Jürgen Klinsmanns Debüt gegen Dortmund ging verloren – wie schnell bekommt er das Team von Hertha BSC auf (seinen) Kurs?
Auch ein Weltmeister kann auf Anhieb keine Wunder vollbringen: Das war das Fazit des Trainerdebüts von Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC. Unter dem Strich stand so vergangenen Sonnabend eine 1:2-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund, die altbekannte Schwachpunkte, aber auch positive Ansätze offenbarte. Das frühe Stören, um den BVB gar nicht erst in seinen Spielfluss kommen zu lassen, funktionierte zwar in der Anfangsphase – nach dem ersten Pass in die Tiefe, der einen Abnehmer fand, gelang den Dortmundern aber schon in der 15. Minute der Führungstreffer. Nun merkte man den Berlinern den Rucksack an, mit dem sie in die Partie gegangen waren: Keine 120 Sekunden später lag der Ball schon wieder im eigenen Tor. Eine simple, aber schnell ausgeführte Kombination – Spiel über rechts geöffnet, Pass ins Zentrum, im Abschluss gedankenschneller als der Verteidiger – sorgte bereits für das 0:2. Von außen versuchte Klinsmann in dieser Phase noch beruhigend auf sein Team einzuwirken. Hätte allerdings Dortmunds Manuel Akanji seinen Kopfball besser platziert, wäre Herthas K. o. nach gerade 20 Spielminuten wohl beschlossene Sache gewesen. Immerhin aber fingen sich die Hauptstädter im Anschluss. Vor allem Dodi Lukebakio spielte sich zu diesem Zeitpunkt in den Vordergrund. Erst scheiterte der Belgier nach einem Solo noch an BVB-Torwart Roman Bürki, dann war er maßgeblich am Anschlusstor beteiligt – seinem Schuss gab Vladimir Darida noch mit dem Fuß die entscheidende Richtungsänderung zum 1:2. Womit die Blau-Weißen wieder im Spiel waren – noch verstärkt durch die Tatsache, dass Mats Hummels vor dem Pausenpfiff mit Gelb-Rot vom Platz gestellt wurde.
Klinsmann versuchte beruhigend einzuwirken
Schon kurz nach dem Wechsel schien sich das bezahlt zu machen: Marko Grujic hatte das Auge für Davie Selke, der frei vor dem Tor ins lange Eck traf. Allerdings bereitete der Videoschiedsrichter dem Jubel und dem Hoffnungsschimmer ein jähes Ende – in der Betrachtung stellte sich nämlich heraus, dass der Torschütze beim Anspiel gerade mal mit einer Hackenlänge im Abseits gestanden hatte. Da gesellte sich also einmal mehr mangelndes Spielglück hinzu, wie es schon unter Klinsmanns Vorgänger Ante Covic des Öfteren zu erleben war. Doch es nutzte nichts – in Überzahl gelang Herthas Mannschaft in der restlichen Spielzeit gegen tief stehende Borussen wiederum zu selten, für taugliche Abschlusssituationen zu sorgen. Die Hereinnahme von frischen Offensivkräften – Javairo Dilrosun, Vedad Ibisevic und schließlich Salomon Kalou – blieb wirkungslos. Als Grujic’ Schuss dann in der Nachspielzeit abgeblockt wurde, war die Niederlage im ersten Spiel unter Leitung von Jürgen Klinsmann schließlich perfekt. „Wir hätten mehr verdient gehabt", zeigte sich der frühere Stürmer nach dem Abpfiff enttäuscht – auch angesichts seiner ersten Bekanntschaft mit dem Videobeweis. Unter dem Strich die fünfte Niederlage für Hertha BSC in Serie, wodurch der Verein sogar weiter auf den Relegationsplatz abrutschte. „Es hat Hand und Fuß, was das Trainerteam macht – wir müssen das jetzt alles einstudieren, dann funktioniert das noch besser", urteilte Hertha-Verteidiger Niklas Stark dennoch durchaus zuversichtlich.
