Es sind erst elf Spieltage gespielt. Und doch haben wir so etwas wie den verrücktesten Meisterkampf seit Jahren. Mehr denn je stellt sich in dieser Saison die Frage: Kann nach sieben Meisterschaften in Folge einer den FC Bayern stoppen? Und wenn ja, wer?
Mönchengladbach ist Überraschungs-Tabellenführer. Der FC Bayern nur Dritter. Hinter RB Leipzig und punktgleich mit dem SC Freiburg. Dortmund ist nur Sechster, punktgleich mit dem im letzten Jahr abgestürzten Erzrivalen Schalke. Und zwischen Rang zwei und zehn liegen gerade mal vier Punkte. Gibt es tatsächlich zehn Mannschaften, die in dieser bisher so verrückten Saison Meister werden können? Klar ist: Drei oder vier von ihnen werden am Saisonende nicht einmal in den Europacup einziehen. FORUM macht den Meistercheck:
Borussia Mönchengladbach (nach elf Spielen 1. mit 25 Punkten): Die Gladbacher haben zumindest gute Chancen auf den Herbstmeistertitel. Sie haben vier Punkte Vorsprung auf den Zweiten, und unter den letzten sechs Gegnern der Vorrunde ist außer dem FC Bayern, den sie auch noch zu Hause haben, kein dicker Brocken mehr dabei. Seit vier Spieltagen ist die Borussia nun Tabellenführer. Und das trotz vieler Verletzter und der Europa-League-Schmach beim 0:4 gegen den Wolfsberger AC. Doch das System des neuen Trainers Marco Rose greift überraschend schnell, Gladbach überzeugt individuell und kompakt. Meisterchancen: Sind schon vorhanden. Aber nicht sehr hoch. Aktuell wohl die Nummer vier der Setzliste.
RB Leipzig (2./21 Punkte): Die Leipziger legten unter ihrem neuen Trainer Julian Nagelsmann gut los, fielen dann in ein kleines Loch mit Niederlagen gegen Schalke und Freiburg sowie insgesamt vier Spielen ohne Sieg und kämpften sich beeindruckend heraus. Das 6:1 im Pokal in Wolfsburg und das 8:0 gegen Mainz zeigen, wozu diese Mannschaft fähig ist, wenn sie ins Rollen kommt. Es scheint, als würde der hochbegabte Trainer Nagelsmann diese Truppe von Begabten und Hochbegabten mit anderer Handschrift noch mal deutlich weiterbringen und zu einem echten Meisterschafts-Aspiranten formen. Meisterchancen: Durchaus hoch. Aus jetziger Sicht wohl der aussichtsreichste Konkurrent der Bayern.
Einige Spieler standen nicht mehr hinter dem Trainer
FC Bayern München (3./21): Bis zum 4:0 gegen Dortmund haben die Münchner in der Liga kein wirklich überzeugendes Spiel gezeigt. Obwohl zum Beispiel das 7:2 in der Champions League bei Vorjahresfinalist Tottenham zeigte, wozu sie fähig sind. Der scheidende Präsident Uli Hoeneß bestätigte nach der Trennung von Niko Kovac, dass einige Spieler nicht mehr hinter dem Trainer standen. Fast allein der in jedem Spiel treffende Robert Lewandowski hat sie in dieser Phase in Schlag-Distanz zu den oberen Plätzen gehalten. Doch nach der Kovac-Trennung lief es plötzlich wieder. Meisterchancen: Der FC Bayern ist immer noch der Top-Favorit. Die Chancen, dass er gestürzt wird, sind dennoch so groß wie lange nicht. Die Mannschaft muss jetzt Charakter zeigen, egal mit welchem Trainer. Sonst nutzt irgendein anderer die Gunst der Stunde.
SC Freiburg (4./21): Die Freiburger nutzten ein bisschen die Gunst des guten Spielplans, müssen sich dafür aber nicht schämen. Immer wenn man dachte, sie stürzen ab, setzten sie ein Ausrufezeichen. Bis zur Winterpause heißen die Gegner Leverkusen, Gladbach, Wolfsburg, Hertha, Bayern und Schalke. Da können die Freiburger zeigen, wie gut sie wirklich sind. Meisterchancen: Keine. Ein Titel wäre fast eine größere Sensation als der von Kaiserslautern 1998 als Aufsteiger. Aber wenn die Freiburger das Momentum weiter nutzen, könnte es wieder in die Europa League gehen.
