Von wegen Diamanten, Saphire, Rubine: In der Schmuckwerkstatt von Kristina Boneva stehen andere Akteure im Mittelpunkt. Hier funkeln Zimt und Piment, schimmern Kurkuma und Safran, während Gold und Silber nur Beiwerk sind. „Spices of life" nennt sie ihren einzigartigen Gewürzschmuck.
Alles begann mit einer Kartoffel. Runzlig, knollig, wie Kartoffeln eben so sind, aber: „Wenn man sie trocknet, werden sie hart wie ein Diamant, und sie haben diese wundervolle Naturfarbe!", schwärmt Kristina Boneva. Die 38-jährige Schmuckdesignerin mit bulgarisch-litauischen Wurzeln sieht deshalb in Kartoffeln nicht etwa das Grundmaterial für Rösti, Reibekuchen, Gratin & Co. Oh, nein. Sie würzt das Nachtschattengewächs auch nicht mit Salz sondern mit … Aquamarin. Der hellblau schimmernde Beryll schmiegt sich wie selbstverständlich an gelbbraune Kartoffelwürfel, sauber aufgefädelt auf eine Kette ganz besonderer Machart.
Was bei anderen Menschen ausschließlich in der Küche Verwendung findet – Zimt, Kardamom, Nelke, Vanille oder Muskat – wird bei Boneva zu außergewöhnlichen Schmuckstücken verarbeitet. Da gesellen sich Reiskörner zum Mandaringranat, Kampotpfeffer zu Peridot-Tropfen, Zimtstangen zu Opal oder Citrin. Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Was auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, bekommt bei der Schmuckdesignerin mit den langen braun-grau gelockten Haaren die Hauptrolle und mausert sich so zum ungewöhnlichen Star. Neben den unterschiedlichsten Gewürzen verarbeitet sie auch Flusssteine, Hölzer, natürlich gewachsene Kristalle oder rostige Eisenelemente. Gold, Silber und Edelsteine setzen dazu schimmernde Kontrapunkte. „Ich möchte mit meinem Schmuck die Schönheit und Harmonie der Natur vermitteln. Aus ihr können wir Kraft für unseren Alltag schöpfen", sagt Kristina Boneva.
Mit den Gaben der Natur
Schon als Kind streifte sie durch die Wälder ihrer bulgarischen Heimat, sammelte kleine Steinchen, trug sie zu zwei Goldschmieden und bat diese, die Steine in Silber zu fassen. Selten zeichnete sich der spätere Werdegang eines Menschen so früh ab wie bei Boneva. Weil ihr Vater als Astrophysiker viel reiste, verbrachte sie einen Teil ihrer Kindheit in Deutschland. Als sie erfuhr, dass man in der Kleinstadt Idar-Oberstein den Studiengang Edelstein- und Schmuckdesign studieren kann, schrieb sie sich 2003 ein und zog ins Nahetal. Hier, am südlichen Rand des waldreichen Hunsrücks, wo grauer Fels den Fluss einrahmt, wurden seit Jahrhunderten vor allem Achat und Japsis abgebaut. Tausende Diamant- und Schmucksteinschleifer siedelten sich an.
Die lokalen Vorkommen sind längst erschöpft, heute kommen die Steine aus Brasilien, doch Boneva findet auf ihren Streifzügen durch die Natur immer wieder Interessantes, Einzigartiges, Faszinierendes und vor allem Verarbeitungswürdiges. Dabei meist an ihrer Seite: Paul-Markus Déus, Lebensgefährte und Bruder im Geiste. Der 55-jährige gelernte Schreiner und Restaurator schafft nicht nur Skulpturen und Kunstobjekte aus Holz, Stein, Mineralien oder was ihm sonst so zwischen die Finger kommt, er hat auch die Sammelleidenschaft seines Großvaters und Vaters geerbt. Seine kleine Werkstatt im Ortsteil Tiefenstein hat er in eine Art magische Hobbithöhle verwandelt, in der die Augen nicht wissen, woran sie sich zuerst festsaugen sollen – an dem Stein, der das Lächeln der Mona Lisa zu tragen scheint? An den vielen Bildern, Büsten, Puppen, Werbeschildern, Spielzeug? An dem nostalgischen Grammofon oder der Geige – einer angeblichen Stradivari, die Déus auf dem Dachboden seiner Nachbarin entdeckt haben will? Verschmitzt deutet der Mann mit dem schalkhaften Witz auf einen alten Radioempfänger seines Vaters. „Damit fangen wir unsere kreativen Ideen ein", erklärt er. Vor allem ist es ihm gelungen, Kristina Boneva einzufangen. Lächelnd erinnert sie sich, wie sie das erste Mal in sein wundersames Reich gestolpert ist: „Alles war so verwunschen." Nachdem die beiden ein Paar geworden waren, stand Déus nur vor einem Problem – Platz schaffen für seine Liebste. Eine Horex Regina, ein 50er-Jahre-Motorrad mit Einzylindermotor, musste weichen, um Kristinas Werktisch unterzubringen.
Ästhetik und Spiritualität
Seitdem hat die Designerin gefühlt einen Quadratmeter zur Verfügung, um ihr duftendes Geschmeide – Ketten, Armbänder, Broschen und Ohrringe – zu kreieren. Raum genug für filigranste Handarbeit. Winzige Senf- und Schwarzkümmelsamen durchbohrt und zieht sie hier wie Perlen auf Silberdraht. Meditationsarbeit, wie sie findet, auch wenn sie gesteht: „Das kann ich nur eine halbe Stunde am Stück machen, danach müssen die Augen entspannen." Oft stellt sie ihren Gewürzstars ein kleines Glasfläschen zur Seite, das sie füllen kann, etwa mit Paprikapulver – weil das antiseptisch ist und bei offenen Wunden hilft.
Dass ihre Kundinnen instinktiv genau das Schmuckstück wählen, das ihnen guttut, stellt sie immer wieder fest. Da war zum Beispiel diese Frau, die sich für eine Kette aus Borretschsamen entschied. „Sie hatte damals mit Depressionen zu tun, und Borretsch wirkt stimmungsaufhellend", erklärt Boneva, an deren Ohren zwei Tonkabohnen baumeln, deren aromatischer Duft auch bei der Parfumherstellung genutzt wird.
Ihr Material erhält die Designerin, für die Ästhetik und Spiritualität zusammengehören, von reisenden Freunden – Eukalyptuskapseln aus Australien, Galgantwurzeln aus Thailand – von begeisterten Kundinnen oder vom Gewürzmuseum Hamburg. Dort präsentiert sie seit 2014 regelmäßig ihre Kollektionen. Neuerdings experimentiert sie mit Rosenknospen und überzieht die Gewürze mit Schellack, um sie härter und haltbarer zu machen. Das sind Zimtstangen schon von Natur aus. Eine feine Säge braucht es, um die rotbraune Rinde, die in keiner Weihnachtsbäckerei fehlen darf, in Form zu bringen. Boneva schafft es irgendwie, dass sie sich zu Spiralen kringelt – wie genau bleibt ihr Geheimnis.
Noch tausend Ideen hat die Frau, die sich selbst als Kind der Berge und Wälder bezeichnet. Vielleicht probiert sie demnächst mal was mit Kastanien aus. Oder sie kehrt wieder zur Kartoffel zurück. Mit der ja bekanntlich alles anfing.