Gregor Meyle gilt als der Songpoet unter den deutschen Liedermachern. Unterwegs ist er mit der Tour „Hätt’ auch anders kommen können“. Der 41-jährige Schwabe spricht über den steinigen Weg zum Traumjob, Karten-Wucher und das Kunststück, Helene Fischer zum Weinen zu bringen.
Gregor Meyle, auf Ihrem aktuellen Album „Absolut Live“ sind eingängige Titel enthalten wie „Die Leichtigkeit des Seins“, „Das Schönste auf der Welt“ oder „Die wunderschönsten Dinge“. Singen Sie solche lebensbejahenden Songs nicht nur, sondern leben Sie sie auch aus tiefster Überzeugung?
Ich bin ein absolut lebensbejahender Mensch. Auf der anderen Seite schreibe ich auch dramatischere Songs. Bei mir hält es sich immer die Waage. Sie haben Songs rausgepickt, die ein bisschen Friede-Freude-Eierkuchen sind. Aber es gibt von mir auch traurige Titel wie „Stolz auf uns“, den ich geschrieben habe, nachdem meine Mama gestorben ist. Manchmal kriege ich während des Songschreibens eine Gänsehaut. Es geht dabei aber nicht um die eigene Person, sondern darum, dass man sich in jemand anderen hineinversetzen kann.
Sie können jetzt seit zwölf Jahren als Musiker Ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wenn man die Realität Ihres Berufs einmal genauer betrachtet, ist es dann wirklich ein Traumjob?
Absolut. Ich habe mit 28 Jahren zu meinem Chef gesagt, dass ich jetzt Musik machen will. Der hat mich wirklich für verrückt erklärt. Ich habe dann für jede Sendung von Stefan Raabs Castingshow Songs geschrieben. Für mich war klar: Wenn jemand 99 Cent für einen Anruf in der Show zahlt, dann kauft er vielleicht auch eine Platte oder einen Song von mir. Damals hatte ich noch keine Familie und habe das Risiko für mich alleine getragen. Von daher dieses große Durchhaltevermögen.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich als freischaffender Sänger und Songschreiber endgültig etabliert hatten?
Es waren sechs Jahre, in denen wir oft nur vor 50 oder 100 Leuten gespielt haben. Im Logo in Hamburg waren es anfangs 36 Zahlende. Die Hälfte davon kannte ich mit Vornamen. Diese Ochsentour ist enorm wichtig, um sich selbst zu bilden. Mittlerweile sind wir zehn Leute auf der Bühne. Ich bin dafür sehr dankbar, weil ich weiß, was das für eine Errungenschaft ist. Ich war früher Tontechniker und habe für fast jeden, den ich heute bei „Sing meinen Song“ oder in irgendwelchen Talkshows treffe, schon einmal die Bühne aufgebaut. Für Sarah Connor zum Beispiel war ich Stagemanager.
Fleiß oder Talent – was bestimmt den Erfolg?
Man muss auch ein bisschen Talent haben. Aber hauptsächlich ist Erfolg erarbeitet. Ich bin von den zehn Leuten auf der Bühne derjenige, der am wenigsten Ahnung von Musiktheorie hat. Ich lasse mich einfach inspirieren. Indem ich versuche, mit diesen Champions-League-Musikern mitzuhalten, werde ich immer besser. Es ist wahnsinnig toll, mit denen auf einer Bühne zu stehen. Ich habe meinen Welpenschutz-Bereich, indem ich die Songs schreibe. Und wir versuchen gemeinsam zu ermitteln, wo es hingehen könnte.
Was zeichnet einen Song aus, der es schafft, aus der Masse an Veröffentlichungen herauszustechen?
