Bei einem Unglück in Brasilien kamen mindestens 248 Menschen ums Leben, 22 weitere wurden auch ein halbes Jahr später noch vermisst. Dabei hätte die Katastrophe wohl verhindert werden können. Ein Prüfer des Tüv Süd soll schon frühzeitig Zweifel an der Stabilität des Damms angemeldet haben.
Nach dem verheerenden Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien wollen die Ermittler die Verantwortlichen der Katastrophe zur Rechenschaft ziehen. Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Minas Gerias vernahm mehrere festgenommene Mitarbeiter des Bergbaukonzerns Vale. Die Ermittler interessierte vor allem, ab wann die Manager und Techniker Kenntnis von dem schlechten Zustand des Damms hatten, berichtete das Nachrichtenportal G1.
Der Damm an der Mine Córrego do Feijão war am 25. Januar gebrochen. Eine Schlammlawine rollte über Teile der Anlage und benachbarte Siedlungen nahe der Ortschaft Brumadinho hinweg und begrub Menschen, Häuser und Tiere unter sich. Insgesamt ergossen sich rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm auf eine Fläche von etwa 290 Hektar. 248 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, 22 weitere werden noch Monate später vermisst. Dabei wäre die Katastrophe möglicherweise zu verhindern gewesen.
Staatsanwaltschaft bezweifelt Unfall
„Das war kein Unfall", sagte William Garcia Pinto Coelho von der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Minas Gerias. Noch im vergangenen Jahr hatte das Münchener Unternehmen Tüv Süd im Auftrag des Minenbetreibers Vale den Damm zweimal geprüft und offenbar für den Betrieb notwendige Zertifikate ausgestellt. „Wir haben Beweise gefunden, die sehr überzeugend belegen, dass es sich nicht um einen Unfall handelte", sagte Ermittler Coelho. „Die Mitarbeiter von Vale und Tüv Süd hatten Zugang zu Informationen, die den kritischen Zustand des Damms belegten. Sie haben das Risiko eines Bruchs und damit den Tod von Hunderten von Menschen in Kauf genommen."
Dabei soll zumindest ein Prüfer der brasilianischen Tochter von Tüv Süd schon frühzeitig Bedenken über die Sicherheit und Stabilität des Damms angemeldet haben. Allerdings habe der Ingenieur sich unter Druck gesetzt gefühlt, das Zertifikat zu unterschreiben, berichtete die Zeitung „O Globo" unter Berufung auf die Vernehmungsprotokolle. Offenbar befürchtete der Mann, Tüv Süd könnte Vale als Kunden verlieren, wenn das Unternehmen kein Sicherheitszertifikat ausstellte. Die Staatsanwaltschaft sah sogar Hinweise auf Absprachen zwischen Vale und dem Tüv Süd. „Es wurden große Anstrengungen unternommen, um die Zahlen so hinzubiegen, dass sich die kritische Situation nicht in einer negativen Beurteilung über die Stabilität des Damms widerspiegelt", sagte Ermittler Coelho.
Als Folge durfte die brasilianische Tochter des Tüv Süd in dem südamerikanischen Land vorerst keine Sicherheitszertifikate für Dämme mehr ausstellen. Zudem wurden Mitte Mai 60 Millionen Reais (etwa 13,3 Millionen Euro) des Unternehmens eingefroren, um mögliche Schadenersatzforderungen zu begleichen, wie ein Gericht im Bundesstaat Minas Gerais entschied. Das brasilianische Tochterunternehmen des Tüv Süd hatte den Damm 2018 im Auftrag des Minenbetreibers Vale geprüft und das Rückhaltebecken für Erzrückstände für tauglich gefunden. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft wurde das Zertifikat jedoch ausgestellt, obwohl dem Tüv der schlechte Zustand der Anlage und das Risiko bewusst waren.
2,5 Milliarden Euro an Entschädigungen
Knapp ein halbes Jahr nach dem Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien hat der Bergbaukonzern Vale Schadensersatzzahlungen von insgesamt knapp 95 Millionen Euro für die Angehörigen der mehr als 200 Todesopfer angekündigt. Darauf habe sich das Unternehmen mit dem Arbeitsministerium des Bundesstaates Minas Gerais geeinigt, teilte Vale mit. Ein brasilianisches Gericht hatte geurteilt, Vale müsse alle entstandenen Schäden beheben. Die Justiz hatte für etwaige Schadensersatzzahlungen, auch für die negativen Folgen für die Umwelt und die lokale Wirtschaft, Vermögenswerte des Konzerns in Höhe von elf Milliarden Reais (umgerechnet 2,5 Milliarden Euro) blockiert. Eltern, Ehepartner, Lebensgefährten und Kinder der Todesopfer sollen Vale zufolge jeweils 500.000 Reais (etwa 118.000 Euro) bekommen, hinzu kämen 200.000 Reais von einer Arbeitsunfallversicherung. Geschwistern der Opfer würden 150.000 Reais gezahlt. Der Bergbaukonzern kündigte außerdem monatliche Zahlungen für die Ausbildung der Kinder der Toten bis zum Alter von 25 Jahren an.