TSG Hoffenheim (5./20): Nagelsmann-Nachfolger Alfred Schreuder wurde schon angezählt, galt als Favorit auf den ersten Trainer-Rauswurf der Saison. Die TSG war in einer Findungs-Phase, spielte unter anderem beim 0:0 in Leverkusen fürchterlichen Mauer-Fußball. Doch dann gewann Hoffenheim mit 2:1 bei den Bayern und nahm den Schwung zu insgesamt fünf Liga-Siegen in Folge mit. Das Restprogramm bis zur Winterpause bietet die Gelegenheit, sich oben festzusetzen. Meisterchancen: Normalerweise keine realistische. Aber die TSG hat riesiges Potenzial in der Offensive und darf auf die Europacup-Qualifikation hoffen.
Die Rückkehr nach Europa scheint möglich
Borussia Dortmund (6./19): Das Getuschel über Lucien Favre ging schon nach der vergangenen Saison los. Wie viel Anteil hatte der Trainer mit seiner oft zaudernden Art daran, dass der BVB noch neun Punkte Vorsprung verspielte? Inzwischen steht Favre wirklich unter Beobachtung, so viel darf trotz gegenteiliger Beteuerungen der Vereins-Bosse angenommen werden. Dabei war das vor der Saison artikulierte Meisterziel mit dieser Mannschaft nicht unrealistisch. Meisterchancen: Normalerweise hat der BVB nach den Bayern und vielleicht Leipzig immer noch die besten Chancen. Mit Leistungen wie beim 0:4 in München werden die Dortmunder aber im kommenden Jahr nicht einmal in der Champions League spielen.
FC Schalke 04 (7./19): Mehrfach hatte sich den Schalkern durch den Spielplan am Ende eines Spieltags die Chance geboten, die Tabellenspitze zu übernehmen. Jedesmal patzten sie. Das zeigt, dass das ganze Konstrukt noch nicht stabil ist. Doch was Trainer David Wagner in kurzer Zeit aus einer fast unveränderten Mannschaft gemacht hat, ist beeindruckend. Meisterchancen: Es wäre schon eine lustige Pointe, wenn Schalke ausgerechnet in dieser Saison den seit 1958 währenden Meisterfluch bannen würde. Unter normalen Umständen ist das mit dieser Mannschaft keinesfalls möglich. Aber aktuell sind die Königsblauen so stabil, dass ein kompletter Absturz trotz der inzwischen eher mittelmäßigen Mannschaft unwahrscheinlich erscheint. Und die Rückkehr nach Europa möglich.
Bayer Leverkusen (8./18): Normalerweise hat diese Mannschaft ein Potenzial, das allenfalls von den Bayern und Dortmund übertroffen werden dürfte. Sie hat auch so manchen Gegner in dieser Saison schon so richtig hergespielt. Aber oft auch trotz etwa 70 Prozent Ballbesitz, zig Ecken und einem großen Chancenplus nicht gewonnen. Und hat dann auch wieder richtige Ausreißer-Spiele nach unten dabei. Meisterchancen: Dass Leverkusen kein Meister werden kann, ist ja fast so ein Running Gag wie bei Schalke. Diese Saison mit dieser Mannschaft und taumelnden Bayern und Dortmundern sowie nach bärenstarker Rückrunde wäre eigentlich prädestiniert dafür gewesen, es mal zu schaffen. Doch wenn Bayer nicht in einen richtigen Lauf reinkommt, kommt man bestenfalls in die Champions League.
Es war, als habe jemand den Stecker gezogen
Eintracht Frankfurt (9./17): Selten hat ein Verein in kurzer Zeit so viele Sympathien gewonnen wie die Eintracht in den vergangenen anderthalb Jahren. Nach dem Pokalsieg schieden die Frankfurter erst im Elfmeterschießen des Europa-League-Halbfinales aus, sie spielten tollen Fußball, und die Fans zeigten trotz auch einiger negativer Zwischenfälle eine Gänsehaut-Choreo nach der anderen. Dass die Frankfurter auch nach dem Abgang ihres kompletten Sturm-Trios Ante Rebic, Luka Jovic und Sébastien Haller nicht abstürzten, zeigt, wie stabil dieser Club inzwischen geworden ist. Meisterchancen: Eigentlich müsste man Frankfurt nach den vergangenen beiden Jahren alles zutrauen können. Aber das dann doch nicht. Doch eine dritte Europacup-Quali in Folge ist möglich.
VfL Wolfsburg (10./17): Der neue Trainer Oliver Glasner legte einen beeindruckenden Start hin. Bis in den Herbst hinein war Wolfsburg Zweiter und neben Juventus Turin der einzige ungeschlagene Verein in den europäischen Top-Ligen. Dann kam das 1:6 im Pokal gegen Leipzig. Es war, als habe jemand den Stecker gezogen. Es folgten drei weitere Pflichtspiel-Niederlagen. Und obwohl nur zwei davon in der Bundesliga waren, reichte das, um in diesem engen Feld auf Rang zehn abzustürzen. Meisterchancen: Quasi keine. Ein Überraschungs-Team könnte Wolfsburg werden. Dafür müsste aber sehr viel passen.