Hertha BSC rutscht durch die 0:4-Pleite in Augsburg tiefer in die Abstiegszone – an diesem Samstag gastiert Borussia Dortmund im Olympiastadion.
Krisen können verschiedene Gesichter haben: Bei Borussia Dortmund etwa reichen ein sechster Platz und zwei Spiele ohne Sieg, um Trainer Lucien Favre infrage zu stellen. Allerdings hatte der BVB in München (0:4) und eine Halbzeit lang zu Hause gegen Paderborn (3:3) auch bedenkliche Leistungen gezeigt. Gegen das Schlusslicht rettete Marco Reus mit einem Tor in der Nachspielzeit zumindest noch einen Zähler für den nächsten Kontrahenten von Hertha BSC. Und so wollten Dortmunds Verantwortliche zunächst nur eine Jobgarantie für die Champions-League-Partie in Barcelona abgeben. Auch bei Hertha BSC erreichte die Krise nach dem 0:4 in Augsburg – der vierten Pleite in Folge – ihren vorläufigen Höhepunkt. Trotz aller guten Vorsätze hatte die Mannschaft beim FCA eine erschreckende Vorstellung abgeliefert – selbst, wenn man den frühen Platzverweis gegen Torwart Rune Jarstein als mildernden Umstand in die Bewertung mit einbezieht. Herthas aktuelles Zwischenzeugnis: Rang 15 und elf Punkte nach zwölf Spielen. Dabei hatten die Verantwortlichen vor dem richtungsweisenden Spiel vergangenen Sonntag versucht, demonstrativ Druck vom Kessel zu nehmen. Die Partie, so zitierten die Berliner Boulevardblätter Michael Preetz, sei kein Endspiel für Herthas Trainer. Der Geschäftsführer Sport hatte sich in der Länderspielpause auffallend häufiger als sonst üblich auf dem Trainingsgelände blicken lassen – um Geschlossenheit zu demonstrieren. „Wir sehen jeden Tag, wie gut und intensiv vom Trainerteam gearbeitet wird. Es ist unsere Verantwortung, diese Arbeit zu unterstützen und dem Trainer Zeit zu geben“, ließ Preetz dazu verlauten. Keine ultimativen Forderungen also, aber Ante Covic selbst wusste zu diesem Zeitpunkt bereits natürlich, dass sein Kredit nicht mehr allzu groß ist. Aber: „Ich glaube, dass ich der Letzte bin, der auf sich schaut“, erläuterte Covic seine Gefühlslage in einem Interview. „In diesem Moment geht es darum, dass wir als Verein erfolgreich sind.“ Zu diesem Zweck hatte der 44-Jährige den Ablauf der Trainingseinheiten vor dem Augsburg-Spiel verschärft. Bei Fehlern etwa unterbrach er die Übungen sofort und sprach die Probleme klar an – den sonst eher freundlichen Umgangston reduzierte Covic. Damit wollte er seine Schützlinge anstacheln, um vor allem mehr von dem zu zeigen, was zuletzt vermisst wurde: nämlich mehr Biss und Körperlichkeit ins Spiel zu bringen.
„Es geht darum, dass wir als Verein erfolgreich sind“
Allerdings rücken nach einer Pleite wie in Augsburg automatisch auch die Personalien in den Fokus: So setzte der Trainer etwa wieder auf Marko Grujic, der nach enttäuschenden Leistungen vor der Länderspielpause gegen RB Leipzig erstmals in seiner Zeit an der Spree auf der Reservebank gesessen hatte. Auch Javairo Dilrosun stand trotz schwacher Auftritte vergangenen Sonntag wieder in der Startelf – und wurde zur Halbzeit ausgewechselt. Als einzige Sturmspitze nominierte Covic dazu Davie Selke – ausgerechnet den Angreifer, dessen letzter Einsatz von Beginn an schon zwei Monate her war. Mit Dodi Lukebakio (Bank) und Eduard Löwen (nicht im Kader) verzichtete Herthas Trainer in Augsburg dazu auf zwei Spieler, die zuletzt eher für positive Signale sorgen konnten. Lukebakio etwa hatte es immerhin auf fünf Torbeteiligungen in den vorangegangenen sechs Spielen gebracht – allerdings hat sich für Herthas Rekordzugang trotz alledem bisher noch nicht die optimale Position in Herthas System(en) gefunden. Löwen verkörperte dazu nach seiner Einwechslung bei Union und in 90 Minuten gegen Leipzig das, was Herthas Verantwortliche gerne momentan von all ihren Spielern sehen würden: mehr Kampf und weniger Kunst beziehungsweise Krampf. Allerdings standen in Augsburg mit Vladimir Darida und Niklas Stark auch zwei derzeitige Leitfiguren auf dem Platz – und gingen mit unter. Der Tscheche sammelte wie Lukebakio zuletzt fünf Scorerpunkte (sogar in nur fünf Partien), Stark war dazu im Länderspiel gegen Nordirland trotz Nasenbeinbruchs zu seinem Debüt im Dress der deutschen Nationalelf gekommen.
Niklas Stark mit Nationalelf-Debüt gegen Nordirland
Da es sich bei den erwähnten positiven Beispielen aber eben auch eher noch nicht um stabile Entwicklungen handelt, kommt dieser Tage obendrein noch einer als Hoffnungsträger infrage, der nach langer Verletzungspause wieder in Herthas Trainingsbetrieb zurückkehrte. Fast acht Monate hatte Arne Maier jedenfalls nicht mehr gespielt, als er in der Woche vor dem Augsburg-Spiel erstmals wieder mit dem Team übte. In höchsten Tönen wurden zu diesem Anlass Maiers Qualitäten gleichermaßen von Trainerstab und Blätterwald gelobt – was natürlich auch viel aussagt über die aktuelle sportliche Not bei den Blau-Weißen. Gerade mal 20 Jahre, monatelang ausgefallen – und dennoch hatte Ante Covic zumindest einen Teileinsatz des Mittelfeldspielers im Vorfeld nicht ausschließen wollen. Tatsächlich wurde Maier dann für die letzten 20 Minuten in Augsburg auch eingewechselt. Trotz des Kurzeinsatzes dürfte der Youngster jedoch noch kein Startelf-Kandidat für das Heimspiel am Sonnabend (15.30 Uhr) gegen Borussia Dortmund sein. Die Partie gegen den BVB ist der Auftakt von Herthas Abschlussprogramm 2019, das neben den Schwarz-Gelben noch Eintracht Frankfurt, den SC Freiburg, Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach bereithält. Im Olympiastadion sah man dabei gegen die Dortmunder in den vergangenen Jahren recht gut aus – vier Mal blieb man unbesiegt, ehe im März dieses Jahres das Heimspiel erst in der Nachspielzeit mit 2:3 verloren ging. Damals, am 26. Spieltag der Vorsaison, lag die Borussia noch punktgleich mit Bayern München an der Tabellenspitze. Von der damaligen Euphorie ist BVB-Coach Favre also mittlerweile weit entfernt – im Gastspiel bei Hertha BSC, wo er von 2007 bis 2009 trainierte, steht der Job des Schweizers so ein weiteres Mal auf dem Spiel. Ob Ante Covic dann überhaupt noch im Amt sein wird, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest – die Umstände der 0:4-Pleite von Augsburg dürften die Verantwortlichen jedenfalls zumindest dazu gebracht haben, nochmal intensiv über die Jobgarantie für Herthas Trainer nachzudenken.