Er ist der kleinste der Jaguar-Familie und spielt in der Gruppe der Mercedes C-Klasse und der 3er BMW mit. Auch hier ist er der jüngste Spross. Dennoch setzt er Maßstäbe, die sich sehen lassen können. FORUM hat den Jaguar XE HSE getestet – aus der Sicht des Beifahrers.
Das Jaguar-Baby ist schön, elegant, wirkt hochwertig und extravagant. „Wenn ich auf der Autobahn so einen im Rückspiegel sehe, fahre ich freiwillig nach rechts!" sagt eine Freundin, die uns besucht, kurz nachdem wir den Jaguar XE HSE zum Testen bekommen haben. Der Wagen beeindruckt sie nicht nur aufgrund seiner subtilen Kraft und Eleganz, er gefällt ihr einfach.
Der Eindruck bestätigt sich auch im Inneren. Alle Materialien strahlen Qualität und Hochwertigkeit aus. Die Verarbeitung ist exzellent. Was aussieht wie Metall ist auch Metall. Das Leder der Bezüge ist weich wie eine Pfirsichhaut, obwohl es weiß ist. Je heller die Farbe von Leder ist, desto mehr Farbstoff muss es enthalten, da Leder von Natur aus dunkel ist. Je mehr Farbe ein Leder enthält, desto hochwertiger muss es sein, um noch weich zu sein.
Ganz ehrlich: Die Sitze sind mit das Beste, was ich je in einem Auto erlebt habe. Die perfekten Sessel, die ich bis ins kleinste Detail an meinen Körper anpassen kann. Wie immer ist das natürlich eine ganz subjektive Wahrnehmung, in jedem Fall aber reist es sich in unserem Testauto vorzüglich. Der Ein- und Ausstieg ist problemlos und bequem möglich. Die Bedienung aller Elemente, die auch der Beifahrer benutzen darf, ist intuitiv und gut erkennbar – perfekt für Kurzsichtige wie mich. Die Knöpfe und Hebel zur Einstellung des Sitzes befinden sich auf der rechten Seite und sind so angebracht, dass es keiner Erklärungen bedarf. Sowohl Sitzheizung als auch Raumklima lassen sich auf dem unteren der beiden großen berührungsempfindlichen Monitore in der Mittelkonsole bedienen. Die Sitzheizung trifft genau das richtige Maß an Wärme. Auch auf voller Leistung werde ich nur angenehm gewärmt und nicht gegrillt. Der Mitfahrer kann selbst entscheiden, wann er oder sie die Heizkraft verändern möchte.
Mein Raumklima stelle ich per großem Drehknopf ein, in dem die gewählte Temperatur gut lesbar zu sehen ist. Außerdem besteht die Auswahl zwischen verschiedenen Strömungskanälen, und auch die Intensität des Gebläses lässt sich bequem regeln.
Jede Menge Platz auf den hinteren Sitzen
Unter der Mittelkonsole ist ein Ablagefach für Smartphones, die hier induktiv geladen werden können – sofern sie technisch dazu geeignet sind. An das Fach schließt sich ein Bereich an, in dem zwei Getränkehalter und ein kleines Ablagefach vorhanden sind. Beides verschwindet auf Wunsch unter einer schwarzen Lamellenabdeckung. Hieran schließt sich eine Armlehne an, unter der ein großes Ablagefach zu finden ist. Die Sonnenblenden verbergen abgedeckte und beleuchtete Schminkspiegel, in dem auch der Beifahrer den Sitz der Frisur im Dunkeln schnell noch einmal kontrollieren kann.
Was mich ausgesprochen positiv überrascht hat, ist, dass auch Erwachsene auf der Rückbank noch genügend Platz finden. Diese Sitze sind also nicht nur als „Kinder-Notsitze" zu bezeichnen. Ich bin 183 Zentimeter groß und habe den Vordersitz entsprechend weit nach hinten gefahren. Dennoch kann ich problemlos hinter dem Beifahrersitz Platz nehmen und ohne Verrenkungen mitfahren. Der Platz ist zwar nicht so üppig bemessen, dass ich dort längere Strecken zurücklegen möchte, aber für eine Stunde ist es schon in Ordnung. Hinter dem Fahrersitz meiner Frau wären sogar längere Strecken kein Problem für einen erwachsenen Mitfahrer gewesen.
