Uli Hoeneß fühlt sich an seinem Abschiedsabend als Bayern-Präsident „sauwohl" – bis einige Mitglieder ans Rednerpult treten. Sein Nachfolger verfolgt einen anderen Führungsstil.
Uli Hoeneß hatte sein neues Leben als Ex-Präsident des FC Bayern gerade erst begonnen, da schaltete er schon wieder in den Angriffsmodus. Der 67-Jährige hatte eben noch nicht „fertig", wie er es zuvor bei seinem vom Verein aufwendig inszenierten Abschied aus der ersten Reihe des deutschen Fußball-Rekordmeisters verkündet hatte. In der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Nachfolger Herbert Hainer im Anschluss an die Jahreshauptversammlung Mitte November ging Hoeneß nach Mitternacht auf jene Mitglieder los, die ihn mit Unmutsäußerungen zur Trainerfrage, Sportdirektor Hasan Salihamidzic, Transfers oder auch der Zusammenarbeit mit dem Wüstenstaat Katar verstimmt hatten. Sie torpedierten Hoeneß’ Wohlfühlabend, obwohl ihn persönlich – anders als im Vorjahr – niemand attackierte. „Ich habe mich so sauwohl gefühlt, und dann fangen diese Wortmeldungen an. Bis dahin war das eine super Veranstaltung. Und dann lassen wir uns von ein paar Krakeelern die ganze Sache beschädigen unter dem Deckmantel Demokratie, freie Meinungsäußerung", polterte Hoeneß. Den „20, 30, 50" Störenfrieden und Unzufriedenen rief er später via Medien seine Botschaft zu: „Bleibt doch zu Hause! Gebt eure Mitgliedschaft zurück!" Es sei keiner gezwungen, Bayern-Mitglied zu sein.
Nachfolger Hainer nahm das Thema nicht auf und dokumentierte damit gleich einen anderen Führungsstil beim deutschen Branchenführer. Die Abteilung Attacke verkörpert der Niederbayer, für den 98 Prozent der 6.091 Mitglieder votierten, nicht. „Ich bin jetzt 65 und werde mich nicht mehr verändern. So, wie ich 15 Jahre Adidas geführt habe, werde ich auch versuchen, den FC Bayern zu führen." Auf Hainers Antrag wurde der Vereinspatron nach fast fünf Jahrzehnten als Spieler, Manager, Präsident und Aufsichtsratschef zum sechsten Ehrenpräsidenten des FC Bayern ernannt.
An Hoeneß lässt sich gut die Entwicklung des Fußballs ablesen. Als junger Manager setzte er gezielt auf „Polarisierung". Hoeneß erkannte Trends. Er hatte Visionen. Das Geldverdienen lag ihm als Schwabe im Blut. Mit zwölf Millionen Mark Umsatz und sieben Millionen Schulden legte er als 27-Jähriger beim FC Bayern los. 40 Jahre später kann der Bundesliga-Krösus einen Rekordumsatz von 750,4 Millionen Euro und einen Rekordgewinn nach Steuern von 52,5 Millionen Euro vorweisen. „Ich wollte meine Position aufgeben in einem super Zustand des FC Bayern", betonte Hoeneß. Aber die Zeiten haben sich verändert. Man muss Dinge machen, die seien „gewöhnungsbedürftig". Im Fußball mischen neue Player mit. Investoren, Firmen und sogar Staaten, denen es nicht in erster Linie um den Sport geht. Fans sind längst zu Kunden geworden. Topspieler kosten 100 Millionen Euro und mehr.
Er wirkt bisweilen wie aus der Zeit gefallen
Hoeneß hat die Fußballszene gespalten. Er hat zahlreiche Fehden ausgetragen, aber auch Retterspiele für Vereine wie den Klassenfeind FC St. Pauli initiiert. Er war in der Not da für Ex-Mitspieler wie Gerd Müller oder Sepp Maier, sein soziales Engagement ist groß. Der Spagat zwischen Tradition und Moderne war ihm stets wichtig. Kurz vor Weihnachten besuchen die Bayern-Profis auch heute noch Fanclubs. Hoeneß wirkt bisweilen aus der Zeit gefallen. Die Sprache ist roher geworden, das einst untrügliche Gespür für Trends und Attacken hat ihn häufiger verlassen.
Immerhin: Die Weichenstellung bei seinem Lebenswerk scheint ihm gelungen. Vor allem der Coup mit Oliver Kahn, dem designierten Vorstandschef. Er fängt am 1. Januar als Vorstandsmitglied an, Ende 2021 soll er Karl-Heinz Rummenigge (64) an der Spitze ablösen.
Am 10. Dezember wurde Sportdirektor Hasan Salihamidzic vom Aufsichtsrat des Fußball-Rekordmeisters von 1. Juli 2020 an in den Vorstand berufen. Der ehemalige Profi ist seit August 2017 Manager bei den Münchnern; seine anstehende Beförderung war zuletzt bereits verkündet worden. Eine Vertragslaufzeit mit dem 42-Jährigen wurde nicht kommuniziert. Auf der Sitzung wurde zudem Vereinspräsident Herbert Hainer zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats bestimmt. Die Wahl fiel wie bei Salihamidzic einstimmig aus, hieß es. Der 65 Jahre alte Hainer folgt auf Uli Hoeneß, der zum Stellvertreter im Kontrollgremium gewählt wurde. Bei den Bayern ist traditionell der Clubpräsident auch Chef des Aufsichtsrates, daher war die Wahl Hainers keine Überraschung.