Die „Eat! Berlin" behauptet sich als Gourmetfestival seit neun Jahren in der Stadt. Mit „österreichischer Sturheit", der Liebe zum guten Essen und Wein machte es Erfinder und Leiter Bernhard Moser möglich.
Am Zahlenfeuerwerk mangelt es der „Eat! Berlin" nicht: 72 Veranstaltungen, mehr als 100 Köchinnen und Köche, 30 Winzerinnen und Winzer, 700 Punkte im Gault-Millau und 55 Sterne des Guide Michelin vereinen sich in ihr. Das Feinschmecker-Festival läuft vom 20. Februar bis zum 1. März zum neunten Mal in Berlin und Potsdam. Inzwischen zählt es zu den größten Gourmetfestivals Deutschlands. Die Fans ungewöhnlicher Orte und Paarungen werden genau so viel zu entdecken haben wie diejenigen, die die Neugier auf sehr bekannte und ein bisschen weniger bekannte Köche von überall her antreibt.
Möglich macht das seit mehr als neun Jahren ein Mann in der Stadt, dem es weder an Vision und Durchhaltevermögen noch an Hartnäckigkeit mangelt: Festivalleiter und „Eat! Berlin"-Erfinder Bernhard Moser. Der 46-jährige Österreicher mit Berliner Wurzeln entwickelte die Idee zum Festival zu Zeiten, als die „neue Berliner Küche" gerade erst Fahrt aufnahm. „Um 2007 fing es an, dass sich eine coole Berliner Stilistik mit extrem guter Spaßküche herausbildete", erinnert sich Bernhard Moser, der seit 2001 in der Stadt lebt. Namen wie Marco Müller, Michael Kempf, Danijel Kresovic und Stefan Hartmann fallen. Sie waren oder sind immer wieder bei der „Eat! Berlin" dabei.
Moser selbst ist gelernter Koch und Kellner, Sommelier und Inhaber der „Weinschule Berlin". Er schrieb für die „Zitty" über Spitzengastronomie, bewertete Restaurants auf „Qype", dem Vorläufer-Portal von „Yelp", und er entwickelte ein Konzept für eine Art Gourmetclub. „Ein Teil davon sollte ein Festival sein." 2011 ging’s los mit der ersten „Eat! Berlin". Allerdings noch ruckelig: „Wir hatten 28 Events geplant. Davon haben wir die Hälfte abgesagt." Mit Marco Müller vom „Rutz" und Joschka Fischer zogen jedoch zwei nicht ganz Unbekannte einen Teil der gerade einmal 400 Festivalbesucher an. „Danach hieß es: Wenn die das machen, dann muss wohl doch was dran sein."
„2018 hat es so richtig Peng gemacht", sagt Moser. Das fand auch die Jury der „Berliner Meisterköche": Sie zeichnete Bernhard Moser kürzlich als „Gastronomischen Innovator 2019" aus. Die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop drückte ihren Zuspruch in Geld aus. Sie sagte eine zwei Jahre währende Förderung über 150.000 Euro zu. Das „Peng" lässt sich ebenfalls beziffern: Im Frühjahr 2019 ließen es sich knapp 8.500 Gäste in 76 Events schmecken. „Mehr Veranstaltungen sollten es nicht werden", sagt Moser. „Ich habe den Anspruch, zumindest kurz auf jedem Event zu sein." Das wurde in diesem Jahr schon zu einer echten Herausforderung und dürfte mit nun 72 Veranstaltungen im kommenden Jahr nicht weniger werden.
Abende mit Tim Raue oder Christian Bau schnell ausgebucht
„Wir wollen ja keinen davon abhalten, mitzumachen, der ins Konzept passt", sagt Moser. In diesem Jahr wird das etwa erneut „Kreuzberg kocht" sein. An den drei Abenden vom 21. bis zum 23. Februar lassen sich fünf Köche im „Schmelzwerk" in den Sarotti-Höfen am Mehringdamm in die Töpfe schauen: Herbert Beltle von der „Rotisserie Weingrün", Pasquale Ciccarelli aus der „Bar Centrale", Thomas Kurt vom ehemaligen „E.T.A. Hoffmann" und Dennis Liebermann vom „Braugasthaus Dolden Mädel" schauen bei Hausherr und Küchenchef Markus Herbicht herein. Für um die zehn Euro pro Gericht ist das ein sehr zugängliches Angebot, das zeigt, wie das kulinarische Kreuzberg tickt.
Herbert Beltle etwa war schon mit dem „Alten Zollhaus" am Landwehrkanal vor Ort, als Kreuzberg für vieles, aber nicht gerade für ausgefeilte Gastronomie bekannt war. Er gibt zum Jahresende das Haus an das „Rutz"-Team von Marco Müller ab. Der versprach eine „Baustellenparty" der besonderen Art bei der Programmvorstellung. Am 29. Februar gibt sein Team einen ersten „Einblick" mit fünf Gängen in das neue „Alte Zollhaus".
