Von Merkel bis Neururer – Beispiele dafür, wie Sprache missbraucht wird
Klimawandel, Brexit, Handelskriege – aus allen Kanälen dröhnen uns täglich Nachrichten entgegen, die nur selten auch wirkliche Neuigkeiten sind. Wenn alle Protagonisten zu allem etwas gesagt haben, wird sich doch bestimmt noch ein Hinterbänkler finden, der gerne an ein Mikrofon eilt.
Was wird uns da eigentlich erzählt? Die Satz-Bausteine der Kanzlerin Angelika Merkel sind seit mindestens 15 Jahren allgegenwärtig. Eine ihrer Standardformulierungen: „Ich werde Sorge tragen." Sie sagt nicht, dass sie Probleme lösen will, damit es keine Sorgen mehr gibt. Nein, sie trägt die Sorgen durch die Gegend.
Beim Klimapaket wird etwas „bepreist", was in Wirklichkeit eine Preiserhöhung ist. Dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Jung, gelang es, in einer zwölfminütigen Rede zwölf Sub-stantive mit dem Begriff „Klima" zu verbinden. Klimaneutralität, Klimasignal, Klimarahmen und so weiter.
Mit fröhlichen Begriffen sollen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr „Sorge tragen" müssen. Solch eine Formulierung ist das „Gute-Kita-Gesetz". Damit wird die Bevölkerung entmündigt. So verhalten sich Eltern, wenn der dreijährige Nachwuchs sich die Finger an einer Herdplatte verbrannt hat. „Mama macht ei, alles wird gut."
Für die Verschleierung gibt es Redenschreiber und Anleitungen. Da kam uns folgende Erklärung recht: „Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung der Lage die Lösung der Probleme erleichtert, aber auch eine Herauforderung darstellt, denn die unverzichtbare Voraussetzung für die Akzeptanz unserer Politik ist es, dass wir den Bürgern nicht in die Tasche greifen, sondern durch gezielte Maßnahmen als Partei des Aufschwungs profitieren."
Das haben nicht Bosbach oder Röttgen in einer Talkshow gesagt, weil dort auch die „soziale Haltelinie" eingehalten werden soll, um die „Menschen mitzunehmen". Diesen schönen Satz hat der kürzlich verstorbene SPD-Grande Erhard Eppler bereits 1992 in „Die Krise der Politik im Spiegel der Sprache" verfasst. Nun gibt es kaum noch Politiker wie Eppler, und der kulturelle Verfall wird immer dramatischer. Inzwischen wird dieses Denken übernommen.
Der Fußball-Philosoph Peter Neururer behauptet gerne etwas: „Da kann es keine zwei Meinungen geben." Seine intellektuellen Gesprächspartner Oliver Pocher und Mario Basler sehen und hören das – und Millionen Fernsehzuschauer auch. Für so etwas gab es schon bei Eppler das Wort „unabdingbar". Gegenmeinung nicht erlaubt, ein Diskurs kommt gar nicht erst auf. Mit verklausulierten Sätzen schaden sich die Handelnden selbst. Dabei wollen immer weniger Menschen so etwas hören. Wenn jemand schwafelte, sagte ein anderer: „Jetzt mal Butter bei die Fische". Das Unbehagen an dieser Sprache ist gewachsen, weshalb ja bei Politik-Sendungen die Einschaltquoten sinken und viele Print-Medien an Auflagenschwund leiden.
Es gibt Politiker, die das erkannt haben und andere Reize setzen – unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Dafür muss gar nicht Donald Trump herhalten, der mit früher nicht für möglich gehaltenen Phrasen ein ganzes Land aufhetzt. Da reichen auch schon Reden von Alexander Gauland, Björn Höcke, Alice Weidel. Sie erreichen Wähler kaum mit Inhalten, aber mit direkter Sprache. Auf der linken Seite steht dann da eine Katja Kipping, der diese verbale Missbildung gelang: „Wir sagen deutlich, dass der ÖPNV deutlich ausgebaut werden muss."
Zu potenziellen Lügnern werden Leute abgestempelt, die nicht der Auffassung von Olaf Scholz sind. Seine Lieblingsformulierung: „Zur Wahrheit gehört dazu…" Womit wir wieder bei Frau Merkel sind, die es zu ihrem CDU-Programm gemacht hat, Wahrheiten gar nicht erst auszusprechen. Bekannt sein dürften Floskeln wie „auf Sicht fahren" oder „die Dinge vom Ende her denken". Mit anderen Worten: Ihr seid doof, ich bin Physikerin. Angela Merkel ist eine Meisterin darin, die wenigen toten Verben auch noch zu substantivieren. Zur Erklärung: Verben sind Tätigkeitswörter. Von jemandem, der vieles Wichtige aussitzt, dürfen wir wohl keine Tätigkeiten erwarten.