Die Mehrwertsteuer ist so etwas wie unser täglicher Begleiter. Doch für den Staat ist es ein großer Unterschied, ob man Bus fährt oder sich einen neuen Fernseher kauft.
Wir zahlen sie alle, und zwar täglich. Sie zu vermeiden, ist verboten. Und sie bringt dem Fiskus richtig viel Geld: Rund 235 Milliarden Euro haben Bund, Länder und Kommunen 2018 mit der Mehrwertsteuer eingenommen, schätzt das Bundesfinanzministerium. Damit ist sie unter allen Steuerarten die wichtigste Geldquelle für den Staat. Wobei die Idee des Staates, alle Geschäfte seiner Untertanen mit einer Abgabe zu belasten, an sich schon genial ist – darauf muss man erst einmal kommen, von jedem Bauern, der einen Sack Kartoffeln verkauft, eine Gebühr zu verlangen.
Erfunden wurde die Mehrwertsteuer im Bonner Bundestag. 1960 begannen Finanzexperten über eine Reform der seit ewigen Zeiten geltenden Umsatzsteuer in Höhe von vier Prozent nachzudenken. Die hatte den Nachteil, dass sie bei jedem Produktionsschritt fällig wurde. Für einen Kotflügel fürs Auto wurden die vier Prozent einmal im Walzwerk, dann beim Autohersteller und noch einmal beim Händler fällig, so dass am Ende zwölf Prozent an den Fiskus gingen. Es dauerte allerdings bis 1967, bis sich das Bundesfinanzministerium, damals unter Franz-Josef Strauß, entschloss, das System der vereinfachten Mehrwertsteuer einzuführen, wie es damals bereits in Frankreich und Dänemark praktiziert wurde. Dabei wird jede Ware, die den Verbraucher erreicht, mit einer gleichmäßig hohen Umsatzsteuer belastet, gleichgültig, wie viele Handelsstufen sie durchläuft. Bonn verordnete zunächst einen Steuersatz von zehn (ermäßigt fünf) Prozent. Seit 1983 gelten sieben und 14 Prozent, 19 Prozent haben wir seit dem 1. Januar 2007. Mehrwertsteuer wird in der gesamten EU erhoben, doch jedes Land bestimmt seine eigenen Sätze. Der Normalsteuersatz reicht von 17 Prozent (Luxemburg) bis 27 Prozent (Ungarn).
Fällig werden die 19 Prozent grundsätzlich beim Kauf aller möglichen Waren, seien es Möbel, Autos oder Kleidung. Aber in dem Wort „grundsätzlich" – Juristen ist das bestens bekannt – stecken alle möglichen Ausnahmen, wie zum Beispiel die Steuer für täglich benötigte Güter wie Lebensmittel. Auf diese fallen nur sieben Prozent an. Auch bei Waren, die der Bildung oder dem gesellschaftlichen Leben dienen, setzt der Staat eine geringere Abgabe an, etwa bei Büchern, Tickets für den öffentlichen Nahverkehr (erst seit Kurzem für den Fernverkehr) sowie bei Kunst- und Kulturangeboten. Also für eine Art Grundversorgung gibt es eine Ermäßigung – jeder soll seinen Kühlschrank füllen, Bus fahren, das Theater besuchen und Zeitung lesen können.
Ermäßigung für die Grundversorgung
Auch alle Dienstleistungen sind mehrwertsteuerpflichtig, vom Fliesenleger bis zum Schornsteinfeger, vom Frühstück im Hotel bis zum Friseurbesuch. 2009 genehmigte die Bundesregierung (damals schon unter Angela Merkel) eine Ausnahme, die als Mövenpicksteuer bekannt wurde: Seither sind für Hotelübernachtungen nur sieben Prozent fällig, für das Frühstück aber nach wie vor 19 Prozent. Es war der Sieg einer von FDP und CSU unterstützen Lobby – und zeigt, dass bei genügend Druck an dieser Steuer gedreht werden kann. Erst kürzlich wurde die Steuer für Binden und Tampons auf sieben Prozent ermäßigt, weil eine Initiative von engagierten Frauen deutlich machte, dass diese Artikel zum Grundbedarf gehören. Und die Debatte um Klimaschutz und Tierwohl lässt viele Politiker und Experten darüber nachdenken, einen erhöhten Satz für Fleisch zu verlangen.
Wo es einen Grundbedarf gibt, gibt es auch einen Luxusbedarf. Die Grenze dazwischen ist umstritten: Gehört Schokolade zum Grundbedarf und wird nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt, so unterliegen Obst- und Gemüsesäfte 19 Prozent. Das Umsatzsteuergesetz zählt insgesamt 54 Ausnahmen auf, für die der niedrige Satz von sieben Prozent gilt, darunter ganze Warengruppen wie „genießbare Früchte und Nüsse" oder alle Pektine (Geliermittel).
Dazu kommt, dass in unserer Gesellschaft so manches mittlerweile zum Grundbedarf erklärt worden ist, was früher eher die Ausnahme oder gehobener Bedarf war. Das geht bis vor Gericht: Laut Bundesfinanzhof gehören Milchersatzprodukte wie Sojamilch nicht zum Grundbedarf; Laktose-Allergiker blechen also den höheren Steuersatz. Dass digitale Bücher (wie das E-Book) 19 Prozent, aber gedruckte sieben Prozent Mehrwertsteuer kosten, war am Ende nicht zu halten. Im November wurde der Satz auf sieben Prozent vereinheitlicht.
Unser Mehrwertsteuerrätsel zählt einige Produkte auf, die mit unterschiedlichen Steuersätzen belastet werden. Finden Sie es heraus, die Lösung steht am Schluss des Textes auf dem Kopf.