In seinem jüngsten Sonderbericht warnt der Weltklimarat vor allem vor einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels, einer verheerenden Gletscherschmelze und den Gefahren des Auftauens der Permafrostböden.
Treibhausgase haben unsere Welt im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits um ein Grad Celsius erwärmt. Dieser Temperaturanstieg hat zwangsläufig gravierende Folgen für die Ozeane, die immerhin 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken. Schließlich haben die Meere gut 90 Prozent der Wärme absorbiert, die der Mensch dem Klimasystem durch die Produktion von Kohlendioxid zugeführt hat. Zusätzlich haben die Ozeane bis zu 30 Prozent der CO2-Emissionen gespeichert. Zwar haben die Meere dadurch bislang die Folgen des menschengemachten Klimawandels abpuffern können, allerdings für einen aus ökologischer Sicht eminent hohen Preis. Sie haben sich dabei selbst erwärmt, sind sauerstoffärmer und saurer geworden. Das Absinken des pH-Wertes ist dabei der Umwandlung des Kohlendioxids in Kohlensäure geschuldet. Viele Lebewesen müssen versuchen, sich den gewandelten Bedingungen anzupassen, beispielsweise durch Abwanderung in kühlere Regionen. Es besteht die Gefahr, dass das marine Ökosystem sich grundlegend verändern wird, wovon nicht nur die darin beheimateten Lebewesen direkt betroffen sein werden, sondern auch die davon abhängige Menschheit.
Dass der Klimawandel neben der Erwärmung der Meere auch zu einem immer schnelleren Abschmelzen der beiden Eisschilde der Erde in der Antarktis und auf Grönland zu einem scheinbar unaufhaltsamen Verlust des Gletschereises in den Bergregionen sowie zum Auftauen von Permafrostböden und dem damit verbundenen Freisetzen gigantischer Mengen an CO₂ und Methan geführt hat, ist längst kein Geheimnis mehr. Und doch hat der aktuelle, vom Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) der Vereinten Nationen veröffentlichte Sonderbericht weltweit für großes Aufsehen gesorgt. Darin wurden mit großer Akribie in zweijähriger Arbeit mehr als 7.000 Studien ausgewertet und der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst.
Meeresspiegelanstieg: Eine der neuesten Projektionen des Sonderberichts ist der zu erwartende und immer schneller verlaufende Anstieg des Meeresspiegels. Dieser ist seit 1993 im Schnitt schon um jährlich 3,15 Millimeter gestiegen, was dem verstärkten Schmelzen der Eisschilde und Gletscher und dem daraus resultierenden Anschwellen der Ozeane geschuldet ist. Im Worst Case, wenn also weiterhin ungebremst Treibhausgase emittiert werden und der Temperaturanstieg bis zu 4,3 Grad betragen sollte, rechnen die Wissenschaftler mit einem Anstieg zwischen 0,61 und 1,1 Meter. Statt Anstiegssprüngen im Millimeter-Bereich würde der Meeresspiegel sich dann jährlich um mehrere Zentimeter erhöhen. Und im 22. Jahrhundert würde sich dieser Prozess weiter fortsetzen. Weniger als 50 Zentimeter könnte der Anstieg hingegen betragen, wenn die Vorgaben der Pariser Klimakonferenz durch drastische Emissionssenkungen erreicht werden könnten. Aber selbst in diesem Fall, bei extrem reduzierten Emissionen und einem prognostizierten Pegelanstieg von 26 bis 53 Zentimetern, wären noch immer 280 Millionen Menschen in Küstenregionen betroffen. Wobei der Schutz vor einem erhöhten Meeresspiegel kein technisches, sondern in erster Linie ein finanzielles Problem darstellt, das reiche Staaten lösen können – vor allem angesichts gigantischer Flutwellen. Die könnten sogar jährlich auftreten und durch Mega-Wirbelstürme und stärkere Regenfälle noch potenziert werden.
Im Worst Case bis zu 1,1 Meter Anstieg
Der Meeresspiegelanstieg wird sich global nicht überall gleich niederschlagen, weil beispielsweise Meeresströme die Wärme unterschiedlich verteilen und sich das Wasser deshalb in manchen Regionen mehr, in anderen dagegen weniger stark ausdehnt. Es werden also nicht alle der derzeit 680 Millionen in niedrig gelegenen Küstenregionen weltweit lebenden Menschen gleichermaßen stark betroffen sein. Laut einer jüngst im Fachmagazin „Nature" veröffentlichten Studie der US-Nichtregierungsorganisation Climate Central werden vor allem die Küstenregionen von China, Bangladesch, Indien, Vietnam, Indonesien und Thailand, wo derzeit 250 Millionen Menschen leben, vom Meeresanstieg besonders betroffen sein. Deren Heimat wird bis 2100 dauerhaft unter Wasser stehen. Auch großen Teilen der deutschen Nordseeküste droht Ungemach.
