Wie waren Kindheit, Jugend und Karrierebeginn von Udo Lindenberg? Ein Spielfilm erzählt von diesen frühen Jahren des heute 73-Jährigen. „Lindenberg" ist großartig und dürfte der erste Kinoerfolg des Jahres werden.
Die Ansage seines alten Herrn ist eindeutig. „Die Lindenbergs werden Klempner, sonst nix", sagt Vater Lindenberg zu seinem Sohn Udo. Der Knirps, kaum zehn Jahre alt, hat aber andere Flausen im Kopf und trommelt feste auf seinem Schlagzeug. „Und außerdem", so wird Vater Lindenberg später noch sagen, „die Lindenbergs gewinnen nie, die verlieren immer." So, weißte Bescheid. Schlechte Aussichten also für einen Jungen, der Musiker werden möchte und eigentlich scheitern müsste mit diesem Traum. Inzwischen, und das kann wirklich niemand abstreiten, ist Udo Lindenberg wohl der größte Musiker des Landes. Eigentlich merkwürdig also, dass so wenig bekannt ist über seine Kindheit und seine Anfänge als Musiker. Das dürfte sich nun schlagartig ändern. Mit „Lindenberg!" kommt ein Film in die Kinos, die eben von jenen Jahren erzählt.
Lindenberg merkt, er will lieber selbst singen als Schlagzeug zu spielen
Gronau/Westfalen, während der 1950er-Jahre: Udo Lindenberg wächst in der Provinz auf und möchte sicher nicht Klempner werden – Vaters Regeln hin oder her. Als junger Mann beginnt Udo als Schlagzeuger in Bands zu spielen, merkt aber schnell, dass er selbst singen will – am liebsten seine eigenen, selbst geschriebenen Songs. Und während die Jugend zwischen Hamburg und München zu englischer Discomusik ausflippt, möchte Udo Lindenberg auf Deutsch singen. „Das geht gar nicht", wird ihm gesagt – aber Udo wäre nicht Udo, wenn er was auf die Meinung anderer geben würde. Drauf gepfiffen! Er greift selbstverständlich selbst zum Mikrofon. Aber leicht ist es nicht, seine Lieder in einer Plattenfirma unterzubringen. „Hat den Nerv nicht getroffen", urteilen anzugtragende Plattenbosse über ihn. „Aber ich will nicht so sein wie einer von den Tröten, die alle den gleichen Scheißsound haben", sagt er – und wird mit seinem Album „Alles klar auf der Andrea Doria" erfolgreich. Auch, wenn er erst einmal stolpert.
Den Film „Lindenberg" zu sehen, macht einen großen Spaß. Regisseurin Hermine Huntgeburth (deren erfolgreichster Kinofilm „Die weiße Massai" 2005 ist) hat es geschafft, dass der Film wirklich jedem Kinobesucher gefallen wird und nicht ausschließlich den Lindenberg-Fans. Huntgeburth hat den Zeitgeist bis in die 1970er-Jahre perfekt inszeniert. In vielen Szenen – besonders jenen der Nachkriegszeit bis 1960 – hat die Filmemacherin eine gewisse Bitterkeit einfließen lassen, die besonders in dem stoischen Vater zum Ausdruck kommt. Aber Schlaghosen, Blusen mit Karomuster und mächtige Schnauzbärte sind so gut in Szene gesetzt, dass die modischen Entgleisungen von damals heute fast wieder gut aussehen.
Es kann sich lohnen, beharrlich den eigenen Weg gehen zu wollen
Was aber „Lindenberg" zu einem Filmereignis werden lässt, ist Hauptdarsteller Jan Bülow. Der noch recht unbekannte Schauspieler hat erst wenige Filme gedreht, von denen die Ruhrpott-Komödie „Radio Heimat" (2016) noch am ehesten auffiel. Den jungen Udo Lindenberg jedenfalls verkörpert er perfekt mit strähnigen Haaren und dem damals schon markanten Mund, dessen Unterlippe sich nach vorn schiebt, was Udo damals noch dezent und heute unverwechselbar seinen Nuschelton verleiht. Dazu passt Jan Bülows schlaksige Gestalt und ein besonderes Gesangstalent, denn Jan Bülow soll die Udo-Songs wie „Mädchen aus Ost-Berlin", „Cello" und eben „Alles klar auf der Andrea Doria" selbst eingesungen haben. Das Ensemble wird komplett mit Detlev Buck als Plattenproduzent, Charly Hübner als Udos Vater, Julia Jentsch als Udos Mutter sowie durch Max von der Groeben, der sich von seiner Rolle in den „Fack ju Göhte"-Filmen befreit hat und als Bassist Steffi Stephan fast so gut ist wie Jan Bülow.
Nach Hape Kerkelings „Der Junge muss an die frische Luft" ist „Lindenberg" der nächste Film, der die Zuschauer mitnimmt in vergangene Jahrzehnte, die prägend waren für deutsche Künstler. Ebenso wie Kerkeling beweist Udo Lindenberg, dass es sich lohnen kann, seinen eigenen, manchmal schrägen Weg zu gehen. Daher lautet der Untertitel von „Lindenberg" entsprechend „Mach’ Dein Ding!" und es war gut, dass Udo Lindenberg als Junge nicht auf seinen Vater gehört hat. Was wäre die deutsche Musik, wenn er Klempner geworden wäre?