Alba Berlin darf auf ein Dauerstartrecht in der Euroleague hoffen. Die enorme Doppelbelastung fordert in dieser Saison aber ihren Tribut. Hoffnung macht die Rückkehr von Peyton Siva.
Bei Hertha BSC träumen sie von der Königsklasse. Investor Lars Windhorst will den aktuell abstiegsgefährdeten Fußballclub mit seinen Millionen zu einem „Big City Club" machen, der möglichst bald und regelmäßig in der Champions League spielt. Bei Alba Berlin ist man diesem Ziel schon viel näher – auch ohne große Investoren von außen. Der deutsche Vizemeister spielt schon in dieser Saison in der Euroleague und darf nun sogar auf ein Dauerstartrecht im wichtigsten Clubwettbewerb des europäischen Basketballs hoffen. „Alba ist einer der Top-Kandidaten für eine A-Lizenz", sagte Jordi Bertomeu, Geschäftsführer von Euroleague Basketball, bei seinem Besuch Ende November in Berlin.
Bislang haben elf von 18 Vereinen, die an der Euroleague teilnehmen, eine solche A-Lizenz. Sie beinhaltet eine automatische Qualifikation, ohne dass der Club Jahr für Jahr in der heimischen Liga dafür einen Leistungsnachweis erbringen müsste. Das bedeutet Planungssicherheit für die Topvereine und deren Sponsoren, entsprechend begehrt sind diese Lizenzen. Doch nach Bertomeus Aussagen würde es sehr verwundern, wenn Alba in Zukunft nicht in den elitären Kreis aufgenommen werden würde. „Wir wollen Alba in unserer Gruppe haben", sagte Bertomeu, der die Berliner schon in der Vergangenheit öfters für ihre Arbeit, Organisation und Philosophie gelobt hatte. Er sei „zuversichtlich, dass wir für die Zukunft gute Nachrichten haben werden." Alba muss sich also noch etwas gedulden, während Bayern München schon sehr bald die A-Lizenz bekommt. Der Deutsche Meister und ASVEL Villeurbanne stehen als Mitglieder Nummer zwölf und 13 fest, ebenso ist der Aufstieg der zwei Finalisten des Eurocups in die Euroleague beschlossene Sache. Um eine der dann noch drei freien Lizenzen hat sich Alba beworben und bei den Entscheidungsträgern dem Vernehmen nach mächtig Eindruck gemacht.
Planungssicherheit für die Topvereine
Alba-Geschäftsführer Marco Baldi wollte die Chancen nicht beziffern, aber er betonte: „Wir wollen da spielen, wo das höchste Niveau ist." Und das ist zweifelsfrei die Euroleague, das musste das junge Team bei seinem Comeback in einigen Spielen auch schmerzhaft erfahren. Beim jüngsten 69:62 gegen Zalgiris Kaunas, dem vierten Sieg im elften Spiel, bewies die Mannschaft von Trainer Aito Garcia Reneses aber, dass sie auch sportlich in die Euroleague gehört. „Es war wahnsinnig intensiv", sagte Baldi über das packende Spiel mit dem positiven Ausgang für Berlin. „Ich liebe das." Coach Reneses hätte jedoch nichts dagegen, wenn seine Mannschaft in diesen stressigen Tagen auch mal einen Sieg leicht und locker nach Hause bringen könnte. Im November musste Alba elf Spiele bestreiten, dreimal auswärts anreisen, die Spieler hatten nur fünf freie Tage und nur dreimal ein reguläres Training. Der Dezember wird trotz der Feiertage kaum weniger intensiv, für Alba stehen insgesamt neun Pflichtspiele auf dem Programm. Vor den Spielen in der Euroleague am Freitag (6. Dezember) gegen den türkischen Vertreter Fenerbahce Istanbul und in der Liga am Sonntag (8. Dezember) bei Medi Bayreuth gab Trainer Reneses seinen spiel- und reisegestressten Profis zwei Tage frei.
