Der Poprat Saarland initiierte „Die Fotografie in der Popkultur", ein Mega-Ausstellungsprojekt an unterschiedlichen Orten mit Beteiligung von 130 Fotokünstlern. Einer von ihnen, See Bauer, zeigt 27 seiner Werke unter dem Titel „urban art – tag vs. nacht: kann kunst illegal sein?"
Sebastian Bauer. See Bauer. Berufliche Aktivität und private Leidenschaft trennt er strikt. Ein Mann mit zwei Leben. Noch vor 2009 drehte sich alles in seinem Leben um Musik. Ein ausgefülltes, intensives Leben in der Bayernmetropole. Er arbeitete tagsüber in der Musikbranche und war als Musiker mit diversen Bands abends und an Wochenenden unterwegs. Irgendwann wurde beides zu viel. Ein Schnitt. Er stieg aus allen Bands aus. Nach wenigen Wochen spürte er, dass ihm die Möglichkeit künstlerischen Ausdrucks fehlte. Was tun? Erneut als Gitarrist einsteigen? Was außer Musik machen machte ihm noch Spaß?
Der 17-jährige Sebastian, der schon am Gymnasium in Lebach See genannt wurde, bekam von den Eltern zu Weihnachten eine analoge Minolta. Es war nicht unbemerkt geblieben, dass der Heranwachsende gerne zu Vaters Kamera griff. Bauer lacht, vielleicht habe er zu häufig dem Vater die Kamera entwendet, vielleicht sei genau das die Initialzündung der Eltern gewesen, ihm die Minolta unterm Weihnachtsbaum zu legen. Seine zahlreichen Motive findet See Bauer in den Urlauben in Amerika und Kanada, im Alltag zu Hause jedoch liegt die Kamera im Schrank. Bauers Hobby Nummer eins ist das Musik machen. Dafür wird das Taschengeld ausgegeben. Das Fotografieren und das Entwickeln von Filmmaterial erweisen sich zu der damaligen Zeit noch als kompliziert und teuer. Es folgen Abitur in Lebach, Zivildienst, eine kaufmännische Ausbildung in München, der Berufseinstieg.
Er erinnert sich daran, dass es das Fotografieren war, das ihm als Jugendlicher Spaß gemacht hatte. Und bemerkt, dass die digitale Revolution in der Fotografie angekommen und der finanzielle Einsatz gering ist. See Bauer kauft eine digitale Spiegelreflexkamera. Die Motive warten vor der Tür. Er tigert durch München und ist fortan als Street-Fotograf unterwegs. Bald sind die Möglichkeiten seiner Kamera ausgereizt, Objektive in ihren Grenzen als unzureichend erkannt, sein Equipment wächst stetig an, wird mehrfach erneuert und ersetzt. Der Autodidakt bildet sich beständig und entwickelt sich mit und durch neue Technik weiter. Dabei zeigt er die Ergebnisse seines Hobbys nur im engen Familienkreis – über Jahre.
Rückenwind und Aufmerksamkeit
Schließlich bekommt er 2013 Kenntnis vom Wettbewerb „Mein Bild für München". Bilder von München hat er jede Menge gesammelt. Der Wettbewerb ist mit dem Gewinn der Publikation eines Bildbandes und einer Ausstellung verknüpft. See Bauer, der Fotograf aus Lebach, wird auserwählt und ist dabei. Auch 2015 erneut, beinahe wird sein Foto auch zum Coverfoto von „Mein Bild für München" gekürt. Im selben Jahr gewinnt er zudem mit dem außergewöhnlichen Bild einer tätowierten Frau den dritten Platz als Fotografen des Jahres bei National Geographic Deutschland. Das bringt Rückenwind und Aufmerksamkeit. So kommt es, dass er von einer Agentur angesprochen wird, die seine Bilder vermarktet und Fotos von See Bauer den Weg in die „Süddeutsche Zeitung" finden.
