Rettungseinsätze, eilige Materialtransporte, VIP-Shuttles – die Aufgaben für Helikopterpiloten sind vielfältig. Ihr Vorteil: Da abheben, wo es für Flugzeuge zu eng ist. Mit 700 PS und 200 Stundenkilometer schnell.
Delta-Hotel India Tango Tango is ready for Take-off." Pilot Dietmar Rieß lächelt und setzt seine Sonnenbrille auf. Routiniert schaut er noch einmal nach links und rechts, checkt die Anzeigen seines Leichthubschraubers, einer Robinson R 44 – alles okay! Das Kennzeichen seiner Maschine: D-HITT. Und das heißt in der Flugsprache: „Delta-Hotel India Tango Tango. Dann meldet sich der Tower des kleinen Flugplatzes Essen/Mühlheim in Nordrhein-Westfalen: „D-HITT you are cleared for Take-off runway 06." Rieß hat jetzt die Freigabe, in Richtung Essen abzuheben. Der Motor dröhnt immer lauter, dann zieht er am Steuerknüppel. Langsam schwebt D-HITT über eine Wiese, dann zieht Rieß die Robinson in den Himmel. Bald hat er die vorgegebene Flughöhe von 1.000 Fuß (rund 300 Meter) erreicht. „Helikopterfliegen ist einfach großartig – egal, ob als Pilot, als Pilotenlehrer oder als Checker", sagt er. Der 58-Jährige muss es wissen: Er hebt seit über 30 Jahren ab – flog unter anderem Walter Steinmeier, als er 2009 zum Kanzler kandidierte, oder produzierte als Filmpilot aufwendige Luftbilder für Spielfilme und fürs Fernsehen. „Die Freiheit, aus dem Stand mit 200 Sachen in die Luft zu steigen, ist mit nichts zu vergleichen."
Dabei begann seine Karriere als Pilot ganz anders. „Nach der Schule bin ich zur Bundeswehr. Ich habe eine Laufbahn als Offizier samt Studium angestrebt. Eigentlich wollte ich damals Jetpilot werden." Daraus wurde nichts: Nach zahlreichen Stationen bei der Bundeswehr wurde Rieß erst einmal Kapitän eines Schnellbootes. „Ich war mit 25 Jahren der jüngste Kapitän eines solches Bootes, den es jemals gegeben hat." Sein eigentliches Ziel, Pilot zu werden, verlor er aber nicht aus den Augen. „Leider war ich dann zu alt für eine Karriere als Jetpilot. Tornado zu fliegen war einfach nicht mehr drin." Doch der junge Soldat hatte Glück. Über ein Austauschprogramm der Bundeswehr kam er nach Großbritannien. „Bei der Royal Navy lernte ich fliegen. Alles fing zunächst mit kleineren Trägerflugzeugen an, dann bot man mir an, Helikopterpilot zu werden." Gut ein Jahr später saß es am Steuerknüppel einer Aerospatiale 341. Rieß: „Diesen Helikoptertyp nennt man Gazelle. Ein fantastischer Hubschrauber mit tollen Flugeigenschaften."
Solch eine Karriere sei für Helikopterpiloten mittlerweile untypisch. „Es gibt in Deutschland keine einzige Firma mehr, die einem jungen Mann die Ausbildung zum Berufshelikopterpiloten finanziert. Die muss man selbst bezahlen. Das ist ja bei der Lufthansa nicht anders: Da erhält man unter Umständen einen Kredit, um alles vorzufinanzieren. Aber bezahlen muss man die Ausbildung am Ende auf jeden Fall selbst." Kosten für die Lizenz, CPL (Commercial Pilot License): rund 80.000 Euro. Dann ist man ein richtiger Berufshelikopterpilot mit der offiziellen Lizenz, Personen und Waren zu transportieren. Die Verdienstmöglichkeiten sind beachtlich: 6.000 bis 10.000 Euro sind normal.
Bei der Royal Navy fliegen gelernt
Doch wer sich für den Job interessiert, muss neben dem Geld für die Ausbildung zahlreiche weitere Voraussetzungen mitbringen. Rieß: „Anfangen mit der Ausbildung kann nur, wer das 17. Lebensjahr vollendet hat. Außerdem muss sowohl eine Sicherheitsüberprüfung als auch ein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis der Klasse eins vorliegen." Vor allem die Untersuchung hat es in sich. So muss die Erstuntersuchung für Berufs- und Verkehrspiloten in einem Aeromedical Center (AeMC) unter Einschaltung von Fachärzten und zusätzlich eines Neurologen erfolgen. „Da geht es zum Beispiel darum, dass der künftige Pilot gut sehen kann", erklärt Rieß. „Ein relativ häufiges Tauglichkeitshindernis bei Männern ist die Farbenfehlsichtigkeit. Und auch, wer alle Farben richtig erkennen kann, muss beim Augenarzt nachweisen, dass er über ein hinreichendes Sehvermögen verfügt. Das ist im Cockpit und gerade im Helikopter extrem wichtig." Wer körperlich fit ist, muss zusätzlich noch Kenntnisse in Mathematik, Englisch und Physik mitbringen.
