber neben zivil-militärischer Zusammenarbeit die Grundlage für eine Europäische Verteidigungsunion. Weitere Initiativen werden folgen. Darüber hinaus setzen wir uns für die Stärkung der Vereinten Nationen ein, mit einem angemessenen Etat, Ressourcen und Soldaten, die an Blauhelm-Missionen teilnehmen. Wir müssen aber auch hinreichend Mittel zur Verfügung stellen, um den zugesicherten Beitrag für unsere Sicherheit zu leisten. Damit wir als Europäische Union nach außen und innen Relevanz und Akzeptanz beibehalten, müssen wir uns stetig und ernsthaft um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger kümmern und unsere Arbeit überzeugend kommunizieren.
Ist Verteidigungspolitik gleich Friedenssicherung?
Bei der Verteidigungspolitik geht es natürlich darum, Frieden und Stabilität zu sichern. Dennoch sind manchmal „militärische Einsätze nötig, dann nämlich, wenn sie Schlimmeres verhindern. Wir müssen versuchen, weitestgehend sicherzustellen, dass Stabilität durch – insbesondere auch nukleare – Aufrüstung der Vergangenheit angehört. Gleichwohl ist Abschreckung ein wichtiger Aspekt, um in der Orchestrierung der Weltmächte ernst genommen zu werden und Glaubwürdigkeit zu erlangen.
Hat die Nato noch eine Bedeutung für die Friedenssicherung?
Seit Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgt deutsche Sicherheitspolitik im Verbund mit Bündnispartnern. Die Nato ist und bleibt ein Bündnis von großer politischer Einflussnahme und genießt internationale Glaubwürdigkeit. Deshalb ist die Nato nach wie vor maßgeblich für den Erhalt von Frieden und Stabilität sowie im Kampf gegen Terrorismus und extremistische Kräfte verantwortlich. So hat beispielsweise in den 1990er-Jahren ihre Intervention dazu geführt, dass Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien aufgenommen und die kriegerischen Auseinandersetzungen schlussendlich beendet werden konnten. Das Bündnisprinzip beruht jedoch auf Pflichten, sowohl was die Bereitstellung von angemessenen Mitteln angeht, als auch die Erfüllung militärisch-strategischer Ziele, um das Füreinandereinstehen nicht zu gefährden. Für sein Fortbestehen – und darauf sind wir angewiesen – müssen wir unseren angemessenen Beitrag leisten. Denn es steht unumwunden fest: Die Nato bleibt unverzichtbarer Garant und ist Fundament unserer Sicherheit, und Deutschland bleibt ein verlässlicher Partner in der Allianz. Dabei wollen wir auch den europäischen Beitrag zur transatlantischen Partnerschaft stärken und setzten uns für eine engere Zusammenarbeit der Nato in der EU ein.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Bundeswehr?
Nach vielen Jahrzehnten der haushälterischen Einsparung wächst in unserer Gesellschaft spürbar das Bewusstsein der Notwendigkeit einsatzfähiger Streitkräfte. Die eingeleitete Trendwende Personal hat einen konstanten Zuwachs zu verzeichnen und setzt erfolgreich auf gute Ausbildung und Qualifizierung des Personals. Aus meiner persönlichen Erfahrung als Reserveoffizier kann ich durchweg von sehr hoher Professionalität und einer großen Expertise in der Bundeswehr berichten. Die Trendwende Material erfährt durch den gesteigerten Wehretat gänzlich neue Möglichkeiten im Hinblick auf dringend notwendige Beschaffungen und Instandsetzungen. Diese positiven Entwicklungen tragen wesentlich dazu bei, die Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte sicherzustellen, denn nur dann können unsere Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag erfüllen, ihrer Verantwortung gerecht werden, und darum geht es uns. Dazu müssen wir, eben um den Anforderungen der Truppe gerecht zu werden und ihren Bedarf schnell und effektiv zu decken, einige Strukturen verschlanken und Prozesse entbürokratisieren. Hausintern haben wir dafür das Referat „Bürokratieabbau" aufgesetzt.
Aktuell haben wir einige sehr ernst zu nehmende Vorfälle von Rechtsradikalismus, die es schonungslos aufzuklären gilt.