„Saarländer sind heimatverbunden", sagt Bauer und erinnert an das Bild mit dem Bumerang. 2016 kehrt er ins Saarland zurück. Von der Fotografie hauptberuflich leben? „Vielleicht, wenn ich es drauf anlegen würde", sagt er und nennt Gründe, weshalb er sich dagegen entschieden hat: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das, was ich als Magie, schön, kreativ und herausfordernd an der Fotografie finde, mit der Zeit abnutzen und es einfach zu einem Job werden würde." Ihm ist die Freiheit in der Wahl der Motive und das Umsetzen seiner Ideen, dann, wenn er Lust dazu verspürt, das wichtigste.
Die Magie des Moments. Ist es wahr, dass der Fotograf nach dem Moment sucht? „Es ist fürchterlich abgedroschen, aber ja es stimmt, und ich glaube auch, dass es für 99,9 Prozent der Fotografen stimmt. Ich versuche den Moment zu treffen, den ich gerade sehe, den es ausmacht." See Bauer sucht den wahren Moment bei Menschen, in der Natur und im öffentlichen Raum. Ist er dort unterwegs, hat er meist eine Kamera dabei. Seit 2015 entstehen auch Fotos von Graffitikunst auf der Straße, erst vor einem Jahr kam die Idee auf, diese Fotos in einer Ausstellung zu zeigen.
Auf der Suche nach dem wahren Moment
Für die Ausstellung „urban art – tag vs. nacht: kann kunst illegal sein?" hat er 27 Aufnahmen aus 1.000 Fotos – nicht zu verwechseln mit Motiven – ausgewählt. Über Jahre sammelte er die Motive, in der Ausstellung befinden sich auch vier vom Artwalk Saarbrücken und zwei aus der Urban Art Biennale Völklinger Hütte. Wer die Fotos betrachtet, sieht, dass es nicht darum geht, Graffiti-Bilder zu dokumentieren, sondern ein Stück städtisches Leben oder vielleicht auch Lebensgefühl festzuhalten. Mag zwar im Bildvordergrund die Hauswand samt Graffiti stehen – die Suche nach dem Moment findet im Hintergrund statt. Ob es Tauben, ein Kind oder etwas anderes ist, es liegt im Auge des Fotografen und später in dem des Betrachters den Moment wahrzunehmen. Der Blick des Betrachters wird auch durch die Nachbearbeitung gelenkt. Einen Schatten verstärken oder aufhellen? Eine gelblich wärmere oder bläulich kältere Anmutung erzeugen? „Es geht sehr stark um Stimmungen", sagt See Bauer. Aber das Verfälschen von Fotos in der Nachbearbeitung lehnt er ab.
Das Wenden-verboten-Verkehrsschild auf einem seiner Lieblingsfotos der Ausstellung, störe ihn als Fotograf „echt, ja, aber es ist halt da". Die Postproduktion dieser Straßenszene aus Gent brachte ein Foto heraus, das an altes analoges Filmmaterial denken lässt. Eine verregnete Straßenschlucht in düsterer Einsamkeit. Dabei ist das Motiv in Farbe fotografiert mit seiner mehrere Tausend Euro teuren Leica. Er lacht, als er erzählt, es gäbe eine Digitalkamera, die mit weniger Funktionen, nur schwarz-weiß aufnimmt, aber noch weitaus teurer sei. Die Genter Straßenszene erinnert an Sepiafotografie. See Bauer nennt sein Label „Seepia Fotografie", vielleicht auch ein Zusammenhang.
Für ihn besteht ein Zusammenhang zwischen tätowierter Haut und bemalter Wand. Ihn interessiert und reizt der Wandel der gesellschaftlichen Akzeptanz. Tätowierung sei früher etwas für Seefahrer oder Kriminelle gewesen. Graffiti habe seinen Ursprung im Illegalen. Tätowierung und Streetart, beides sei heute akzeptiert.
Kann Kunst illegal sein? „Ich hätte diese Ausstellung nicht mit einer Frage betiteln müssen, sondern meinen Standpunkt sagen können. Ich lasse es bewusst ganz offen.", tut See Bauer kund.