Herbert Beltle kümmert sich dieweil um den feinschmeckenden Nachwuchs. Beim „U30"-Dinner „Weingrün hinter den Ohren" sind am 21. Februar alle Menschen unter 30 Jahren dazu eingeladen, sich einem Drei-Gänge-Menü und an sechs Weinen für 30 Euro in der „Rotisserie Weingrün" zu erfreuen.
Der Blick auf die unterschiedlichen Formate lohnt sich. Manchmal ist Schnelligkeit gefordert. Abende mit Tim Raue und Günther Jauch wie der in der „Villa Kellermann" in Potsdam, die „Tour de Cuisine" mit einem Menü aus invasiven Arten oder „Bau.Steine statt Pflaster.Steine" mit Christian Bau bei Philipp Vogel im „Orania" waren bereits kurz nach dem Freischalten ausgebucht. Für das Dinner eines Gastkochs mit ziemlich weiter Anreise dagegen gibt es noch Plätze. Tim Raue empfängt in seinem Kreuzberger Restaurant am 22. Februar Abdullah Sobah, den „Best Chef of the Maledives". „Wir haben uns in meinem Urlaub dort kennengelernt, und ich finde ihn sympathisch", sagte Raue.
Charity-Dinner zugunsten der Potsdamer Tafel
Die buddhistische Nonne Jeong Kwan kommt aus noch etwas weiterer Entfernung, aus Korea ins „Kochu Karu". Chef José Miranda Morillo und Gastgeberin Bini Lee widmen sich bereits seit mehreren Jahren der von ihr inspirierten koreanischen Tempelküche, die um spanische Elemente ergänzt wird. Nach einem Dreh für „Chefs Table" wurde Jeong Kwan sehr bekannt; der Termin am 26. Februar war sofort ausgebucht. Nun gibt es zusätzlich einen zweiten am 25. Februar, bei dem auch alkoholfreie Getränke und das mehrgängige vegetarische Menü „ohne Zwiebeln und Knoblauch" serviert werden, wie Bini Lee erläutert: „Zwiebelgewächse würden die Meditation stören."
Gekocht wird bei der Messe „Eat! Berlin" traditionell auch an ungewöhnlichen Orten. Das Rote Rathaus, das Wrangelschlösschen, das Schlossparktheater, die Porzellanmanufaktur Hering, das Spionagemuseum, die Astor Film Lounge und die Schweizerische Botschaft öffnen dieses Mal ihre Pforten. Potsdam ist in das Festival eingemeindet. Neben der „Villa Kellermann" und dem „Bayrischen Haus" bietet das „Kochzimmer" am Neuen Markt am 21. Februar ein Charity-Dinner zugunsten der „Potsdamer Tafel" an. Patron Jörg Frankenhäuser bittet für 169 Euro zum sechsgängigen Menü mit Weinbegleitung „An die Tafel": „Nicht nur ein Euro, sondern 100 Prozent werden gespendet."
Die Schauspielerin Isabell Gerschke und ihr Kollege Thomas Arnold treten auf, rbb-Moderator Attila Weidmann wird durch den Abend führen. 1.200 der insgesamt 180.000 Potsdamer nutzen die Tafel, erzählte Jörg Frankenhäuser. Davon seien 20 Prozent Kinder. „Das ist zu viel." Er fordert alle Gäste auf, nach dem Dinner ordentlich weiter zu konsumieren: „Bei uns wird gesoffen!" Und zwar für den guten Zweck. Kinder, deren Eltern die 49 Euro für die Teilnahme zahlen können, dürfen bei der „Eat! Berlin" allerdings auch selbst kochen. Am 21., 22. und 29. Februar können Sieben- bis Zwölfjährige bei „Kinder, Kunst und Kulinarik" in Berlin echte „Cucina Italiana" mit frischer Pasta und Sauce zubereiten. Graphic Novels werden live dazu gezeichnet. Bernhard Moser hat nun die Protagonisten der „Eat! Berlin" 2020 im Kopf und sämtliche Termine im Kalender. Und wer weiß welche Chefs der Feinschmecker- und -trinker bereits für das übernächste Festival scannt: „Ich habe mir echt Erfahrung angegessen." Alle Drei-Sterner in Deutschland habe er besucht.
Für den einen oder anderen Degustationsabend in seiner eigenen Weinschule im historischen Bürgerhaus an der Wilmersdorfer Straße ist bis zum Festivalstart aber immer noch Luft. „An manchen Abenden koche ich auch selbst. Dann gern unkompliziert und geschmackvoll. Ich lege keine Blütchen mit der Pinzette an." Vielleicht ist das genau die praktische Entspannung für Bernhard Moser, die nötig ist, um mit „österreichischer Sturheit" die nächsten Ideen zu spinnen. An die erst niemand glaubt, die sich aber einmal mehr als Erfolg erweisen könnten.