Mit „Alice und das Biest“ kommt an Weihnachten ein märchenhaftes Zwei-Frauen-Stück in Saarbrücken auf die Bühne. Regisseur Elmar Ottenthal, die Autorin, Komponistin und Sängerin Aino Laos und Alice-Darstellerin Viviana Milioti sprechen über eine poetische Traumreise, die Herausforderung mehrerer Rollen und die Magie von Projektionen.
Aino, Elmar, was genau erwartet die Zuschauer bei Eurem neuen Stück?
Aino: Wir sind fasziniert von der Romantik und Poesie des Märchen-Genres und haben eine freie Geschichte mit Zutaten aus verschiedenen Märchen kreiert. Es ist ein kleines, feines Weihnachtsmusical. Wir sind nur zu zweit – Viviana und ich – als Darsteller auf der Bühne. Elmar, unter anderem, führt Regie und fertigt die Filme an. Wir haben viele Projektionen dabei, um die Geschichte zu unterstützen.
Ihr mixt also andere Geschichten oder Figuren mit hinein?
Aino: Teilweise, aber nur angedeutet. Da gibt es zum Beispiel eine böse Königin, die an das Märchen „Schneewittchen“ erinnert. Märchen sind eine fantastische Kulisse, in der alles möglich ist.
Das Stück wurde von Dir geschrieben …
Aino: Ja, ich habe zwei Jahre daran gearbeitet. Ich habe es immer wieder umgeschrieben und adaptiert. Viviana spielt Alice, und ich spiele verschiedene andere Charaktere, unter anderem auch das Biest. Alice ist der rote Faden, der durch die Geschichte geht. Und die Frage ist dabei: Wer ist hier eigentlich das Biest? (lacht). Damit jede Aktion und jede Mimik von den Zuschauern wahrgenommen werden kann, bringen wir das Ganze auf eine kleine Bühne. Große Bühnen haben andere Anforderungen.
Elmar: Es ist auch von Aino komplett durchkomponiert. Auch unter dem, was gesprochen wird, liegt komponierter Inhalt, das können auch mal Geräusche sein, aber auch Musik. Jeder Charakter hat seine eigene Melodie.
Könnt Ihr was von der Geschichte verraten?
Aino: Es geht um die Halbwaise Alice, die etwa 15 Jahre alt ist. Sie ist sehr verzogen, sehr unruhig, sehr verwöhnt, ein schwieriges Kind. Die Geschichte beginnt an Weihnachten, Alice bekommt von ihrem Vater Schlittschuhe geschenkt, die sie sich gewünscht hatte. Ihr Vater verbietet ihr allerdings, auf dem gefrorenen See zu fahren, das sei zu gefährlich. Was macht sie? Sie geht Schlittschuhlaufen auf dem See! Sie bricht ins Eis ein, und in diesen wenigen Minuten unter Wasser erlebt sie eine Traumreise, bei der sie vielen Charakteren begegnet und mit ihren Ängsten und Sehnsüchten konfrontiert wird.
Elmar: Es ist von der Poesie fast im Stil des Kleinen Prinzen. Alice erlebt verschiedene Stationen, immer wieder auch spiegelbildlich. Sie wächst im Verlauf der Geschichte zu einer Persönlichkeit heran. Sie reift. Und jeden Spiegel, den sie sieht, muss sie zerbrechen. Sie muss in eine nächste Phase kommen.
Aino: Die Zuschauer können sich sehr viel hineindenken, ihre Fantasie spielen lassen. Ich möchte nicht alles ganz genau erklären. Man soll überlegen, was manches bedeutet: Du siehst das, was dein Herz dir zeigt...
Elmar: Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass sie immer so runtergemacht wird, aber trotzdem ihren Weg geht. Da gibt es starke Bilder. Das Stück ist sehr klar nachzuvollziehen, es ist auch für Kinder geeignet. Die Bilder sind manchmal surrealistisch und regen die Fantasie an.
Ihr habt früher vor allem Projekte für große Bühnen gemacht. Wie erlebt Ihr jetzt dieses kleine Projekt?
