Bundestrainer Joachim Löw hat sich die Kritik zu Herzen genommen. Dabei geht es weniger um das Sportliche. Seine Nationalmannschaft hat das Zwischenziel erreicht und sich am Ende souverän für die Europameisterschaft im kommenden Jahr qualifiziert. Das war nach dem kompletten Neuaufbau nach dem WM-Desaster 2018 nicht unbedingt zu erwarten. Dennoch ist die Stimmung rund um das Nationalteam schlecht. Selbst bei Pflichtspielen bleiben immer mehr Plätze frei, beim DFB reiben sie sich verwundert die Augen. Bei den letzten Länderspielen in Mönchengladbach und Frankfurt versuchte eine Blaskapelle, die Friedhofsatmosphäre zu übertönen. Mit Pauken und Trompeten gegen die Langeweile. Während Toni Kroos, einer der verbliebenen Leistungsträger, die enttäuschende WM sowie die Affäre um Mesut Özil und Ilkay Gündogan für die verhaltene Stimmung verantwortlich macht, kommt sein Chef Löw der Sache schon näher. Es seine schlicht „zu viele Spiele“ gewesen. Dass sich das Publikum genervt abwendet, ist keine Überraschung. Die Bundesliga, endlich wieder spannend und immer noch ein Premiumprodukt, wird permanent unterbrochen. Mal sind es Länderspiele gegen Argentinien, die sich auf dem Papier spannend lesen, aber bei denen die großen Stars fehlen. Oder eben die schier endlose Qualifikationsorgien gegen Mannschaften wie Belarus oder Nordirland. Die Abnutzungserscheinungen zeigen sich nicht nur bei der Nationalmannschaft. Auch die internationalen Wettbewerber brauchen eine gefühlte Ewigkeit, um in die Gänge zu kommen. Bevor die Europa League wirklich spannend wird, sind die Teams ein halbes Jahr durch die Champions League getingelt, in der mittlerweile weniger Meister als vielmehr Mitläufer spielen. Die Oberen in den Verbänden und auch den Vereinen sind gut beraten, wenn sie auf die Stimmen der Basis hören. Die nationalen Ligen verdienen wieder mehr Aufmerksamkeit, der internationale Spielkalender muss verschlankt werden. Länderspiele sollte etwas Besonderes sein und kein lästiges Übel. Schafft man hier eine Trendwende, wird die Stimmung auch wieder besser. Auch ohne Blaskapelle.
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Foto: picture alliance / Sven Simon
Nachspielzeit: Mit Pauken und Trompeten
Sport - Kolumne
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