Nach der Niederlage im Hauptstadtduell bei Union hat Hertha BSC etwas gutzumachen – vor der Länderspielpause trifft man dabei ausgerechnet auf den „Angstgegner" RB Leipzig.
Nach so einem Duell zweier Lokalrivalen kürt die Presse ja gern einen „Derby-Helden": Sportlich gesehen wurde diese Ehre vergangenen Samstag Sebastian Polter zuteil. Der Union-Stürmer hatte immerhin den entscheidenden Elfmeter kurz vor Schluss zum Tor des Tages gegen Hertha BSC versenkt. Bezeichnend für die Qualität der Partie ist aber irgendwie auch, dass Polter als Einwechsler überhaupt erst in der letzten Viertelstunde zum Einsatz gekommen war. Es war eben ein „richtiges" Derby, bei dem die künstlerische B-Note auf dem Platz nicht so sehr eine Rolle spielte – leider ging es aber auch auf den Rängen phasenweise unrühmlich zu. Das Abbrennen von Pyrotechnik ist bei solch einer Paarung zwar beinahe schon unvermeidlich, in einigen Fällen wurden aber – und hier tat sich besonders der Gästeblock von Hertha BSC hervor – Feuerwerkskörper gezielt gegen Personen auf dem Rasen und auch auf den Rängen eingesetzt. Nach dem Abpfiff hielt Union-Torwart Gikiewicz dann sogar vermummte Fans des eigenen Anhangs resolut davon ab, über den Platz zu laufen und die offene Konfrontation zu suchen. Dadurch avancierte der polnische Keeper sogar zum eigentlichen Derby-Helden in der Hauptstadtpresse. Die „Emotionen" kochten also hoch – selbst in der Analyse nach dem Spiel bei einigen Beteiligten: „Mir kam es so vor, als hätte nicht jeder alles gegeben", ließ etwa Hertha-Profi Marius Wolf die Medienvertreter nach dem Abpfiff wissen. Dabei hatten die Blau-Weißen insgesamt – also Wolf inklusive – in der Tat diesen Eindruck hinterlassen, den „Derby-Fight" nicht mit letzter Überzeugung angenommen zu haben. „So eine Mannschaft musst Du eigentlich spielerisch schlagen", ist ebenfalls nicht der richtige Ansatz, wenn einem vom Gegner zunächst mal ein Kampfspiel abverlangt wird. So weit ist die Mannschaft von Ante Covic dann eben doch noch nicht, um eine solche Partie nur mit fußballerischer Qualität für sich zu entscheiden – und so ging diese am Ende sogar nicht einmal unverdient noch verloren.
Kräftemangel durch die Überstunden, die die Blau-Weißen mit Verlängerung und Elfmeterschießen gegen Dynamo Dresden drei Tage zuvor im Pokal hatten bestreiten müssen, konnte dabei nicht als Erklärung für den farblosen Auftritt in dem Prestigeduell in Köpenick herhalten. Schließlich wechselte Herthas Trainer gleich auf sechs Positionen und kehrte zur Startmannschaft zurück, die sich zuletzt aufseiten der Blau-Weißen festgespielt hat. Ausnahme: Vladimir Darida, der wegen seiner Gelb-Roten Karte aus dem Bundesligaspiel gegen Hoffenheim für das Derby gesperrt war. Für ihn rückte Dodi Lukebakio in die Mannschaft, der als hängende Spitze teils Spielmacheraufgaben übernehmen, teils als Kompagnon des einzigen Stürmers Vedad Ibisevic fungieren sollte. In der Abwehr konnte Covic nach drei Pflichtspielen dazu wieder das Abwehrduo mit Dedrick Boyata und Niklas Stark im Zentrum aufbieten. Boyata hatte mit Karim Rekik gegen Hoffenheim (drei Gegentore) nicht recht überzeugt – und Stark nach überstandener Verletzung gegen Dresden (drei Gegentore in 120 Minuten) gemeinsam mit Rekik ebenso wenig. Immerhin hielt das bewährte Duo im Derby dann also wieder weitgehend hinten dicht – bis ausgerechnet Boyata kurz vor Ende der regulären Spielzeit im Strafraum ungestüm und zu spät gegen Christian Gentner einstieg.
Wolf zweifelt an der Einstellung der Mitspieler
Der Strafstoß, der letztlich das erste Bundesligaderby zwischen den beiden Clubs zugunsten von Union entscheiden sollte, war so vertretbar – und Sebastian Polter behielt vom Punkt die Nerven gegen Hertha-Torwart Rune Jarstein, der die Finger aber noch am Ball hatte. Der Schlusspunkt eines Spiels mit wenigen sportlichen Highlights: „Kampf und Krampf" war wohl die in den Live-Tickern am meisten benutzte Beschreibung für das Geschehen auf dem grünen Rasen der Alten Försterei. In der ersten Halbzeit blieb die Mannschaft von Ante Covic dabei vor allem in der Offensive einiges schuldig. Das besserte sich dann zwar im weiteren Verlauf, richtige Durchschlagskraft ließ man dennoch nicht erkennen. Hatte man im zweiten Durchgang zwischenzeitlich sogar das Kommando übernommen, ließen sich die Herthaner in den Schlussminuten den Schneid wieder abkaufen.
Union drängte noch mal, hätte aber wohl ebenso kein Tor erzielt wie der Widersacher – so endete das erste Berliner Bundesligaderby seit 42 Jahren (damals trafen Hertha und Tennis Borussia im April 1977 aufeinander) jedoch mit einem Resultat, das man bei Hertha BSC unbedingt vermeiden wollte. Nicht nur, dass es in der Liga die zweite Niederlage in Folge war und man dadurch auch schon wieder drei Spiele ohne Sieg ist – der Faktor der Derby-Pleite wiegt dazu ebenfalls schwer. Schließlich muss man das Verhältnis zu den sicherlich nachhaltig verärgerten Fans in den kommenden Wochen nun erst einmal wieder herstellen.
So etwas gelingt natürlich vor allem über sportlichen Erfolg – den aber verspricht der kommende Gegner nicht unbedingt im Übermaß. RB Leipzig, am Sonnabend im Olympiastadion zu Gast, kannte beim 8:0 über Mainz 05 vergangenes Wochenende keine Gnade und schob sich dadurch auf Platz drei der Bundesligatabelle vor. Die Messestädter verfügen derzeit im Oberhaus über die beste Offensive (25 Tore wie der FC Bayern) und die zweitbeste Defensive (10 Gegentore wie der Tabellenführer aus Mönchengladbach).
Darüber hinaus werden die Leipziger auch noch besonders bei Gastspielen an der Spree gefürchtet: Dreimal traten sie im Olympiastadion bislang an, dreimal gingen sie als Sieger vom Platz. Und das auch noch in aller Deutlichkeit: 13 Tore erzielten sie dabei gegen die Blau-Weißen, die ihrerseits nur dreimal erfolgreich waren. Nach diesem Spieltag folgt dann erst mal wieder eine Ligapause. Im Anschluss geht es für Hertha BSC dann auf die Zielgerade der Hinrunde 2019/20: Von den sechs Gegnern, mit denen man es dann noch zu tun bekommen wird, steht dabei aktuell nur der FC Augsburg nicht in der Tabelle vor den Blau-Weißen.