Alba Berlin muss der anstrengenden Doppelbelastung Tribut zollen und sich im Topspiel der BBL dem Meister Bayern München geschlagen geben.
Einen Tag nach dem Fußball-Clásico zwischen Bayern München und Borussia Dortmund sah Uli Hoeneß zum Ende seiner Präsidentschaft das nächste prestigeträchtige Duell seines Clubs. Und erneut hieß es: Rot gegen Gelb. Der Bayern-Boss, der bei der Mitgliederversammlung am 15. November offiziell verabschiedet wird, bejubelte auf der Tribüne den 84:80 (41:38)-Sieg seiner Münchner im Spitzenspiel der Basketball-Bundesliga BBL gegen Alba Berlin. Der Hauptstadtclub musste durch die erste Saisonniederlage in der Liga die Tabellenführung dem Titelverteidiger überlassen. Hoeneß war glücklich darüber, doch er wünschte auch Alba eine gute Saison: „Wir brauchen starke Konkurrenz."
Die beiden besten Basketballmannschaften der vergangenen Jahre schenkten sich im 50. Pflichtspiel gegeneinander nichts. Doch ihnen war die Doppelbelastung der zurückliegenden Wochen deutlich anzumerken. Auf beiden Seiten häuften sich Abspielfehler, Unkonzentriertheiten und Fehlwürfe. Am Ende entschied die größere Cleverness für den Meister, der im Prestige-Duell mit nun 30:19 Siegen (bei einem Unentschieden im Viertelfinale des Eurocups) führt. „Wir haben lange versucht, dagegenzuhalten. Doch wir hatten in der entscheidenden Phase zu viele Fehler und Ballverluste. Am Ende hatten wir dann auch nicht mehr genügend Energie", sagte Alba-Trainer Aito Garcia Reneses.
Die Berliner mussten auf ihren vermutlich wichtigsten Mann kurzfristig verzichten: Peyton Siva verletzte sich im Abschlusstraining am Oberschenkel, der Point Guard wird wegen eines Muskelfaserrisses mehrere Wochen fehlen. Auch Tyler Cavanaugh fehlte wegen Sprunggelenks-Problemen. Der zuletzt angeschlagene Marcus Eriksson saß zwar wieder mit auf der Bank, wurde aber nach seiner langen Pause nicht eingesetzt.
„Zu viele Fehler und Ballverluste"
Auch bei den Münchnern fehlten wichtige Spieler, angesichts ihres qualitativ hochwertig besetzten Kaders fällt das aber meist nicht auf. Beim Etat stehen die Münchener (rund 25 Millionen Euro) noch klar eine Stufe über den Berlinern (15). Diese Entwicklung hat vor allem Hoeneß vorangetrieben. Er sorgte auch vor, dass sein Nachfolger, der frühere Adidas-Chef Herbert Hainer, den Geldhahn für die Basketballer offenlässt. Es sei „ein Entscheidungskriterium" gewesen, gab Hoeneß zu, „dass, wenn ich aufhöre, jemand gefunden wird, der vernünftigerweise nicht sagt: Basketball interessiert mich nicht." Der Aufschwung der Basketball-Abteilung der Bayern, die 1954 und 1955 den Meistertitel und 1968 den Pokal gewonnen hatte und danach für Jahrzehnte in der Versenkung verschwunden war, ist eng mit dem Namen Uli Hoeneß verbunden. Der Club-Patriarch nahm sich der Sache 2011 an und sorgte für professionelle Strukturen auf allen Ebenen. Mit Erfolg: Seit Hoeneß’ Einstieg wurden die Münchener dreimal Meister und einmal Pokalsieger. „Ich habe früher in der Schulmannschaft Basketball gespielt, das war die große Leidenschaft meines Sportlehrers", erklärte Hoeneß einst seine Leidenschaft für die Korbjagd. Nach einer erfolgreichen Mitgliederbefragung im Verein, ob man den Basketball stärker fördern solle, „habe ich mich ins Zeug gelegt und versucht, mit meinem Netzwerk die entsprechenden Sponsoren zu beschaffen", so Hoeneß. „Ich glaube, wir können sehr zufrieden sein."