Nicht nur die Berliner stöhnen über diese extreme Doppelbelastung. Eine Reform der Euroleague-Vorrunde, die von den 18 Teams nicht in Gruppen, sondern in einer Liga mit insgesamt 34 Spielen für jede Mannschaft ausgetragen wird, schließen die Bosse aber aus. „Wir sprechen über Spiele mit rund 10.000 Zuschauern – das kann kein anderer Wettbewerb bieten", sagte Bertomeu. „Ich bin nicht dafür, solche Spiele zu reduzieren."
Die Folge: Durch die zunehmende Überbelastung und die immer kürzere Regenerationszeit nehmen bei den Spielern die Verletzungen zu. Auch Alba hatte in dieser Saison schon viele Ausfälle zu beklagen, vor allem das Fehlen von Peyton Siva hatte sich auf dem Parkett bemerkbar gemacht. Der Spielmacher ist nach seiner Muskelverletzung im linken Oberschenkel zwar mittlerweile zurück, doch der Alte ist er längst noch nicht wieder. Bei seinem Comeback in Bonn (90:87) nahm der US-Amerikaner, der bei Alba der „Unterschiedsspieler" sein soll, keinen einzigen Wurf. Und seine beiden Freiwürfe verwarf der 29-Jährige. „Er muss sich erst wieder langsam herantasten", sagte Sportdirektor Himar Ojeda. „Er ist aber einer der Köpfe des Teams und ist wieder in der Lage zu spielen, mehr noch nicht."
Zwei Tage später in der Euroleague gegen Zalgiris Kaunas trat Siva schon deutlich spielfreudiger auf. Er erzielte nicht nur vier Punkte und sechs Assists, sondern verschaffte Aufbauspieler Martin Hermannsson auch die notwendigen Verschnaufpausen. Der Isländer wirkte als Alleinunterhalter im Spielaufbau zuletzt etwas überspielt und unkonzentriert. „Es ist gut, dass Peyton zurück ist, denn die vergangenen drei Wochen waren sehr anstrengend", gab Hermannsson zu.
„Die vergangenen drei Wochen waren sehr anstrengend"
Bei Alba wissen sie, dass sie nur mit einem Siva in Topform ihre Ziele erreichen können. Doch der will sich nicht zu sehr unter Druck setzen lassen. „Das Wichtigste ist der Gameflow", sagte der Point Guard. „Wenn ich mich gut fühle: mehr Würfe für mich. Wenn meine Mitspieler besser drauf sind: gute Würfe für sie." Auch das ist Siva: ein Teamplayer. Einer, der deutlich weniger auf seine persönliche Punkteausbeute schaut als die meisten anderen Profis auf seiner Position. Für ihn steht der Erfolg der Mannschaft über allem. „Er ist auf dem Court ein Leader", schwärmte Kapitän Niels Giffey über Siva. „Es macht einfach Spaß, mit ihm zu spielen." Auch in der Kabine sei Siva ein „Klassetyp".
Eigentlich wollte Siva wie jeder andere amerikanische Basketballer auch in der NBA eine wichtige Rolle übernehmen. Nach dem Gewinn der College-Meisterschaft wurde er 2013 von den Detroit Pistons gedraftet, doch der Durchbruch gelang ihm dort nicht. Danach begann eine fast schon verzweifelte Suche nach einem passenden Verein, die durch seine zahlreichen Verletzungen zusätzlich erschwert wurde. Bei Alba hat Siva aber sein Glück gefunden – und Alba mit Siva. „Ich halte Peyton und Alba für eine perfekte Kombination", sagte Sportdirektor Ojeda über den bis 2021 vertraglich gebundenen Point Guard. „Uns gefällt Peytons Arbeitseinstellung." Dazu zählt auch, trotz seiner für Basketballer eher bescheidenen Größe (1,83 Meter) aggressiv und explosiv in jedes Duell zu gehen. „Klar kriege ich mit meiner Größe manchmal härtere Schläge ab als andere", sagt Siva. „Aber ich habe keine Angst, da reinzugehen und es mit den großen Jungs knallen zu lassen." Dass sich Siva dabei schon öfter verletzt hat, ist die Kehrseite der Medaille. Und das tut Alba vor allem in diesen stressigen Tagen besonders weh.