Sagt Ihnen der Name Johann Friedrich Struensee etwas? Falls nicht, was ich vermute, bin ich in guter Gesellschaft. Mir ist er auch nicht über den Weg gelaufen – was aber auch nicht wundert, schließlich weilt Herr Struensee seit geraumer Zeit nicht mehr unter uns. Spannend – und höchst aktuell – sind seine Erfahrungen trotzdem – oder sogar erst recht.
Vor 250 Jahren betätigte sich besagter Struensee als großer Reformer in Dänemark, führte dort unter anderem die Pressefreiheit ein. Fortan konnte jeder öffentlich von sich geben, was ihm so durch den Kopf ging. Vordenker der Aufklärung wie Voltaire sollen höchst begeistert gewesen sein. Die Französische Revolution ließ noch ein wenig auf sich warten.
Was dann im Reiche Dänemark passierte, neben all den sinnreichen Schriften, erscheint wie die Geburtsstunde des Shitstorms. Schmähungen übelster Art wurden massenhaft veröffentlicht. Weniger vom sogenannten gemeinen Volk, das von Struensees übrigen Reformen angetan war, sondern von den gehobenen des Schreibens kundigen Schichten. Und die entdeckten zwar noch keine Bot-Fabriken, wussten aber sehr wohl, wie Manipulation durch Fake-News funktioniert. Struensee hat sich übrigens später auf seine Art korrigiert: Statt Shitstorms und Fake-News mit neuer Zensur zu bekämpfen, versuchte er sie zu zähmen. Es durfte nichts mehr anonym, sondern nur mit Namensnennung geäußert werden.
Neu ist das alles also nicht. Was es nicht besser macht. Shitstorms und Fake-News scheinen geradezu menschliche Konstanten. Darauf bauen Algorithmen auf, entlarven und potenzieren unsere Aufregergesellschaft. Ich frage mich langsam, ob vielleicht die frühere Vorstellung, wonach Gefühl im Herzen und Verstand im Kopf verortet wurden, eine Täuschung war und der wahre Ort zuckende Finger und Daumen sind? Aber wo steht eigentlich geschrieben, dass wir uns gleich und sofort über alles und jeden aufregen und unseren Senf dazugeben müssen?
Fragen über Fragen – und kein richtig guter Vorsatz zum neuen Jahr. Aber die halten bekanntlich auch nie allzu lange – was offenkundig auch eine menschliche Konstante ist.