Leonhard Pföderl hatte keinen einfachen Start bei den Eisbären Berlin. Doch inzwischen ist der Nationalspieler wieder torgefährlich – trotz einer neuen Rolle im Spielsystem.
Die anfängliche Torkrise bei seinem neuen Club Eisbären Berlin nahm Leonhard Pföderl mit einer urbayerischen Gelassenheit. „Irgendwann rutschen die Dinger dann halt schon rein“, hatte der gebürtige Bad Tölzer vor wenigen Wochen gesagt – und er behielt Recht. Mit sechs Toren in fünf Spielen avancierte der Stürmer zum Top-Torjäger des DEL-Rekordmeisters, ehe ihn eine Oberkörperverletzung stoppte. „Es ist nichts Großes“, beschwichtigte Trainer Serge Aubin. Dennoch wollten die Berliner das Risiko einer schwereren Verletzung nicht eingehen und schonten Pföderl, denn für den weiteren Saisonverlauf ist er ein Schlüsselspieler. Das zeigte sich vor allem bei der 3:7-Niederlage im Topduell bei Titelverteidiger Adler Mannheim. Drei Tage später reichte es für die Eisbären auch ohne Pföderl zum 4:0-Heimsieg gegen die Augsburger Panther. „Es war einer dieser Tage, wo man die Energie auf der Bank tatsächlich spüren konnte“, sagte Aubin hinterher stolz. „Die Jungs wollten es heute richtig.“
Die Eisbären sind weiter auf Play-off-Kurs, der anvisierte vierte Platz in der Hauptrunde ist in absoluter Reichweite. Dafür braucht der Club auch einen Pföderl in Topform. Nach seiner Verletzungspause will der Nationalspieler da anknüpfen, wo er aufgehört hatte. Die Treffsicherheit war zurück beim 26-Jährigen, nachdem er zuvor immer wieder und meist vergeblich den Puck auf das gegnerische Gehäuse geschossen hatte. „Jeder Torjäger weiß, wie das ist. Es gibt immer mal wieder schwierige Zeiten, die hatte ich anfangs“, sagte Pföderl. „Aber ich weiß, was ich kann und bin einfach drangeblieben. Und der Trainer hat mir weiterhin vertraut.“ Und dieses Vertrauen zahlte der Stürmer mit Toren zurück. „Hoffentlich geht es so weiter“, sagte Pföderl. Den Grund, warum der Knoten platzte, wollte er partout nicht nennen: „Das behalte ich für mich. Ich will auch gar nicht so viel darüber reden, es soll einfach nur so weitergehen.“
„Irgendwann rutschen die Dinger dann halt schon rein“
Das hoffen auch die Verantwortlichen und Fans der Eisbären. Pföderl war so etwas wie der Königstransfer im Sommer. Nicht umsonst gab ihm der Club einen „mehrjährigen Vertrag“, was in der Branche noch immer recht ungewöhnlich ist. Der Nationalspieler, der 2018 mit dem Gewinn der Olympia-Silbermedaille am deutschen Eishockey-Märchen beteiligt gewesen war, gilt als einer der besten Angreifer in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Einer, der pro Saison 20 Tore und mehr schießen kann. „Natürlich setze ich mich auch unter Druck, schließlich wurde ich ja als Torjäger verpflichtet“, sagte Pföderl. Für die Nürnberg Ice Tigers erzielte er in 373 DEL-Spielen 126 Treffer und 100 Torvorlagen. Entsprechend begehrt war der Angreifer, als bekannt wurde, dass er sich eine Luftveränderung vorstellen könnte. Und entsprechend stolz waren die Eisbären-Bosse, nachdem sich der Umworbene frühzeitig für Berlin entschied. Trotz lukrativer Angebote von Meister Adler Mannheim und Seriensieger Red Bull München, mit denen er weitaus größere Titelchancen gehabt hätte. „Wenn mal die Chance besteht, zu den Eisbären zu gehen, das habe ich immer gesagt, werde ich mir das auf alle Fälle überlegen“, sagte Pföderl, der genau wie in Nürnberg die Nummer 93 auf seinem Trikot trägt. Am Ende habe sein Bauchgefühl den Ausschlag gegeben: „Der Verein, die Stadt, das hat sich einfach richtig angefühlt. Es war aber keine leichte Entscheidung.“