Elmar: Das ist ja gewollt. Wenn ich große Produktionen mache, und das ist keine Kritik, sondern eine Erfahrung, dann muss ich immer sehr viele künstlerische Kompromisse eingehen, weil zu viel von anderen abhängt. Wenn wir hier so eine angenehme Zusammenarbeit haben, wo wir uns ergänzen, und das, was wir im Kopf haben, möglichst nah umsetzen können, ist das eine Erfahrung, die mehr als befriedigend ist. Das hier ist kein Projekt, wo wir auf das Kommerzielle abzielen. Dieses Risiko können wir schultern. Aber wir wollen unsere Vision, so gut es möglich ist, handgemacht mit Liebe umsetzen (lacht).
Viviana, dieses Projekt ist für Dich etwas Neues. Wie erlebst Du es?
Viviana: Es steckt ganz viel Leidenschaft und Herzblut in diesem Projekt. Es macht mir so viel Spaß, mit den beiden zu arbeiten. Ich freue mich auf jede einzelne Probe. Es ist auch schön, die Entwicklung zu sehen.
Aino: Wie es immer wieder mutiert, wie es wächst, das Ganze, das ist toll. Manchmal lachen wir uns auch kaputt, weil ganz spontane Sachen passieren.
Viviana: Es ist für mich eine neue, spannende Erfahrung. Normalerweise stehe ich als Sängerin auf der Bühne und konzentriere mich auf meine Musik. Ich habe gerade meinen Bachelor in Romanistik und Anglistik gemacht und mache jetzt meinen Master in Kultur- und Medienwissenschaft mit Spanisch. Ich würde mich aber gerne auf die Musik konzentrieren. Ich bin ganz viel solistisch unterwegs, und auch mit Band, als Singer-Songwriterin, ich schreibe viel.
Was ist Dein Musikstil?
Viviana: Ganz unterschiedlich. Ich bin auch im Musical- und Popbereich unterwegs, schreibe auch viel Deutsch-Pop. Ich nenne sie Seelenlieder, weil ich da meine Gefühle reinbringe. Ich tanze auch gerne und liebe es, auf der Bühne zu stehen. Und als Aino und Elmar mich gefragt haben, ob ich mitmache, war ich direkt Feuer und Flamme.
Du warst auch mal im Ensemble des Neunkircher Musicalprojektes mit vielen anderen auf der Bühne. Hier agierst Du viel alleine. Wie ist das für Dich?
Viviana: Wenn ich meine Szene habe und alleine auf der Bühne stehe, ist da niemand, der mal einspringt, wenn ich meinen Text vergesse, so wie es in einem großen Ensemble ist. Sowas ist ganz persönlich. Man kann so viel reinbringen von der Mimik und der Stimme.
Elmar: Sie muss sich die Rolle erkämpfen. Ich kann dann auch nur korrigierend eingreifen. Das ist ja das Schöne, wenn der Darsteller so weit ist, dass er das für sich verteidigt, was er macht. Dann ist es richtig. An dem Punkt sind wir jetzt. Das ist sehr spannend.
Viviana, was fasziniert Dich an Alice?
Viviana: Faszinierend finde ich, wie Aino und Elmar das machen. Dass Aino immer wieder in unterschiedliche Rollen schlüpft und das immer wieder authentisch rüberbringt. Ich habe das Glück, dass ich nur Alice bin. Bei mir ist es so, dass der Zuschauer die Entwicklung mitbekommt von der richtig nervigen Göre, die ich manchmal selbst nicht ausstehen kann (lacht), bis zur Lady am Ende. Hinter jeder Wut steckt eine gewisse Angst. Der Zuschauer kann sich in Alice hineinversetzen, und es wird alles aufgedeckt. Warum Alice so ist, wie sie ist.
Und ich habe hier zwei tolle Lehrer, die mich in der Probenarbeit unterstützen. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, und mittlerweile bin ich in der Rolle drin. Ich bin Alice. Sie ist in mir. Da gibt es Momente bei den Proben, wo ich weinen muss. Ich bin auch begeistert von der künstlerischen Freiheit, die mir hier gegeben wird.