Dann beginnt die Ausbildung. Und auch die hat es in sich. „Neben dem Fliegen im Helikopter steht Unterricht auf dem Programm, in meiner Flugschule ist das meist Einzelunterricht", erzählt Rieß. Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Aerodynamik (Hubschrauber), allgemeine Luftfahrzeugkunde, Bordinstrumente, Masse und Schwerpunktlage, Flugleistung, Flugplanung und Überwachung, Luftrecht oder menschliches Leistungsvermögen. Rieß: „Ganz wichtig sind natürlich auch die ausführlichen Unterrichtseinheiten zu den Themen Meteorologie und Navigation. Der künftige Pilot muss ja wissen, bei welchem Wetter er überhaupt abheben kann und wohin er fliegt." Damit auch die Kommunikation mit dem Tower und anderen Flugzeugen und Hubschraubern klappt, erwirbt jeder Flugschüler im Laufe seiner Ausbildung ein Sprechfunkzeugnis. „Insgesamt dauert die Ausbildung zwischen 13 Monaten und zwei Jahren", weiß der Flugbegeisterte, der im Laufe seines Lebens schon viele Piloten erfolgreich in die Luft gebracht hat. „Dann kommen die Prüfungen. Zunächst erfolgt die theoretische Prüfung beim Luftfahrtbundesamt." Wer besteht, muss zeigen, was er als Pilot eines Hubschraubers wirklich draufhat: „Bei der praktischen Prüfung muss man alles zeigen, was man fliegerisch gelernt hat. Der Prüfling fliegt alle Standard- und alle Notsituationen durch. Neben Starten und Landen muss der Pilot dann zum Beispiel auch beweisen, dass er den Helikopter unter Kontrolle hat, wenn die Turbine ausfällt." Nur wer sicher landet, hat bestanden. „Da ist der künftige Pilot an Bord der Maschine komplett auf sich alleine gestellt. Wenn der Prüfer auch nur einmal eingreifen muss, ist man durchgefallen", sagt Rieß.
Wer die harte Ausbildung besteht, hat gute Chancen
Wer es schafft, hat gute Chancen auf einen Job. „Man hat dann zahlreiche Möglichkeiten, als Helikopterpilot zu arbeiten", weiß Rieß. „Man ist ja nicht nur frei, sich ein Unternehmen seiner Wahl zu suchen, sondern kann auch entscheiden, wo auf der Welt man fliegen will. Helikopterpiloten werden schließlich weltweit gesucht." Eine Erfahrung, die auch Dietmar Rieß selbst gemacht hat: Neben der deutschen Berufspilotenlizenz hat er eine für die USA. „Da habe ich auch einen der schönsten Flüge meines Lebens gemacht. Am Steuerknüppel eines Helis bin ich durch der Grand Canyon gejettet. Der Nationalpark in Arizona mit seinen steilen Schluchten zählt zweifelsohne zu den ganz großen Naturwundern der Erde."
Zurück nach Deutschland: Jobs für Helikopterpiloten gebe es in der Rettungsfliegerei und im klassischen Rundfluggeschäft sowie der Arbeitsfliegerei. „Um das alles fliegen zu können, habe ich sechs sogenannte Type Ratings für sechs verschiedene Helikoptertypen." Type Ratings sind Musterberechtigungen für verschiedene Helikoptertypen. „Man muss ja die Cockpits und die Flugeigenschaften der einzelnen Maschinen kennen", so Rieß. Ein besonderes Highlight des Helikopterfliegens ist für Rieß der sogenannte Filmflug. „Filmflug bedeutet, dass wir an Bord des Helikopters Filme produzieren", erklärt er. Dafür wird am Hubschrauber eine Kamera installiert, die aus dem Helikopter ferngesteuert bedient wird. Dazu Rieß: „Mit den Systemen entstehen tolle Aufnahmen für Spielfilme und fürs Fernsehen –
so was kann man mit keiner Drohne machen." In dem Zusammenhang habe er auch mit einem Team Aufnahmen für die Fluggesellschaft Germanwings gemacht. „Das war am Flughafen Köln-Bonn und wir sind neben den Flugzeugen zur Startbahn geflogen. Plötzlich hat mich der Tower angefunkt: Obwohl wir gut 50 Meter von den Flugzeugen entfernt waren, haben die Passagiere Angst bekommen", erzählt Rieß und muss lachen. „Da sind wir dann ein wenig auf Abstand gegangen."