Wenn es gelänge gleichzeitig Solarenergie und Nahrungsmittel auf ein und derselben Fläche zu gewinnen, könnte man dadurch das wachsende Problem des Ressourcen-Wettstreits zwischen Landwirtschaft und Ökologie lösen. Zudem gilt die Agrophotovoltaik als große Zukunftshoffnung für trockene Regionen.
Angesichts des trocken-warmen Sommers fiel den deutschen Landwirten mal wieder nichts Besseres ein, als von der Bundesregierung Ausgleichszahlungen für Ernteausfälle einzufordern. Schon der Sommer 2018 war hierzulande ungewöhnlich heiß und niederschlagsarm gewesen. Kein Wunder, waren die vier Jahre 2015 bis 2018 doch auch weltweit die bisher wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor rund 170 Jahren gewesen. Dürresommer werden vermutlich für deutsche Bauern zum Dauerproblem. Dabei könnte es längst ein wirksames Instrument geben, mit dem nicht nur landwirtschaftliche Ertragsschwankungen ausgeglichen, sondern gleichzeitig auch der wachsende Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt werden könnte. Das sperrig klingende Zauberwort dafür lautet Agrophotovoltaik. Kaum jemand kennt sie, sie spielt in der Klimapolitik-Debatte so gut wie keine Rolle. Umso überraschender, dass sich ausgerechnet der nicht gerade für grüne Ansichten bekannte bayerische Ministerpräsident Markus Söder jüngst dafür starkgemacht hatte.
Schon 1981 hatte Prof. Adolf Goetzberger als Pionier der Energiewende und Gründer des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zum ersten Mal auf die Vorteile von Photovoltaikanlagen hingewiesen, die auf hohen Gerüsten über landwirtschaftlich genutzten Flächen aufgestellt sind. Dadurch könnte die Flächennutzungskonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Energiegewinnung entschärft oder gar vermieden werden.
Mithilfe des APV-Konzepts könnte dieser Interessenkonflikt aus der Welt geschafft werden. In Staaten wie Japan und China wird die Agrophotovoltaik längst erprobt, während hierzulande nur ein einziges, 2016 vom Freiburger Fraunhofer-ISE gestartetes Pilotprojekt auf einer gerade mal 0,3 Hektar großen Ackerfläche der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee am Laufen ist. In Japan wurden seit 2004 schon mehr als 1.000 APV-Anlagen in Betrieb genommen, in China produziert die weltweit größte Solaranlage am Rande der Wüste Gobi nicht nur 700 Megawatt Leistung, sondern im Schatten der Module konnten auf einstmals unfruchtbarer Fläche erfolgreich Beerenstrauch-Kulturen angelegt werden.
Pilotprojekt am Bodensee
All diese Anlagen sind bislang noch auf staatliche Unterstützung angewiesen, die in Japan, China oder Frankreich auch ausreichend gewährt wird. Hierzulande sieht es für APV-Anlagen noch gänzlich schwarz aus. Das Pilotprojekt wird zwar vom Bundesforschungsministerium finanziert. Aber eine staatliche Förderung eigenständiger Anlagen ist bislang nicht vorgesehen. Noch schlimmer, geradezu ein Schildbürger-Streich: Sollte sich ein Landwirt dazu entschließen, eine Kombianlage einzurichten, büßen die Äcker ihren Status als landwirtschaftliche Fläche ein und verlieren dadurch den Anspruch auf EU-Subventionen. Ohne eine entsprechende Gesetzesänderung dürften daher APV-Anlagen hierzulande keine Chance haben. Zumal die Kosten für Investitionen, Betrieb und Instandhaltung der Stromanlagen deutlich über denen von großer Freiflächenvoltaik liegen, weil bei dieser die Module dichter nebeneinander und auf wesentlich niedrigeren Stahlgerüsten befestigt sind. Allerdings gehen viele Experten davon aus, dass die Kosten für die Photovoltaikanlagen generell in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter sinken werden, sodass selbst ohne finanzielle Förderung seitens des Staates eine Inbetriebnahme auch hierzulande wirtschaftlich möglich sein könnte.