Aino, Elmar, in Eure Stücke fließt auch immer viel von Euch selbst hinein…
Elmar: Ja, unsere Lebenshaltung soll auch sichtbar sein. Wie wir zum Beispiel mit der Natur umgehen. Unsere Lebensphilosophie spiegelt sich in dem Stück auch wider.
Aino, Du hast schon sehr viel gemacht. Was ist für Dich die Herausforderung bei diesem Stück?
Aino: Für mich ist die große Herausforderung, so viele verschiedene Charaktere so kurz hintereinander zu spielen, es gibt sehr schnelle Wechsel.
Elmar: Aino spielt sieben verschiedene Rollen, das sind die Spiegel, die Stationen für Alice. Das muss Aino in ganz kurzer Zeit leisten. Sie hat nur Sekunden Zeit, um sich umzuziehen und muss sich natürlich auch auf den neuen Charakter einstellen. Wir mussten für jeden Charakter eine Eigenart erfinden, einen Gesichtsausdruck oder eine Sprache.
Aino: Manchmal komme ich mit den Gesichtsausdrücken durcheinander, das ist dann ein bisschen schräg (lacht). In ganz viele Häute schlüpfen und auch Mut zur Hässlichkeit haben, das ist spannend.
Elmar: Wir haben zuerst mit Masken gearbeitet, die Aino mit viel Liebe selbst gemacht hat. Aber dann haben wir gemerkt, dass die Masken zu viel überdecken, die ganzen Emotionen, die sich im Gesicht spiegeln, waren weg. Dann haben wir die Masken weggelassen.
Aino: Ich war demoralisiert, ich war so stolz auf die Masken. Aber es war tot. Jemand hat mir mal gesagt, du hast ein Gesicht aus Gummi. Aber was nutzt es, wenn man es nicht einsetzen kann? Jetzt maskiere ich mich nur teilweise. Die Figuren haben sich auch entwickelt. Ich reagiere nämlich viel auf Viviana. Es gibt zum Beispiel den Rattenrichter, den wollte ich anfangs ganz steif und mechanisch anlegen. Und jetzt ist er eher lustig skurril und wirkt wie ein böser Alfred Biolek (lacht). Das war eine totale Überraschung. Das ist faszinierend.
Elmar, Du stellst Filme und Projektionen für das Stück her. Wie kann man sich das vorstellen?
Elmar: Gerd Friedrich hat ein Bühnenbild entworfen, das einen gläsernen, durchsichtigen Raum schafft, der eine Projektionswand einrahmt. In diesem Rahmen wird projiziert. Die Projektion ist durchlaufend, so wie die Musik durchläuft. Es ist ein entsprechend großer Aufwand, weil ich ja keine Filme mache, die als Filme für sich stehen, sondern Projektionen, die die Geschichte emotional stützen. Es gibt zum Beispiel lustige Momente, wo ein Typ, der Harry Potter ähnlich sieht und der Traumprinz von Alice ist, im Video drin ist und mittanzt. Dann gibt es Videos, die unterstützen, zu erkennen, ob der Darsteller in dem Moment traurig ist oder sich etwas Schönes erwartet. Und ich lokalisiere mit den Projektionen, wo Alice sich gerade befindet. Das sind dann keine abstrakten Bilder, sondern wir sind in der Wasserwelt oder im Märchenschloss. In unserem Fall ist es Neuschwanstein, weil es wirklich ein schönes Märchenschloss ist. Oder wir sind im Gebirge, in der Wüste und so weiter.
Wie aufwendig ist das, solche Filme herzustellen?
Elmar: Bis eine Drei-Minuten-Sequenz gemacht, geschnitten und so weiter ist, geht mehr als eine Woche drauf.
Aino: Auch bei der Musik muss oft nachkorrigiert werden. Es ist ein lebendiges Ding, das wächst und wächst.
Es ist ja quasi Dein Baby.
Aino: Es ist aufregend, denn jetzt wird es konkret. Jetzt wird es aufgeführt. Es ist für mich sehr wichtig, ein neues Kapitel in meinem künstlerischen Leben. Es ist mit viel Herz gemacht. Ich bin sehr gespannt!