Nach einem harten Einsatz und vielen Versprechen war Mitte Juli der Weg für Ursula von der Leyen an die Spitze der Europäischen Kommission frei. Nicht minder überraschend war die Ernennung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Verteidigungsministerin.
Paukenschlag im Juli: Ursula von der Leyen wird die neue Präsidentin der EU-Kommission. Die CDU-Politikerin wurde Mitte Juli im Europaparlament mit einem äußerst knappen Ergebnis in das Amt gewählt: Sie erhielt 383 Stimmen – die nötige absolute Mehrheit lag bei 374, wie Parlamentspräsident David Sassoli mitteilte. Tags zuvor hatte von der Leyen in Berlin ihren Rücktritt als Ministerin angekündigt, um sich voll der Aufgabe in Brüssel zu verschreiben. Ihre Nachfolgerin im Amt der Verteidigungsministerin wurde überraschend CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, der Kritiker anschließend erneuten Wortbruch vorwarfen. AKK hatte zuvor immer wieder geäußert, kein Ministeramt annehmen zu wollen. Bis zuletzt galt eigentlich Gesundheitsminister Jens Spahn als Favorit auf die Nachfolge von der Leyens. Aber wie schon beim Rennen um den CDU-Vorsitz rückte die Merkel-Vertraute Kramp-Karrenbauer auf.
Verteidigungsministerium war selten Karrieresprungbrett
Beim Blick auf ihre Vorgänger an der Spitze des Verteidigungsministeriums sind Zweifel erlaubt, ob dieser Schritt der richtige war. Ein Sprungbrett ins Kanzleramt ist das Verteidigungsministerium nicht gerade. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen (beide CDU) galten alle einmal als mögliche Nachfolger von Angela Merkel – und wurden es dann doch nicht. Und nur von der Leyen, die jetzt als EU-Kommissionspräsidentin gewählt wurde, hat es danach bis in ein höchstes Amt geschafft. Öfter aber wurden in der Vergangenheit die Weichen in Richtung Karriereende gestellt.
Die 60-Jährige Ursula von der Leyen trat am 1. November die Nachfolge des Luxemburgers Jean-Claude Juncker an – als erste Frau in dieser Position. Erstmals seit Walter Hallstein erobert zudem ein Politiker aus Deutschland das Amt. Als Kommissionspräsidentin kann von der Leyen in den nächsten fünf Jahren politische Linien und Prioritäten mitbestimmen. Sie ist Chefin von mehr als 30.000 Mitarbeitern in der Kommission. Diese ist dafür zuständig, Gesetzesvorschläge zu machen und die Einhaltung von EU-Recht zu überwachen. Sie bestimmt damit auch den Alltag der gut 500 Millionen Europäer mit.
Vor der Abstimmung im Straßburger Europaparlament hatte es sehr viel Unmut gegeben, weil von der Leyen keine Spitzenkandidatin zur Europawahl war. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten die Spitzenkandidaten Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei und Frans Timmermans von den Sozialdemokraten übergangen und stattdessen von der Leyen als Überraschungskandidatin präsentiert. Die SPD-Europaabgeordneten, die Grünen und die Linken hatten deshalb – und auch wegen inhaltlicher Differenzen – ein Nein angekündigt. Doch signalisierten die EVP, die Liberalen und die Mehrheit der Sozialdemokraten bereits vor der geheimen Abstimmung Unterstützung. Die rechtsnationale EKR, die von der Leyen ursprünglich ebenfalls Stimmen in Aussicht gestellt hatten, konnte sich letztlich nicht einigen und gab die Abstimmung frei.
„Führungsrolle in der Welt übernehmen"
Ihre politischen Leitlinien legte von der Leyen in einem mehr als 20-seitigen Dokument dar, das am 16. Juli zur Parlamentsabstimmung veröffentlicht wurde. Es trägt die Überschrift „Eine Union, die mehr erreichen will – Meine Agenda für Europa". Arbeitsschwerpunkte darin sind unter anderem der Klimaschutz, die Wirtschafts- und Migrationspolitik sowie die Rolle der EU in der Welt. „Ich sehe die kommenden fünf Jahre als Chance für Europa – um zu Hause über sich hinauszuwachsen und damit eine Führungsrolle in der Welt zu übernehmen", schreibt von der Leyen darin.
In der Debatte hatte es einigen Zuspruch für von der Leyen, aber auch drastische Kritik gegeben. Bis zuletzt war nicht ganz sicher, ob die Mehrheit zustande kommen würde. Die 16 SPD-Europaabgeordneten wollten auch nach der Rede bei ihrem Nein bleiben. Ein Schreiben der CDU-Politikerin an die Fraktion habe zwar viele Forderungen der Sozialdemokraten aufgenommen, sagte der deutsche Gruppenchef der Sozialdemokraten, Jens Geier. Die Ankündigungen würden aber mit Skepsis gesehen. Letztlich signalisierten vor der Abstimmung aber etwa 100 der 153 Abgeordneten Zustimmung, also rund zwei Drittel.