Sein Label nach abgestorbener Hautschicht zu benennen – das mag auf den ersten Blick reichlich eigenbrötlerisch klingen. Doch bei näherem Hinsehen fällt es einem tatsächlich wie Schuppen von den Augen: „Nadi", die erste Veröffentlichung des Labels Squama, dem englischen Wort für „Schuppe", ist ein Volltreffer.
Und auch wenn es nach dem letztjährigen Debüt „Mara" (seinerzeit bei einem anderen Label) bereits die zweite Scheibe des deutschen Quintetts Fazer ist: Die fünf Musiker selbst bezeichnen es als ihr erstes richtiges Album. Zumeist deutlich weniger verspielt als auf dem Vorgänger konzentrieren sich die Jazzer reduziert auf das Wesentliche der acht neuen Songs.
Bassist und Produzent Martin Brugger, Trompeter Matthias Lindermayr, Gitarrist Paul Brändle und die beiden Schlagzeuger Simon Popp und Sebastian Wolfgruber trafen sich an der Hochschule für Musik und Theater München. Die ohne Keyboards und mit zwei Drummern ungewöhnliche Besetzung ist absolut gewollt und sorgt für einen unvergleichlichen Sound. Dieser rangiert nach eigenen Angaben zwischen westafrikanischer Polyrhythmik, klassischer indischer Musik, Dub-Techno und Post-Rock. Also irgendwo angesiedelt zwischen Schlagzeuger und Sänger Tony Allen, Krautrock und Bollywood.
Die oftmals repetitiven Schlagzeugparts werden begleitet von atemlosen Bassläufen. Zwischendurch schlingeln sich Gitarrenlicks und Trompetengesäusel die Tonleitern hoch und runter und geben der warmen, erdigen Basis einen improvisatorischen Hauch von Willkür und Exzentrik. Durch diesen spannenden Gegensatz droht der manchmal nur scheinbar monotone Ritt durch die Welt des von Hektik befreiten Jazz niemals in Richtung Fahrstuhlmusik abzudriften.
Stattdessen poppen kleine Schnipsel immer wieder im inneren filmischen Auge auf: von nächtlichen Fahrten durch verregnete Straßen oder von Menschen, die an der Ecke stehen und eine Szenerie betrachten. Fazer zeigen sich auf „Nadi" experimentierfreudig, tanzbar, nachdenklich und die Schranken auslotend – und das auf handwerklich allerhöchstem Niveau.