Eisschildschmelze: Zum rasanten Anstieg des Meeresspiegels tragen neben der Erderwärmung vor allem auch die Schmelzprozesse in den beiden großen Eisschilden der Erde bei. Vor allem die südliche Antarktis wird zu den gefährlichen Kipp-Elementen des Klimasystems gezählt. Wenn hier durch einen zu hohen Temperaturanstieg riesige Eismassen instabil werden und ins Meer fließen, könnte der Meeresspiegel sogar um bis zu drei Meter ansteigen. Allerdings ist nicht voraussehbar, ob und wann das geschehen könnte. Komplett werden diese Massen selbst im Worst Case bis 2100 nicht abschmelzen können. Aber der Eisverlust in der Antarktis ist jetzt schon sehr groß. Zwischen 1992 und 2001 betrug der Schwund im Schnitt 147 Gigatonnen pro Jahr, zwischen 2006 und 2015 waren es schon 155 Gigatonnen jährlich. Vor allem die zwei Kilometer dicke Eiszunge Pine-Island-Gletscher wird von Forschern sehr aufmerksam beobachtet, weil sie im weltweiten Vergleich am meisten Masse verliert.
Auf Grönland schmilzt das Eis sogar noch schneller als anderswo, weil dort der Temperaturanstieg doppelt so hoch ist wie in Mitteleuropa. Laut dem IPCC-Bericht trägt Grönlands schmelzender Eisschild daher derzeit noch mehr zum Meeresspiegelanstieg bei als die entsprechenden Prozesse in der Antarktis. Der starke Zustrom von geschmolzenem Süßwasser aus den Eisschilden (und den Gletschern) kann laut vielen Forschern zudem zu einer Schwächung des Golfstroms führen. Diesbezüglich sind aber noch jede Menge Fragen ungeklärt. Deshalb haben sich die IPCC-Wissenschaftler mit einem finalen Urteil noch zurückgehalten. Aber immerhin haben sie es gewagt, selbst bei einer Erwärmung im Zwei-Grad-Celsius-Bereich eine Verdoppelung der „El Niño"-Wetterphänomene mit den typischen Überschwemmungen an der Westküste Nord- und Südamerikas sowie Trocken- und Hitzeperioden in Südostasien vorauszusagen. Und darüber hinaus rechnen die Wissenschaftler für den Worst Case mit einer erheblichen Abnahme der Fischpopulation. Bis 2100 könnte das Fangpotenzial daher um 20 bis 24 Prozent sinken.
Bis zu 1.600 Gigatonnen Methan möglich
Gletscherschmelze: Niedrig gelegene oder kleinere Gletscher wie in Europa, Ostafrika und den Anden werden laut IPCC-Bericht bis zum Jahr 2100 mehr als 80 Prozent ihrer Masse einbüßen. Die direkt in diesen Bergregionen lebenden Menschen werden aufgrund der Eisschmelze weniger Wasser zur Verfügung haben. Aber auch viele der in den angrenzenden Gebieten ansässigen Hunderte Millionen Menschen, die von der Stromproduktion durch Wasserkraftwerke oder den regelmäßigen Schmelzwasserabflüssen profitiert haben, werden auf Dauer in Mitleidenschaft gezogen werden. Derzeit wohnen weltweit 670 Millionen Menschen in Bergregionen, wobei die Wissenschaftler selbst für das asiatische Hochgebirge bis 2100 mit einem Rückgang des Schmelzwassers um bis zu zehn Prozent rechnen.
Auftauen von Permafrostböden: Die Regionen, in denen der Boden ganzjährig gefroren ist und die derzeit noch etwa ein Sechstel der gesamten Erdoberfläche ausmachen, werden künftig deutlich schrumpfen. Für den Worst Case, wenn der CO₂-Ausstoß ungebremst fortgesetzt werden sollte, befürchten die IPCC-Wissenschaftler bis 2100, dass 30 bis 99 Prozent der oberen Schichten der Permafrostböden schmelzen werden. Wodurch eine geradezu gigantische Menge von Milliarden an Treibhausgasen wie Kohlendioxid und dem noch weitaus klimaschädlicheren Methan freigesetzt würde. Die Wissenschaftler gehen von bis zu 1.600 Gigatonnen aus, eine Menge, die doppelt so hoch ist wie der derzeitige Anteil von Kohlenstoff in der Atmosphäre. Das mögliche Auftauen der Permafrostböden ist einer jener Kipppunkte, die jegliches Klimamodell ins Wanken bringen könnte. Denn durch die Freisetzung dieser zusätzlichen Treibhausgase könnte die Erderwärmung so unkalkulierbar zunehmen, dass selbst ambitionierteste Klimaschutzmaßnahmen keine Chance mehr hätten. Selbst bei Einhaltung der Pariser Klimaziele und einer Beschränkung der globalen Erwärmung unter zwei Grad Celsius gehen die Wissenschaftler davon aus, dass bis 2100 immerhin noch 25 Prozent des oberflächennahen Permafrostbodens bis in vier Meter Tiefe auftauen werden.