Allerdings sehen Wissenschaftler die Erfolgschancen und den Nutzen von APV-Anlagen vor allem in anderen Regionen der Erde. Und zwar in solchen, die ständig von Hitze betroffen sind, als aride bezeichnet werden und wo Kulturpflanzen und Nutztiere gleichermaßen von der Verschattung durch die Photovoltaikmodule profitieren könnten. Das ISE hat daher bereits mehrere Projekte zum Transfer der Technologie in Schwellen- und Entwicklungsländer auf den Weg gebracht. Im indischen Maharashtra konnte schon der erste Nachweis erbracht werden, dass dank der Verschattung und der dadurch geringeren Wasserverdunstung beim Anbau von Tomaten und Baumwolle Ertragssteigerungen von bis zu 40 Prozent und eine Verdoppelung der Landnutzungseffizienz erzielt werden konnten.
In Algerien wird derzeit in einem ISE-Projekt nach positiven Auswirkungen von APV-Anlagen auf den Wasserhaushalt geforscht. Wobei neben geringerer Verdunstung dank niedrigerer Temperaturen unter den Modulen auch noch eine zusätzliche mögliche Regenwassergewinnung durch eben diese Module eine zentrale Rolle spielt. Auch in Chile hat das ISE drei Pilotanlagen unterstützt und konnte nachweisen, dass dank der partiellen Verschattung Fruchtarten erfolgreich angebaut werden konnten, für die eigentlich bei dem trocken-heißen Klima keine Chance bestand. Zudem konnte der gewonnene Solarstrom zum Betreiben von Wasserpumpen und Entsalzungsanlagen genutzt werden. Das ISE sieht besonders im subsaharischen Afrika, wo rund 92 Prozent der Landbevölkerung keinen Zugang zu Strom haben, durch das Installieren von APV-Anlagen nicht nur große Vorteile für die Landwirtschaft, sondern auch eine große Chance, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden. Im vietnamesischen Mekong-Delta prüft das ISE die Machbarkeit einer Kombination von Aquakultur und Photovoltaik.
Nutzungseffizienz des Landes um 186 Prozent gesteigert
Auch Forscher der University of Arizona konnten bemerkenswerte Erfolge nach mehrjährigen Versuchen mit APV vermelden. Demnach konnten sie auf einer Testfläche im staubtrockenen Arizona eine Verdreifachung der Chili-Ernte und eine Verdoppelung der Tomaten-Ernte im Schatten der Photovoltaikmodule im direkten Vergleich zum Freiflächenanbau dieser Gemüsesorten registrieren. Die Module sorgten für kühlere Tagestemperaturen und wärmere Nachttemperaturen. Zudem konnte dank ihnen der Boden nach Bewässerung die Feuchtigkeit länger halten, wodurch die Wasserzufuhr zurückgefahren werden konnte. Von dem Verdunstungskälteeffekt konnten zudem auch die Solarmodule selbst profitieren, wodurch sich deren Wirkungsgrad leicht gesteigert hatte.
Das deutsche Pilotprojekt vom Bodensee war ebenfalls erfolgsversprechend. Dort konnten im Hitzesommer 2018 bei drei von vier angebauten Kulturen höhere Erträge als auf der freien Referenzfläche erzielt werden. Die ISE bezifferte die Steigerung der Landnutzungsrate 2017 auf 160 Prozent, 2018 lag dank der gesteigerten Ernteerträge und der aus der hohen Sonneneinstrahlung resultierenden Strommenge die Landnutzungseffizienz sogar bei 186 Prozent. Und das vorgegebene Ziel des Projekts, ähnlich wie die in Japan gesetzlich vorgeschriebenen mindestens 80 Prozent der Ernte auch in nassen Sommern einfahren zu können, wurde auf jeden Fall bislang am Bodensee erreicht. Das könnte daher durchaus ein sinnvoller Orientierungspunkt für künftige gesetzliche Regelungen bezüglich deutscher APV-Anlagen werden.