Bedingt durch die zum Heck hin abfallende Dachlinie, die nur einen geringen Überhang für den Kofferraumdeckel lässt, sinkt die Decke jedoch merklich ab. Ich komme mit dem Kopf gerade am Dachhimmel an. Größere Passagiere könnten hier durchaus Probleme bekommen. Die Sitze in der zweiten Reihe sind aber dennoch bequem – auch wenn sie mit den in der ersten Reihe nicht mithalten können. Die Rücksitzbank lässt sich dreigeteilt umklappen, sodass eine hohe Variabilität für die Beladung des Kofferraums gegeben ist. Für den Alltag reicht das Volumen durchaus aus, für Reisen allerdings könnte es ohne umgeklappte Sitze etwas knapp sein. Wir haben einen großen Rimova-Alukoffer in den Kofferraum hineinbekommen und hätten noch zwei Boardcases oder entsprechende Reisetaschen verstauen können. Somit bietet der Kofferraum zum Verreisen ausreichend Platz für zwei Personen. Die optimale Ausnutzung des gesamten Raumes dürfte bei drei Personen und einer umgeklappten Rückbank erreicht sein.
Der Kofferraum ist gut zu beladen, da die Ladekante eine angenehme Höhe hat und die Kofferraumklappe so weit nach oben schwingt, dass sie nicht im Geringsten im Weg steht. Unser Modell hat noch den Luxus, dass die Heckklappe sich per Knopfdruck öffnen und schließen lässt. Eine nicht essenzielle Spielerei, aber sehr bequem – insbesondere wenn es geregnet hat und die Heckklappe schmutzig ist.
Besonders gut gefallen hat mir eine kleine Spielerei, die die meisten als „Ambiente-Beleuchtung" kennen. Damit ist eine Betonung einiger Linien des Innenraums durch schmale Beleuchtungsstreifen gemeint. Fraglos eine Option, die chic aussieht. Jaguar hat sich bei diesem Accessoire für eine indirekte Beleuchtung entschieden, die bei uns lila schimmert. Das sieht richtig edel und gut aus. Keine klaren Leuchtlinien mehr, die harte Designkanten nachzeichneten, sondern ein dezent diffuses Licht, das die eleganten Linien des Innenraums akzentuiert hervorhebt.
Beeindruckende Beschleunigung
In Sachen Licht hat unser Jaguar XE HSE weitere interessante Details zu bieten. Die Tagfahrscheinwerfer zeichnen in der Front ein L, das seine Senkrechte außen hat und den Querstrich nach innen führt. Die Scheinwerfer spenden auch in der Nacht ein sehr gutes, gleichmäßiges Licht. Die Rückleuchten unterbricht eine nach oben geführte Linie, die aussieht wie ein kleiner Berggipfel. Als wollte der Jaguar sagen: „Ich bin Spitze!" Ist er tatsächlich.
Auch in die Außenspiegel sind Leuchten eingebaut, die beim Öffnen der Türen runde Lichtkreise auf den Boden projizieren, damit man sehen kann, wohin man tritt und nicht aus Versehen den Fuß in eine Pfütze setzt. Gar nicht britisches Understatement hingegen zur sonst eher dezenten Gesamterscheinung des XE ist das Logo von Jaguar und dessen Schriftzug, die ebenfalls per Lichtkegel auf den Boden projiziert werden.
Das Heck des XE HSE ist schön anzusehen, wenngleich für mein Empfinden eher unspektakulär. Die beiden Auspuffrohre sind deutlich sichtbar, ohne angeberisch zu wirken. Gleiches lässt sich vom Motorsound sagen. Der Jaguar gibt sich keine Mühe zu verhehlen, dass er 300 PS unter der Haube hat, aber er protzt damit auch nicht unnötig herum. Die Beschleunigung ist dagegen sehr beeindruckend, Überholmanöver meistert er jederzeit problemlos.
Nachhaltig beeindruckt hat mich die fantastische Straßenlage des XE, dessen Sitze mir auch in schnell gefahrenen Kurven sehr guten Halt geben. Der Wendekreis ist so klein, dass es eine wahre Freude ist, mit dem Auto zu rangieren oder Kurven zu fahren. Nach der Testzeit stiegen wir in unseren zwölf Jahre alten SUV ein und glaubten, in einem Trecker zu sitzen.
Geschäftsleute, die es sich leisten können, ein wenig extravagant aufzutreten, sind mit dem Jaguar XE HSE bestens bedient. Das Auto ist im positiven Sinne dezent anders. Die gesamte Anmutung und Verarbeitung ist hochwertig und edel. Es ist eine Freude, diesen Luxus zu genießen, der vom Alltäglichen abweicht.