Aber Russland bleibt außenpolitisch ein schwer einzubindender Partner
Immerhin: Man redet miteinander. Dass der Ukraine-Konflikt mit einem Federstrich gelöst wird, hatte niemand ernsthaft erwartet. Doch der Pariser Vierer-Gipfel mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Kanzlerin Angela Merkel, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj ist zumindest ein erster Schritt. Der Versuch, die Kriegs-Dynamik in eine Gesprächs-Dynamik zu drehen.
Das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass sich in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk seit 2014 ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüberstehen. Rund 13.000 Menschen sind nach UN-Schätzung bisher getötet worden.
Dass die Begegnung am Montag überhaupt stattfand, wird vor allem Selenskyj zugeschrieben. In Berliner Regierungskreisen ist von einer „neuen Bewegung" die Rede. Der frühere TV-Komiker habe durch seinen unkonventionellen Politik-Stil die Fronten aufgelockert, heißt es.
Aber auch Putin hat seine Beton-Position aufgeweicht. Das liegt bis zu einem gewissen Grad an Macrons Charme-Offensive Richtung Moskau. Angesichts des politischen und wirtschaftlichen Duells der Großmächte USA und China sucht der Franzose nach einer Stärkung der EU – und umwirbt den Kreml. Russland sei „Partner" und „Nachbar", der „zu Europa gehört", so Macron. Putin, der den Europäern immer wieder eine „Vasallennähe" zu den Amerikanern angekreidet hatte, kommt dies entgegen. Das mag dazu beigetragen haben, seine Konfrontationshaltung gegenüber der Ukraine zu entschärfen. Natürlich verfolgt er das strategische Ziel, die internationalen Sanktionen im Zuge der Krim-Annexion wegzubekommen.
Beim Pariser Vierer-Gipfel wurde immerhin eine Reihe von punktuellen Fortschritten erreicht. Dazu gehören eine vollständige Waffenruhe bis zum Ende des Jahres, ein weiterer schrittweiser Rückzug der Truppen und ein großer Gefangenenaustausch.
Doch der Schlüssel zur Lösung des Ukraine-Konflikts ist das Minsker Abkommen vom Februar 2015. Es sieht einen Waffenstillstand, einen zunächst vorläufigen Sonderstatus für die selbst ernannten prorussischen „Volksrepubliken" Donezk und Luhansk vor, dann Kommunalwahlen, eine endgültige Autonomie des Donbass sowie die Kontrolle der ukrainischen Kräfte bis an die russische Grenze. Die Krux besteht darin, dass es keine genauen zeitlichen Festlegungen gibt.
Bei der Interpretation des Minsker Vertrags liegen Ukrainer und Russen allerdings noch weit auseinander. Selenskyj bekräftigte, ein Autonomiegesetz komme erst infrage, wenn alle russischen Söldner abgezogen und alle Separatistenmilizen im Donbass entwaffnet seien. Für Moskau war dies bislang tabu. Am Anfang des Prozesses müsse ein Autonomie-Status mit weitgehenden Rechten für den Donbass stehen, heißt es im Kreml. Darüber hinaus müsse Kiew mit den Vertretern der „Volksrepubliken" reden. Das wiederum lehnt Kiew ab.
In der Bundesregierung macht man sich keine Illusionen, dass sich Putin vom Saulus zum Paulus gewandelt habe. Der russische Präsident wolle auch in Zukunft in der Ostukraine einen Fuß in der Tür haben, räumen Experten im Kanzleramt und im Außenministerium ein. Der Kremlchef denkt in Einflusssphären. Skeptiker werfen ihm vor, die Ukraine zu destabilisieren, um eine zu starke Annäherung des Landes an EU und Nato zu verhindern.
Hinzu kommt, dass der Mord an einem Georgier im Berliner Tiergarten zu einer diplomatischen Krise zwischen Berlin und Moskau geführt hat. Der Generalbundesanwalt hatte die Ermittlungen übernommen – wegen des Verdachts, dass staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien den Mord in Auftrag gegeben haben. Putin bezeichnete den getöteten Georgier als „Banditen" und kündigte die Ausweisung von zwei deutschen Diplomaten aus Moskau an. Eine Retourkutsche, nachdem das Außenministerium zuvor bereits zwei Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes GRU zu „unerwünschten Personen" erklärt hatte.
Russland bleibt außenpolitisch ein schwer einzubindender Partner. Das Land, das in etwa das Bruttoinlandsprodukt von Italien erzielt, kommt wirtschaftlich und sozial nicht voran. Diese Defizite versucht Putin zu kompensieren, indem er eine mit skrupelloser Machtpolitik unterfütterte Hauptrolle auf der internationalen Bühne spielt.