Erlebnisse mit der Deutschen Post sind nicht immer glücklich: Portoverteuerung, genervte Briefboten, falsch zugestellte Pakete. Doch in jedem Jahr tut die Post etwas für ihr Image: Sie präsentiert den aktuellen „Glücksatlas".
Gerade weil die Zeitungsseiten voll sind mit Klagen über die Rohheit im Umgang miteinander, über den Zustand der Groko und die wirtschaftliche Krise, ist das wichtigste Ergebnis der Studie eine echte Überraschung: Die Menschen in Deutschland sind mit ihrem Leben überwiegend zufrieden. Das gilt demnach auch für den Osten, besonders für Thüringen und Sachsen. Insgesamt liegt die Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn Punkten bei 7,14 (2018: 7,05), im Osten bei 7,0 Punkten. Das ist der höchste Wert, der seit dem Mauerfall vor 30 Jahren gemessen wurde. Der Abstand zwischen West- und Ostdeutschland hat sich weiter verringert. Insgesamt sei 2019 ein „Glückssprung" zu messen, heißt es in der neunten Ausgabe des „Glücksatlas", denn seit 2016 seien die Werte jährlich leicht gesunken.
Beschäftigungslage macht zufrieden
Aber zeigen nicht gerade die hohen Zustimmungswerte für die AfD im Osten, wie unzufrieden die Menschen sind? Professor Jan Delhey von der Universität Magdeburg hat dafür eine Erklärung: „Bei der Lebenszufriedenheit greifen die Leute im Wesentlichen auf persönliche Dinge zurück, es gibt eine relativ klare Trennung zwischen Gesellschaft und dem eigenen Leben. Und da es den meisten Deutschen relativ gut geht, drückt es sich in diesen Zahlen aus." Die meisten Leute seien im eigenen Umfeld gar nicht von diesen negativen Erscheinungen betroffen, die sie dazu gebracht hat, ihre Stimme der Protestpartei AfD zu geben.
Studienleiter Bernd Raffelhüschen (Universität Freiburg) sagte bei der Vorstellung des Atlas: „Zum Spitzenwert in der Zufriedenheit tragen die anhaltend gute Beschäftigungslage und die positive Entwicklung der Haushaltseinkommen bei sowie eine solide Robustheit der Bevölkerung gegenüber medialen Schlechtwettermeldungen." Der wichtigste Faktor für die gewachsene Zufriedenheit der Deutschen lasse sich dabei überraschend eindeutig identifizieren: Es geht ums Geld. Nach Angaben von Raffelhüschen ist das Haushaltsnettoeinkommen in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 560 Euro gestiegen. Davon hätten alle Bevölkerungsschichten profitiert: In Deutschland lebten nicht nur die reichsten Vorstände, sondern auch die reichsten Armen, die es je gegeben habe. Geld macht also doch glücklich.
Die Studie basiert auf den Daten des Sozioökonischen Panels (SOEP) vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) sowie auf einer Repräsentativbefragung des Instituts für Demoskopie Allensbach. Das Soziökonomische Panel, das seit 1984 vom DIW durchgeführt wird, ist eine repräsentative, jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte (aktuell: circa 21.000 Teilnehmer), die eine Reihe von Indikatoren wie Gesundheit, Vertrauen, Sparverhalten oder Haushaltsfinanzen umfasst. Der „Glücksatlas" wertete die Daten zu Wohnen, Familie, Freizeit, Arbeit, Gesundheit und Einkommen aus. Am zufriedensten sind im in 19 Regionen eingeteilten Deutschland die Schleswig-Holsteiner, das Schlusslicht bildet Brandenburg (6,76 Punkte). Berlin hält sich mit Platz 16 im unteren Drittel des Rankings, das Saarland liegt auf Platz acht.
Die Spitzenstellung Schleswig-Holsteins hat laut „Glücksatlas" mit einer niedrigen Pflegequote, hoher landschaftlicher Attraktivität und der Nähe zum glücklichsten Land Europas, nämlich Dänemark, zu tun. Brandenburg dagegen hat eine hohe Arbeitslosenquote, den zweithöchsten Anteil gesundheitlich beeinträchtigter Personen und eine hohe Pflegequote. Bei Berlin schlagen vor allem die hohen Mietkosten, die höchste Arbeitslosenquote bundesweit und die höchste Zahl der Singlehaushalte negativ zu Buche. Positiv wirken sich für die Hauptstadt die hohe touristische Attraktivität und das niedrige Durchschnittsalter aus.
Zufriedenheitswerte im oberen Drittel erzielte das Saarland wegen der großen Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Gesundheit sowie dem hohen Zuwachs beim Einkommen. Auch seien weniger Menschen durch Armut gefährdet.
Das Schwerpunktthema des diesjährigen Glücksatlas lautet Gender Diversity und Geschlechtergerechtigkeit. Robert Grimm vom Berliner Meinungsforschungsinstitut Ipsos fragte im Frühsommer 2019 insgesamt 2.000 Deutsche zwischen 18 und 65 Jahren, welchen Einfluss ihre Erfahrungen mit Gender Diversity auf ihre Lebenszufriedenheit, bei der Arbeit und in der Familie haben.
Wichtigste Erkenntnisse hier: Das Arbeiten in diversen Teams wirkt sich für zwei Drittel der Beschäftigten positiv auf die eigene Arbeitszufriedenheit aus. Dies sehen Männer und Frauen im gleichen Maße so. Der Anteil der „Hochzufriedenen mit der Arbeit" beläuft sich in gemischten Teams auf 27 Prozent. Im Vergleich dazu zählen in homogenen Teams nur 18 Prozent zur Gruppe der „Hochzufriedenen".
Brandenburg ist das klare Schlusslicht
42 Prozent der Befragten meinen, ein „ausgeglichenes Geschlechterverhältnis verbessere das Arbeitsklima" und sorge für „mehr Kreativität". Dies ist umso bedeutsamer, da 61 Prozent der Beschäftigten sagen, dass für die Wahl ihres Arbeitsplatzes ein „angenehmes Arbeitsklima" eines der maßgeblichen Kriterien ist. In Unternehmen, die dem Thema Geschlechtergerechtigkeit aufgeschlossen gegenüberstehen, arbeiten nachweislich die zufriedeneren Mitarbeiter. Thomas Ogilvie, Konzernvorstand Personal und Arbeitsdirektor Deutsche Post DHL Group, fasste das so zusammen: „Maßnahmen der Arbeitgeber zur Geschlechtergerechtigkeit erhöhen die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten, und das wiederum wirkt sich positiv für Unternehmen aus."
Obwohl 45 Prozent der arbeitenden Deutschen konkrete Aktivitäten ihrer Unternehmen für mehr Gleichstellung wahrnehmen und diese auch begrüßen, sehen sie gleichzeitig immer noch genderspezifische Benachteiligungen. So meinen 25 Prozent der Frauen, sie hätten schlechtere Aufstiegschancen als die Kollegen des anderen Geschlechts.