Er braucht eine Einzigartigkeit. Viele Beatles-Hits wie „Let It Be“ oder „Hey Jude“ haben eine starke Hookline und einfache Strukturen, sind aber einzigartig. Als Pop-Songschreiber entdeckt man die Schönheit an einer einfachen Sache und gibt sich damit zufrieden. Man darf nicht zu verkopft ans Schreiben herangehen. Man schält aus dem Song eine Besonderheit heraus. Von mir gibt es Songs mit Akkordstrukturen, die ein bisschen exotisch sind, aber gerade deshalb macht es Spaß, sie Tausende Male zu spielen. An bestimmten Stellen kriege ich selbst immer wieder eine Gänsehaut.
Ihre Wintertour steht unter dem Motto „Hätt’ auch anders kommen können“. Auf Ihrer Homepage warnen Sie davor, Tickets bei der weltweit größten Ticketbörse Viagogo zu kaufen. Was haben Sie gegen diese Zweitmarktplattform?
Leute zahlen teilweise den dreifachen Preis, nur weil der Ticket-Verkäufer bei Google weit oben auftaucht. Während die TV-Show „Sing meinen Song“ mit mir lief, haben wir Clubkonzerte gespielt. Ich stand am Einlass und habe die Karten abgerissen, weil ich das früher immer so gemacht habe. Eine ältere Dame erzählte mir, dass sie 500 Euro für ein Ticket bezahlt habe. Eine unfassbare Abzocke! Das günstigste Ticket kann man bei uns auf der Homepage kaufen, weil wir es direkt vertreiben. Das deckt aber nur zehn Prozent des Marktes ab. Der Rest passiert über große Firmen, wo teilweise nicht unbedingt offensichtliche Gebühren auftauchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Firmen wie Viagogo und Ticket Tube unter einer Decke stecken. Ich kann nichts dagegen machen, aber darauf hinweisen, seine Tickets lieber bei seriösen Anbietern zu kaufen.
Die Preise für ein Helene-Fischer-Ticket bewegten sich bei einem Zweitanbieter kürzlich von fast noch moderaten 178 Euro bis hin zu unglaublichen 3.600 Euro – für eine einzelne Karte!
Wenn das Konzert in deiner Nähe ausverkauft ist, rate ich dazu, nicht auf Viagogo zu gehen, sondern vielleicht lieber in eine andere Stadt. Oder einfach nächstes Jahr wiederkommen. Die Kaufbereitschaft für Events ist viel größer geworden, weil die Leute weniger Geld für Platten ausgeben. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind die großen Live-Märkte für internationale Superstars. Es macht Spaß, hier Konzerte zu spielen, weil das Publikum sehr aufmerksam ist. Deswegen ist es mir wichtig, dass die Leute ihre Tickets nicht über „lustige“ Anbieter erwerben.
In Ihrer Musikdoku-Sendung „Meylensteine“ waren Sie unter anderem mit Helene Fischer unterwegs und haben sogar mit ihr zusammen gesungen. Wie haben Sie die Schlagerqueen erlebt?
Ich habe an ihrem Song „Ein kleines Glück“ so lange herumgebastelt, bis ich das Gefühl hatte, ihn selbst geschrieben zu haben. Helene kam die Treppe herunter, und dann sang ich dieses Lied. Ich hatte nur einen einzigen Schuss. Ich habe in den Song alles reingelegt, was ging. Die Königsklasse ist, wenn du im selben Moment abliefern, analysieren, aufnehmen und beobachten kannst. Aber dazu ist man meistens zu nervös. Man darf beim Singen nicht einen Bruchteil einer Sekunde darüber nachdenken, was als nächstes passiert. Ich habe viele Jahre darauf hingearbeitet, dass ich dieses Selbstvertrauen habe. Dass ich mich vor dem größten Star, den es in diesem Land gibt, stelle und ihren eigenen Song spiele. Dafür braucht man schon Eier, denn Helene ist Perfektionistin. Sie kann viel mehr als viele andere, auch international gesehen.
Wie haben Sie es geschafft, dem Superstar ganz Persönliches zu entlocken?
