In der Ringerhochburg Saarland wächst ein neues Talent heran. Der Deutsch-Türke Numan Bayram ist mit seinen 17 Jahren schon ein Kandidat für größere Aufgaben.
Montagabend in der Ringerhalle an der Landessportschule des Saarlandes im Saarbrücker Stadtwald. Die Kaderathleten und auch einige ausländische Sportler der saarländischen Bundesliga-Clubs trainieren. Technik steht an diesem Abend im Mittelpunkt der Einheit für die Spezialisten im griechisch-römischen Stil. Die Halle ist gut gefüllt. Mittendrin übt auch Numan Bayram, eines der vielversprechenden Talente des Saarländischen Ringerbunds. Dabei ist der 17-jährige Fachoberschüler, der für den ASV Hüttigweiler auf die Matte geht, genau genommen eigentlich kein Saarländer. „Meine Eltern stammen aus der Türkei, ich bin in Bingen am Rhein geboren", erzählt Numan, der sich als kleiner Junge zwischen Fußball und Ringen entscheiden musste: „Mein Onkel hat mich zum Ringen gebracht. Ich habe schnell gemerkt, dass dieser Sport eine Herzensangelegenheit für mich sein wird. Das Kämpfen, die notwendige Konzentration, das Nie-Aufgeben und Immer-Weitermachen. Ringen ist einfach faszinierend." Beim Verein „Rheinlands Eiche Büdingen" machte Bayram seine ersten Erfahrungen. Als er 2018 ein Sichtungsturnier des Deutschen Ringerbundes (DRB) für sich entscheiden konnte, wurde auch Christoph Gall, Trainer des Bundesligisten ASV Hüttigweiler auf Bayram aufmerksam. „Er ist ein Sportler, der immer mit ganz klarem Plan auf die Matte geht", lobt Gall einen „sehr intelligenten, aufgeräumten und freundlichen" Jungen. „Christoph hat mich bei Facebook angeschrieben. Weil ich aber bei sozialen Medien nicht so aktiv war, habe ich das erst ein paar Wochen später gesehen", sagt Numan über die Kontaktaufnahme, „nach einem Probetraining war ich überzeugt. Hüttigweiler macht gute Nachwuchsarbeit, ist Bundesligist. Für mich erschien es als der richtige Schritt."
Entscheidung für Ringen fiel ihm leicht
Seit einem Jahr lebt Numan Bayram nun im Internat an der Landessportschule. „Es war schwer am Anfang. In der Bundesliga habe ich nur verloren, musste auch die Schule wechseln. Da grübelt man schon, ob das alles so richtig war", erzählt der aktuelle Deutsche Meister der A-Jugend und Junioren, „aber ich habe mich aufgerappelt. Denn es passiert nichts, wenn du nicht selbst dafür was tust." Der erste Sieg in der Bundesliga gegen Nick Scherer vom TuS Adelhausen kam zur rechten Zeit. „Das ist unvergesslich. Ich habe schon klar geführt und konnte ihn dann kurz vor Schluss noch auf die Schultern drücken. Wie die Fans in der Halle sich mit mir gefreut haben, war Wahnsinn. Und abends kam es dann auch noch im Fernsehen."
In der seit Anfang September laufenden aktuellen Bundesliga-Saison zeigt sich, dass Bayram in der Gewichtsklasse bis 61 Kilo mit der deutschen Konkurrenz durchaus mithalten kann. Den Köllerbacher Steven Ecker (auch er trug schon einmal das Trikot des ASV Hüttigweiler und ist im Frühjahr vom Saarbrücker Olympiastützpunkt nach Frankfurt/Oder gewechselt) besiegte Numan verdient mit 5:3. Und Riegelsbergs Dennis Decker beherrschte er deutlicher, als der 4:1-Endstand vermuten lässt. „Die ersten Wochen sind immer schwierig, weil der Körper sich noch nicht so ans Gewichtmachen gewöhnt hat", sagte Bayram, „außerdem war die Ansetzung so, dass wir in der ersten Woche gleich drei Kämpfe hatten. Das ist dann schon hart." Zu den starken und zumeist deutlich erfahreneren ausländischen Sportlern klafft allerdings noch eine Lücke. Gegen Aleksei Kinzhigalie (ASV Urloffen) und Thoedor Horatau (AC Heusweiler) gab es jeweils knappe Niederlagen. „Ich versuche mich immer bestmöglich auf einen Gegner einzustellen", sagt Bayram, „aber ich nutze dabei weniger die Videoanalyse. Ich glaube, eine meiner Stärken ist es, dass ich ganz schnell ein Gespür für den Gegner bekomme, weiß was er vorhat und wie ich darauf reagieren muss."
Landestrainer Frank Hartmann arbeitet gern mit dem 17-Jährigen: „Die Trennung von der Familie war für ihn zunächst nicht einfach. Aber alles, was er macht, zeugt von Kontinuität. Er ist enorm wissbegierig und fleißig. Es macht einfach Spaß, mit ihm zu arbeiten." Dass viele Ringsportbegeisterte Bayram schon mit dem saarländischen Vorzeigeringer Etienne Kinsinger vergleichen, hält Hartmann allerdings für nicht angebracht. „Etienne war in diesem Alter schon Weltmeister. Davon ist Numan noch ein Stück weg. Aber er hat den Vorteil, mit Etienne einen Trainingspartner zu haben, an dem er sich orientieren kann. Numan hat alle Voraussetzungen und einen ausgeprägten Willen. Auf Sicht werden die beiden echte Konkurrenten in einer Gewichtsklasse." Bayram selbst stören die Vergleiche nicht. „Ich muss dann immer etwas lachen. Was Etienne erreicht hat, ist für mich noch ein Traum. Natürlich ist er auch Vorbild. Aber ich muss auch mein Ding durchziehen. Dann heißt es vielleicht irgendwann Kinsinger und Bayram." Die nächste große Station ist für den Hüttigweiler die Junioren-Europameisterschaft 2021 in Dortmund. „Mein Ziel ist es, dort eine Medaille zu holen. Bis dahin versuche ich, so viel internationale Erfahrung zu sammeln, wie nur möglich." Gemeinsam mit Kumpel und Vereinskollege Kevin Gremm macht er dafür öfter Sondereinheiten. Nach dem Schulwechsel läuft es auch dort richtig gut. Eine Berufsentscheidung ist zwar noch nicht gefallen, eine Bewerbung bei der Polizei könnte naheliegend sein. „Das machen ja viele Ringer, so gelingt es leichter, Sport und Berufsausbildung unter einen Hut zu bringen", sagt Bayram, „aber ich muss mich ja noch nicht entscheiden. Darum kann ich die Augen auch nach anderen Möglichkeiten offenhalten."
Junioren-EM: Sein Ziel ist eine Medaille
Dazu will er auch vermarktungstechnisch neue Wege gehen. „Frank Stäbler macht das mit seiner Internetseite herausragend. Er macht damit Werbung für sich und das Ringen. Das lockt dann auch Sponsoren. Mein Onkel stellt ja auf dem Youtube-Kanal Jack Braker schon Videos der Kämpfe ins Netz. Wir arbeiten gemeinsam an einer Seite." Im Auge behalten muss man Numan Bayram sicherlich, denn wenn die Entwicklung kontinuierlich weitergeht, wird er irgendwann auch auf den Siegerlisten der großen Turniere auftauchen können.