Seine erste Chance in der Bundesliga endete für Achim Beierlorzer nach nur vier Monaten in Köln. Keine zwei Wochen später kam aber die zweite – an einem Standort, der für ungewöhnliche Trainer-Entscheidungen bekannt ist.
Eigentlich schien Mainz zuletzt eine der letzten Trainer-Oasen im deutschen Fußball zu sein. Seit 2001 gab es nur eine einzige Trainer-Entlassung während der Saison: Der Däne Kasper Hjulmand musste im Februar 2015 gehen. Dazu erwischte es Aufstiegs-Trainer Jörn Andersen eine Woche vor dem Saisonstart 2009. Ansonsten konnten Ex-Spieler Jürgen Klopp und die beförderten Nachwuchstrainer Thomas Tuchel und Martin Schmidt über Jahre in Ruhe arbeiten, bis sie irgendwann nach einer Saison freiwillig weiterzogen. Was auch nicht immer selbstverständlich war, denn Klopp stieg ja zum Beispiel mit den Mainzern ab.
Auch an Sandro Schwarz hielten die Mainzer über zwei Jahre fest. Im Profifußball eine kleine Ewigkeit. Als 14. und 12. hingen die 05er quasi die ganze Saison im Abstiegskampf. Doch das hatte man auch so erwartet. Und mit dem jeweiligen Klassenerhalt hatte Sandro Schwarz, der gebürtige Mainzer und frühere 05-Profi, seine Mission immer erfüllt. In diesem November erwischte es Schwarz dann doch. Dass der historischen 0:8-Schmach von Leipzig eine Heimniederlage gegen Aufsteiger Union Berlin folgte, war dann doch zu viel.
Doch wie man das bei dieser Vorgeschichte vermuten konnte, war die Trennung keine normale in diesem eigentlich so harten Geschäft. „Wir haben uns alle wirklich von Herzen gewünscht, dass wir mit Sandro in die Zukunft gehen", sagte Sportchef Rouven Schröder in einem „Kicker"-Podcast: „Wir hatten zweieinhalb Jahre voller Sturm und Drang. Er hat immer alles getan für diesen Verein. Als der Zeitpunkt gekommen war, dann war das einfach hochemotional." Und es sei gleichzeitig „für jeden Einzelnen eine Niederlage. Das habe ich der Mannschaft auch mitgeteilt."
Bei der Suche nach einem Nachfolger, auch das ist typisch Mainz, wirkten in Mainz nicht die üblichen Reflexe des Geschäfts. Während bei den zeitglich suchenden Kölnern in Bruno Labbadia, André Breitenreiter, Tayfun Korkut, Markus Weinzierl und dem letztlich ausgewählten Markus Gisdol die üblichen Verdächtigen als neue Trainer gehandelt wurden, drang in Mainz außer dem Namen Heiko Herrlich zunächst keiner nach außen. Und dann wurde es einer, mit dem niemand gerechnet hatte: Achim Beierlorzer, gerade erst in Köln entlassen.
Eine Niederlage für alle Mainzer
Im Sommer erst war der Gymnasial-lehrer in die erste Liga gekommen, von Regensburg nach Köln, und hatte dafür seinen Beamtenstatus aufgegeben. In der Domstadt durfte er nur elf Spiele und etwas mehr als vier Monate bleiben und musste einen Tag nach seinem Förderer Armin Veh gehen. Es folgte der sofortige Wechsel von einem Karnevalsverein zum anderen, wobei Beierlorzer kurioserweise ausgerechnet zur Sessionseröffnung am 11.11. nirgendwo im Amt war.
In Köln waren sie überrascht über die Personalie. Und so mancher unkte schon, dass es sicher wieder mal so laufen werde, dass der Abstiegs-Konkurrent Mainz nun mit dem in Köln entlassenen Trainer die Klasse halten werde, während der FC zum siebten Mal runter muss. So weit ist es natürlich noch lange nicht. Doch sagen wir es mal so: Der erste Spieltag unter den neuen Trainern schürte diese Vermutung nachdrücklich. Gisdol verlor mit Köln 1:4 bei RB Leipzig. Beierlorzer gewann mit Mainz 5:1 in Hoffenheim und stellte mit seinem neuen Team mit vier Auswärts-Toren in Unterzahl gleich einen Bundesliga-Rekord auf. Die Ironie der Situation perfekt machte die Tatsache, dass Beierlorzer in seinem letzten Köln-Spiel eine 1:2-Niederlage gegen Hoffenheim kassiert hatte. Durch einen unglücklichen Elfmeter in der sechsten Minute der Nachspielzeit.
Einer der ersten Gratulanten war natürlich Sandro Schwarz. „Sandro hat mir nach dem Sieg direkt geschrieben, sich mitgefreut und uns gratuliert", erzählte Schröder: „Das hat mich extrem gefreut. Da merkt man, was er für ein besonderer Mensch ist." Menschlich verlor auch über Beierlorzer in Köln niemand ein schlechtes Wort. Doch die Frage ist: Kann ein Trainer so schnell nach der Entlassung bei einem anderen Verein einsteigen? In Köln fühlte sich mancher erinnert an Peter Stöger, der im Dezember 2017 nach vier Jahren gehen musste und direkt danach in Dortmund anheuerte. Wobei die meisten ihm vorwarfen, dass er dann gleich dermaßen schwarz-gelb am Spielfeldrand stand, als würde er einmal den ganzen Fanshop probetragen.
Beierlorzer hatte zwangsläufig nach vier Monaten statt vier Jahren noch keine so enge Bindung zum FC. Und für Schröder ist das Thema keines. „Es ist doch nicht so, als hätte Achim in Köln den Geißbock 153-mal gestreichelt und jetzt in Mainz das Wappen geküsst", sagte der Sportchef über den Trainer, mit dem er 2012 in Fürth zusammenarbeitete. Aber natürlich habe er ihn gefragt, ob er schon bereit sei für eine neue Aufgabe. Beierlorzer brannte für das Projekt. Der Bruder des früheren Bayern-Profis Bertram Beierlorzer war erst mit 51 in die Bundesliga gekommen. So schnell nach einer unglücklichen Entlassung bereits eine neue Chance zu bekommen, war ein Geschenk. Dafür brachte er auch Ehefrau Steffi schonend bei, dass es aus dem schon gebuchten Urlaub erst einmal nichts wird.
Beierlorzers Bindung zum 1. FC Köln war nicht sehr groß
Felix Magath verfolgte den frühen Einstieg des Kollegen derweil kritisch. Magath war in der Saison 2010/11 selbst so schnell von Schalke nach Wolfsburg gewechselt. „Ich selbst wusste, dass ich nach der Schalker Zeit zu gestresst war. Aber im Interesse des VfL Wolfsburg habe ich von einem Tag auf den anderen den neuen Job ohne Pause übernommen", sagte Magath dem „Kicker". Das sei die falsche Entscheidung gewesen. „Heute würde ich es nicht mehr so machen. Denn es wird nicht gedankt. Eine Pause nach einer Freistellung ist immer besser." Magath hoffte für Beierlorzer, „dass er nicht zu lange auf seinen ersten Sieg mit Mainz warten muss". Das musste er nicht, und so konnte sich auch Schröder früh bestätigt sehen. Er hatte aber auch nie daran gezweifelt. „Die vier Monate Köln waren für mich nicht der Grund, um zu sagen, dass er auf einmal ein schlechter Trainer wäre", sagt er. „Man muss sich freimachen von der Kritik, die Öffentlichkeit nicht das Tagesgeschäft machen zu lassen." Fast nirgendwo gelingt das so gut wie in Mainz.