Das Tolle an ihr ist, dass sie immer noch die Sensibilität für Musik und für Menschen hat. Helene Fischer hat ein ganz tolles Umfeld. Wir sind befreundet. Wir haben eine Woche lang zusammen gearbeitet und ihre ganze Karriere und ihr Leben durchgespielt. Wir haben keine Dramaszenen eingebaut, sondern ich habe ihr Vertrauen gewonnen, weshalb sie mir einfach alles erzählt hat. Helene öffnet sich selten so privat.
Als Sie ihren Song „Ein kleines Glück“ sangen, kamen Helene Fischer die Tränen, und sie sagte zu Ihnen: „Das ist das Schönste, was ich je gehört habe“. Wie war das für Sie?
Es war einfach ein wunderschöner Moment. Das komplette Team war berührt. Für mich persönlich war es ein absoluter Höhepunkt meiner Karriere, weil ich darauf hingearbeitet habe. Aber dahinter steckt auch eine Empathie, die man sich bewahren muss. 2008 habe ich bei „Schlag den Raab“ mein Liedchen gesungen. Da flog ein Kamerakran 20 Zentimeter vor meinem Gesicht herum. Ich wusste, mir gucken jetzt sechs Millionen Menschen zu. Aber ich durfte mein eigenes Lied live auf gar keinen Fall versauen. In dem Moment hat man keine Möglichkeit, es zu genießen. Sondern man ist froh, wenn es vorbei ist und man es nicht versaut hat. Die Königsklasse ist, wenn man nicht abgebrüht ist und noch die Sensibilität hat, den Moment aufzunehmen. Dafür braucht man sehr viel Erfahrung.
Im Zuge der „Hear the world“- Kampagne eines Hörgeräteherstellers hatten Sie voriges Jahr auch mit Bryan Adams zu tun. Wie hautnah haben Sie den Superstar aus Kanada erlebt?
Es war, als würde man als Zenturio im alten Rom dem Kaiser begegnen. Bryan Adams ist der Typ, wegen dem ich seit 30 Jahren mein Leben in irgendwelchen germanischen Niederlassungen riskiere. Auf der Photokina habe ich seine erste Ausstellung mit Bildern von Mickey Rourke nachts um 3 ausgeleuchtet. Und der Typ reicht mir 18 Jahre später einen Lorbeerkranz und macht ein Foto von mir im Rahmen der „Hear the world“-Kampagne! Bryan Adams ist sich absolut darüber bewusst, was er in seinem Leben erreicht hat. In seinem Gesicht stehen 1.000 Geschichten. Ein besitzergreifender Künstler, der dich immer beobachtet, weil er auch Fotograf ist. Er kann dich innerhalb von zwei Minuten analysieren und auseinandernehmen. Würden wir zusammenarbeiten, würde er anfangen, in mir ein besseres Du zu suchen. Er ist ein Verbesserer.
Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?
Ich habe ihm erzählt, dass ich bald 40 werde und ein neues Album herausbringe. Ich bräuchte ein ungeschminktes Close-up-Foto von mir. Wir haben viel über Familie geredet, und nach einer Stunde sagte er mir, ich solle meine Frau und meine Kinder nach Düsseldorf ins Fotostudio bringen. Meine Frau war total überrumpelt, aber am Ende hatten wir ganz tolle Momentaufnahmen, die Bryan Adams von meiner Familie gemacht hat. Das hat diese Begegnung noch intimer gemacht. Daran werde ich mich noch lange erinnern.
Man spürt, wie sehr Sie für Ihren Beruf brennen. Verplempern Sie Ihre Zeit manchmal auch mit weniger anspruchsvollen Dingen?
In meinem Studio arbeite ich manchmal an drei oder vier Songs gleichzeitig. Das hat den Vorteil, dass man weiterarbeiten kann, wenn man an einem Stück hängen bleibt. Aber es hat hauptsächlich etwas mit Beschäftigung zu tun. Und wenn ich mir mal eine Kaffeepause gönne, schaue ich mir immer auf Youtube Konzerte von Musikern an, die ich bewundere. Das motiviert mich, aber ich passe extrem auf, dass ich nichts kopiere. Es gibt bei mir kaum einen Moment, wo ich sage, ich komme nicht mehr weiter.