Schließlich hatte Jürgen Klinsmann ja auch nur drei Tage, um die Profis auf das schwierige Spiel einzustellen. Bei seiner Inauguration wählte er dabei gewichtige Worte: Von einer „Megaaufgabe" bis zu „Berlin erwartet etwas Großes" steckte Jürgen Klinsmann dabei schon mal den Rahmen von der Aktualität Richtung Zukunft ab. Der ehemalige Nationalspieler war ja gerade erst vor einem Monat unter großem Medienrummel als Kandidat des Investors Lars Windhorst in den Aufsichtsrat der Hertha BSC KGaA berufen worden. Nachdem sich die Führungsetage dann bei Niko Kovac zumindest für diese Spielzeit einen Korb bezüglich des Traineramtes geholt hatte, lag die Interimslösung mit Klinsmann also durchaus nah. Zumal Klinsmann ja auch noch einen besonderen Bezug zu Hertha BSC hat: Schließlich stammte sein Vater Fritz aus dem brandenburgischen Eberswalde und war Fan der „Alten Dame", bevor er ins Schwabenland übersiedelte. So kam nun die Volte zustande, dass Jürgen Klinsmann auf dem Podium in Berlin mit seinem unverkennbar süddeutschen Zungenschlag quasi seine Hertha-DNA unter Beweis stellen konnte. Und nicht nur das: Auch sein Team hat einiges an blau-weißem Blut vorzuweisen. Denn obwohl Klinsmann nur eine Übergangsaufgabe übernimmt, installiert er einen großen Tross an der Spree. Alexander Nouri (früher unter anderem Werder Bremen) leitet dabei als Assistent die Übungseinheiten gemeinsam mit seinem Assistenten aus früheren Zeiten, Markus Feldhoff. Bundes-Torwarttrainer Andreas Köpke (1984 bis 1986 Keeper von Hertha BSC) konnte er vom DFB zunächst bis Jahresende „ausleihen". Eine Weiterbeschäftigung in Doppelfunktion lotet der gut vernetzte neue Hertha-Coach dabei noch aus. Als Schnittstelle zwischen Profis und Führungsetage brachte Klinsmann dazu Arne Friedrich ins Spiel. Der mittlerweile 40-Jährige, der acht Jahre für die Blau-Weißen auflief, soll eine Art Teamleiter werden – neusprachlich „Performance Manager". Und mit Werner Leuthard konnte der Neue auch für den Bereich Fitness einen Spezialisten gewinnen – der „General" arbeitete schon für Felix Magath das Konditionstraining aus.
„Im Dortmund-Spiel war schon viel drin, was wir mitnehmen können"
Große taktische oder personelle Änderungen in der Startelf gab es dagegen noch nicht zu erkennen. Bei seinem Debüt entschied sich Klinsmann für ein unter Covic oder auch Pal Dardai nicht unübliches 3-5-2-System – Thomas Kraft ersetzte im Tor den gesperrten Rune Jarstein, und dass die zuletzt nicht überzeugenden Lukas Klünter und Javairo Dilrosun zunächst auf der Bank Platz nehmen mussten, ist sicher auch nicht als Fingerzeig für die anstehenden Spiele zu sehen. Bei Eintracht Frankfurt (bereits am Freitagabend, 6. Dezember, 20.30 Uhr) schnitt Hertha BSC zuletzt immerhin vergleichsweise gut ab: Von den letzten acht Partien in der Mainmetropole verlor man nur eine. Für die gern als „Mentalitätsmonster" titulierten Eintracht-Spieler ist es dazu bereits das 27. Pflichtspiel in diesem Halbjahr, das sie nicht mehr ganz so erfolgreich wie vergangene Saison gestalten konnten. Dennoch werden die Frankfurter Hertha BSC vom Kopf her alles abverlangen. Jürgen Klinsmann sieht sein Team aber gewappnet: „Im Dortmund-Spiel war schon viel drin, was wir mitnehmen können", so der stets optimistische Trainer im typischen Tonfall. „Jetzt geht’s ab nach Frankfurt, und dann geben wir denen einen richtigen Fight."