Der Freitod von Jeffrey Epstein in New York lässt frustrierte mutmaßliche Opfer zurück. Sie hoffen allerdings weiter auf Gerechtigkeit. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die Frau, die seinen Sexhandelsring ermöglicht haben soll. Offenbar müssen auch so manche Prominente zittern.
Die beiden unscheinbaren Buchstaben „JE" hängen noch immer neben einer übergroßen Eingangstür. Als wären sie nötig, um irgendjemandem in der noblen Upper East Side in Manhattan klarzumachen, wer hier gewohnt hat. Anfang Juli war Epstein auf dem Weg hierher, als er auf einem Flughafen in New Jersey verhaftet wurde. Ihm war von der Staatsanwaltschaft der US-Metropole vorgeworfen worden, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben. Zudem baute der 66-jährige Geschäftsmann laut Anklageschrift zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen Missbrauchsring auf. Am 10. August nahm er sich dem offiziellen Obduktionsbericht zufolge in seiner Zelle das Leben. Gerichtsmedizinerin Barbara Sampson in New York schloss Fremdeinwirkung aus.
Nach Epsteins Tod hatten einige Verschwörungstheoretiker behauptet, der Multimillionär sei ermordet worden. Epsteins Anwälte waren „mit den Schlussfolgerungen der Gerichtsmedizin nicht zufrieden", teilten sie in einem Schreiben mit und wollten eine eigene Prüfung der Todesumstände vornehmen lassen.
Gefängniswärter wurden angeklagt
Der Selbstmord war Medienberichten zufolge deshalb möglich geworden, weil Epsteins Wächter trotz eines offenbar vorausgegangenen Suizidversuchs zwei Wochen zuvor ihre Aufsichtspflicht verletzt hatten. Statt wie vorgeschrieben alle 30 Minuten nach dem Inhaftierten zu schauen, hätten die beiden Beamten in der Gefängniseinheit Epsteins Zustand für rund drei Stunden nicht kontrolliert, hatte die „New York Times" berichtet. Epstein nahm sich mutmaßlich in dieser Zeit das Leben. Der 66-Jährige wurde von Mitarbeitern der Haftanstalt gefunden und später in einem Krankenhaus für tot erklärt worden. Der Direktor der Haftanstalt wurde auf Veranlassung von Justizminister William Barr versetzt. Barr hatte „schwere Unregelmäßigkeiten" in der Haftanstalt beklagt und eine gründliche Untersuchung des Falles versprochen.
Mitte November wurden die beiden Gefängniswärter, die in der Nacht seines Todes auf den US-Unternehmer Jeffrey Epstein aufpassen sollten, wegen der Fälschung von Dokumenten angeklagt. Die beiden Wärter hätten nicht wie vorgegeben jede halbe Stunde nach Epstein geschaut. Statt dessen hätten sie an ihren Arbeitsplätzen gesessen, im Internet gesurft oder sich in ihrem Aufenthaltsbereich bewegt – und später dann Dokumente gefälscht, um ihr Fehlverhalten zu überdecken.
Der ehemalige Investmentbanker Epstein war den Mächtigen nahe und besaß mindestens eine halbe Milliarde Dollar. Er flog mit seinem Jet umher, nach Florida in seine Villa in Palm Beach oder auf seine private Karibikinsel Little St. James. Seine Boeing 727 bekam den Spitznamen „Lolita Express", Little St. James wird oft „Insel der Pädophilen" genannt. Epstein zeigte sich gern öffentlich mit Politikern und Prominenten. Er hatte unter anderem – zumindest zeitweise – Kontakte zum heutigen Präsidenten Donald Trump, zu Ex-Präsident Bill Clinton und zu Prinz Andrew aus Großbritannien (siehe Dezember). US-Medien spekulieren, dass ein Prozess weitere Prominente schwer belastet hätte. Laut der „New York Post" hatte Epstein zwei Tage vor seinem Suizid ein Testament aufgesetzt. Das Dokument, das auf den Virgin Islands eingereicht worden sei, beziffert Epsteins Vermögen auf rund 578 Millionen US-Dollar (rund 521 Millionen Euro), schrieb die „Post". Die Zeitung hatte das Dokument im Netz veröffentlicht. Begünstigte seien darin nicht aufgeführt, hieß es weiter. Das Testament sei am 8. August von Epstein unterzeichnet worden.
Suche nach Epsteins rechter Hand
Epstein war in den USA zum Symbol einer wohlhabenden Elite gworden, die mit allem durchkommt. Schon 2008 stand er in Florida vor Gericht. Doch obwohl damals 24 minderjährige Mädchen Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben, kam Epstein durch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft mit einer Haftstrafe davon, die viele für einen Skandal hielten. Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er wieder frei.
Nach seinem Tod konzentrieren sich die Erittlungen auf eine langjährige Freundin und Partnerin von Epstein: Ghislaine Maxwell. Die Britin ist die Tochter des steinreichen Verlegers Robert Maxwell und kam Anfang der 90er-Jahre nach New York. Sie traf Jeffrey Epstein und soll zeitweise seine Freundin gewesen sein. Das Umfeld Epsteins beschreibt ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter, bester Freundin und rechter Hand. Die 57-Jährige gilt als die wohl wichtigste Komplizin Epsteins. Amerikanischen Medienberichten zufolge hat sie sich mehrfach entschieden gegen Vorwürfe gewehrt. Mehrere mutmaßliche Opfer werfen ihr vor, im Zentrum des Prostitutionsrings zu stehen, Mädchen für Epstein rekrutiert zu haben und sich auch selbst am Missbrauch beteiligt zu haben. Eines der mutmaßlichen Opfer gab an, sie sei als Epsteins „Sexsklavin" von Maxwell angeworben worden.
Diese Informationen stammen aus Akten von einem Prozess, der mit dem Fall Epstein zusammenhängt. Öffentlich gemacht wurden sie kurz vor Epsteins Tod. Dass Epstein in der folgenden Nacht starb, ist für viele kein Zufall.