Schon der Schritt weg aus Nürnberg war hart für Pföderl, der sieben Jahre für die Ice Tigers die Schlittschuhe geschnürt hatte. „Ich habe viele Jahre in Nürnberg verbracht, super Jahre. Dann habe ich mir gesagt, ich probiere jetzt einfach mal etwas Neues aus“, erklärte der Profi. „Ich musste was Neues angreifen, um wieder mehr aus mir herauszukommen. In Nürnberg kannte ich alles.“ Der Hauptstadtfaktor, mit dem die Eisbären intensiv um ihn geworben hatten, war daher mitentscheidend. „Mir gefällt es sehr gut hier, die Stadt ist überragend, da brauchen wir nicht drüber zu reden. Alles ist super interessant“, meinte Pföderl. Genau diese neuen Eindrücke, auch außerhalb des Eises, habe er für seine Entwicklung gebraucht: „Man rostet vielleicht ein wenig ein, wenn man lange irgendwo ist.“ Auch sportlich will sich der Profi weiterentwickeln. In Nürnberg war Pföderl als unumstrittener Leistungsträger gesetzt, in Berlin hat er als prominenter Neuzugang einen Bonus. Doch der ist schnell aufgebraucht, sollten seine Leistungen und die Torquote nicht stimmen. „Sich neu durchzubeißen, finde ich nicht schwieriger“, sagte Pföderl. „Es ist einfach interessanter, es ist aufregender. Die Neugier ist wieder da.“
„Jetzt ist es so, dass man Vollgas drauf muss“
Für ihn persönlich wäre es sicher einfacher, hätte es im Sommer keinen so großen Umbruch beim DEL-Rekordchampion gegeben. So aber muss er sich in einer Mannschaft eingewöhnen, die selbst erst noch zu sich und zum neuen Trainer Serge Aubin finden muss. Auch Pföderls Rolle hat sich verändert. „Ich muss jetzt deutlich mehr nach vorne arbeiten“, erklärte er. „In Nürnberg war ich es gewohnt, dass für mich gearbeitet wurde. Dass ich darauf warte, Chancen zu kriegen.“ Abwarten ist aber so ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was Aubin unter Eisbären-Hockey versteht. „Jetzt ist es so“, erklärte Pföderl, „dass man Vollgas drauf muss.“
Nach schwierigen ersten Wochen ist Pföderl mittlerweile „guten Mutes, dass wir Top-Eishockey spielen können“. Es spreche kaum etwas dagegen, das Hauptziel Play-off-Halbfinale zu erreichen: „Hier gibt es eine gute Truppe, gute Trainer.“ Im Team versteht sich Pföderl vor allem mit Florian Busch, der zuletzt auf dem Eis aber kaum noch eine Rolle gespielt hat. Beide kommen aus Bayern, „wir können uns gut verständigen“, so Pföderl, der mit dem Hochdeutsch noch immer fremdelt: „Aber auch mit den anderen Jungs gibt es keine Probleme.“ Das zeigt sich auch mehr und mehr im Zusammenspiel auf dem Eis, zuletzt harmonierte er in einer Sturmreihe mit Nationalteamkollege Marcel Noebels und Center James Sheppard. Doch eigentlich sind ihm die Namen seiner Sturmpartner egal: „Ich sage zu jedem, er soll mir einfach die Scheibe geben.“ Trainer Aubin sieht das naturgemäß etwas anders. Es sei sogar sehr wichtig, „dass wir ihn richtig einsetzen“, denn nur dann könne Pföderl mit seiner Wucht und seinem herausragenden Abschluss „viele Tore für uns schießen“. Pföderls Schusseffizienz von 15,22 Prozent ist aber ausbaufähig, was vor allem am fehlenden Schussglück in den ersten Wochen liegt. Doch diese Zeit scheint Pföderl hinter sich gelassen zu haben.