Warum der gesellschaftliche Zusammenhalt wirklich gefährdet ist
Na, was bekommt der Enkel diesmal zu Weihnachten? Wie wäre es mit einem hübschen Kriegsspiel? Dann läuft am Heiligen Abend der Fernseher, und ein Pfarrer spricht vom „Frieden auf Erden", während der Kleine im Wohnzimmer schon mal virtuell die ersten Granaten abfeuert.
Ist das zu zynisch? Ach was. Loriot hat das vor Jahrzehnten schon mit einem Atomkraftwerk zum Thema gemacht. Inzwischen hat uns die Realität eingeholt. Woran mag es liegen, dass es viele Aufstände gibt, dass immer mehr Faschisten mit ihrem Gegröle Anhänger gewinnen?
Die Gründe sind vielfältig. Ein Grund: Vielen Menschen ist das Urvertrauen abhandengekommen. Einer Studie zufolge trauen in diesem Land nur noch 24 Prozent der Bundesregierung. Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei in Gefahr, unken besorgte Politiker in den TV-Quasselrunden. Tja, an wem das wohl liegt?
Es gibt viele Vorfälle, die halbwegs denkende Menschen an der Glaubwürdigkeit etlicher Protagonisten zweifeln lassen. Da wird ein ehemaliger Grundschullehrer aus Goslar Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Alles deutet darauf hin, dass dieser Mann vor allem die Interessen des Militärs und der Wirtschaft vertreten wird – und wohl weniger das Wohl der Wähler.
Getrieben von den Lobbyisten wird der Bundestag zum Kindergarten. Lange wurde um die Grundrente gestritten, und viele arme Rentner haben das gar nicht mitbekommen, weil sie während der Nachrichten Leergut sammelten. Dabei fällt ihnen vielleicht eine bunte Tageszeitung in die Hände, die ihnen rät, das Pfandgeld in Aktien anzulegen. Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich der Letzte veräppelt vorkommt.
Spürbar ist auch, dass im Alltag nicht mehr vertraut werden kann. Früher zahlte man fürs Telefon eine Gebühr an die Post, und gut war es. Inzwischen wollen die Raubritter der Globalisierung an die letzten Ersparnisse, die ohnehin keine Zinsen bringen. Wer nicht aufpasst, dem wird ein Knebel-Vertrag untergejubelt. Für Service muss extra bezahlt werden. Unternehmen haben Dienstleistungen auf ihre Kunden abgewälzt.
Je mehr Konzerne uns mit fast kriminellen Methoden drangsalieren, desto häufiger ist von den ökonomisch abhängigen Politikern das Wort „Freiheit" zu hören. Also haben wir die Freiheit, von unseren Steuergeldern die Kosten für eine irrsinnige Maut zu bezahlen, die nie kommen wird.
Wir haben die Freiheit, uns im Internet zu tummeln. Das ist eine höchst riskante und zumeist teure Angelegenheit. Deshalb gibt ein großer Verlag für Computernutzer die Zeitschrift „Sicher leben" heraus. Witzig ist nur, dass es dieses Blättchen auch gedruckt gibt.
Außer „Freiheit" sind auch Redewendungen zu Floskeln geworden. „Wir müssen das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Wir müssen die Menschen mitnehmen." Letzteres verbitten wir uns. Wir haben die Freiheit, dorthin zu gehen, wohin wir wollen. Und sei es wie Weihnachten in eine Kirche.
Wobei wir bei einer weiteren Institution wären, die für Vertrauensverlust verantwortlich ist. Die Gläubigen haben finanzielle Schmutzeleien ja noch ertragen. Aber die Missbrauchsskandale der Kirchen haben Gutwillige bis ins Mark getroffen. Der Jesuitenpater Klaus Mertes spricht über die katholische Kirche von einem „falschen Verständnis von Macht". Überall haben sektiererische Gruppen Zulauf, und es ist kein Wunder, dass es Verbindungen zu den Neonazis gibt.
Es ist keine Frage, ob Männlein und Weiblein eine Ehe bilden oder zwei gleichgeschlechtliche Wesen. Das Grundübel ist ein anderes. In dieser Cyberwelt kann der jeweilige Partner wie mit einem Putzlappen weggewischt werden. „Tinder" sorgt dafür, dass ein anderer Mensch respektlos behandelt wird. Wenn es dann doch schnackelt, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis das Vertrauen abhanden kommt. Vielleicht sollte an den Festtagen das Kirchenlied „Vertraut neuen Wegen" gespielt werden. Hinwendung zu einer höheren Macht, die Christen Gott nennen. Und wenn die Welt voll Teufel wäre (Luther) – der enttäuscht nie.