Beim Topspiel trafen nicht nur die beiden besten Teams aufeinander, sondern auch zwei Basketball-Philosophien. Während München vor der Saison seinen Spieleretat noch mal kräftig aufgestockt und erneut NBA-erfahrene Spieler wie Greg Monroe verpflichtet hat, um im internationalen Vergleich konkurrenzfähiger zu sein, gehen die Berliner weiter ihren eigenen Weg. Alba hat nicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Münchener, die Berliner versuchen, um Top-Ausländer wie Siva junge und hochtalentierte Spieler aufzubauen. Jungprofis wie Jonas Mattisseck bekamen gegen die Bayern und auch in der Euro League zum Teil große Spielanteile. „Wir wollen junge deutsche Spieler – idealerweise aus dem eigenen Nachwuchs – langfristig an uns binden und entwickeln", sagte Aufsichtsratschef Axel Schweitzer. „Diesen Kern verstärken wir mit hungrigen internationalen Spielern, bei denen wir Potenzial sehen und die sich ganz bewusst für unseren Weg entscheiden."
Doch dieser Ansatz dauert länger, als sich mit Geld von außen Qualität und Know-how einzukaufen. Die Auftritte in der Euro League wollten die Berliner von Beginn an als nächsten Lernschritt annehmen, aber die Partien werden immer mehr zur Belastungsprobe. Beim israelischen Meister Maccabi Tel Aviv waren die Berliner ohne jede Chance und schlichen nach einem 78:104 mit hängenden Köpfen vom Parkett. „Sie haben sehr gut gespielt, wir konnten nicht mit ihnen mithalten", gab Trainer Garcia Reneses unumwunden zu. Dass das jüngste Team der Euro League beim Comeback im wichtigsten europäischen Clubwettbewerb mitunter Lehrgeld wird zahlen müssen, war einkalkuliert. Und doch tun die Niederlagen weh, vor allem wenn man wie gegen Maccabi so unterlegen ist. Sechs Pleiten in sieben Euro-League-Partien drücken auf die Stimmung, nur zum Auftakt gegen das neu formierte russische Team aus St. Petersburg konnte Alba gewinnen.
„Wir konnten nicht mit ihnen mithalten"
Mit Erfolgen lassen sich bekanntermaßen auch die Strapazen der Doppelbelastung besser verkraften. Da bei Alba aber die Erfolge auf internationalem Parkett ausbleiben, tut sich die junge Mannschaft wie gegen Bayern und auch beim 109:89-Sieg zuvor gegen Ulm schwer. „Es sind zu viele Spiele", hadert Geschäftsführer Marco Baldi angesichts von mindestens 34 Partien in der Euro League und 32 in der Bundesliga. Noch nicht eingerechnet sind der Pokal und die Play-offs. Trainer Garcia Reneses will seinen ausgelaugten Spielern daher keinen Vorwurf machen: „Es ist nicht einfach, bei unserem Pensum, den vielen Spielen und dem Reisen, konzentriert und fokussiert zu bleiben." Zumal die eigenen Fans Alba zuletzt kaum unterstützen konnten. Vier Auswärtsspielen in Folge – in Tel Aviv, München, bei Panathinaikos Athen und den Riesen Ludwigsburg – zerren an den Kräften und ein wenig auch an den Nerven. Doch die Doppelbelastung als Ausrede zu nutzen, das wollen die Berliner nicht. „Dass wir müde sind, darf keine Entschuldigung dafür sein, dass wir schlecht verteidigen", sagte der Isländer Martin Hermannsson.
Gegen Bayern wird Alba noch öfter die Gelegenheit bekommen, es besser zu machen. Das Rückspiel in der Liga findet am 2. Mai 2020 in Berlin statt, außerdem duellieren sich beide Teams noch zweimal (18. Dezember in Berlin und 24. März in München) in der Euro League. Doch fast alle Experten gehen davon aus, dass es in der Finalserie der Play-offs wie im Vorjahr auch zu diesem Duell kommt. „Ich weiß nicht, gegen wen Alba sonst noch in der BBL verlieren sollte. Da sehe ich eigentlich keinen", sagte Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic.