Tanya Barut setzt im „Asbury Park Coffee" auf Kaffee nach italienischer Röst-Tradition und auf selbst gebackene Kuchen. So lässt sich die Zeit genießen und gepflegt auf einen Termin im angeschlossenen Tätowierstudio warten.
Tür auf, zwei Frauen schauen ins „Asbury Park Coffee" herein, ordern einen Filterkaffee. Der braucht einen Moment. Die Bohnen werden am Tresen frisch gemahlen und in der Maschine gebrüht. Neben uns am Tisch sitzt ein Mann. Er telefoniert, hat einen Cappuccino und ein Notebook vor sich. „Ich bin im Café hängengeblieben. Jetzt arbeite ich an meinem Roman weiter." Ein anderer wird bei Schokocroissant und Espresso von einem Tattoo-Artist begrüßt. „Iss erst mal in Ruhe auf. Woher kommst du?", „Aus München." Bald darauf verschwinden die beiden hinter der Schiebetür, die zum „Sticks and Stones"-Tattoostudio führt. Es ist viel los, aber den Überblick behält die Frau hinter der rot-silbernen Espressomaschine – Tanya Barut. Sie führt das „Asbury Park Coffee" seit zwei Monaten und hat alles in dem Laden, der auch Durchgang zum Tattoostudio ist, im Griff. „Es geht hier zu wie auf dem Flughafen", sagt sie lachend, während sie ein Stück Carrot Cake abschneidet und einer Kundin eine Tüte „Ehrenfelder"-Kaffee aus der Rösterei „Van Dyck" verkauft. Die Energie der Straße spiegele sich in ihrem Café wider: „Die Donaustraße ist eine Erledigungsstraße." Man ist auf dem Weg zur U-Bahn oder zum Einkaufen in der Karl-Marx-Straße. Es ist immer Bewegung drin, an der Kreuzung Erkstraße und an der Parkplatzeinfahrt zum benachbarten Discounter sowieso. Da passt es gut, dass Espresso, Cappuccino oder Americano aus dem lebendigen Köln-Ehrenfeld ins nicht minder trubelige Berlin-Neukölln geliefert werden. Niemand konditert langatmig, sondern man nimmt zeitgenössisch-urban einen Qualitätskaffee zu sich, und schon geht’s weiter mit dem Tagesgeschehen.
„Ich stehe total auf italienisch gerösteten Kaffee mit hohem Robusta-Anteil", sagt Tanya Barut. „Beim ‚Ehrenfelder‘ läuft die Crema wie Schokolade aus der Maschine." Der verflüssigte Kölner Stadtteil mit 40 Prozent Robusta-Bohnen macht auch in der Tasse und mit geschäumter Milch eine aromastarke Figur. Die Begleiterin hat dagegen als Americano-Variante den etwas milderen Philosophen, einen „Adorno" mit nur 25 Prozent Robusta-Anteil, gewählt. Sie freut sich, dass ihre Magenschleimhäute auch bei schwarzem Genuss erhalten bleiben. Bald schon will Tanya Barut auch den afrikanischen „Robusta 100 Prozent" in ihr Sortiment aufnehmen. Bio und Fair Trade gehandelt sind die Bohnen bei so viel Qualitätsbewusstsein und Anspruch sowieso. Barut entschied sich für die Kölner Rösterei, die mit ihren klassischeren Mischungen mit Robusta-Bohnen abseits des allgemeinen Arabica-Trends bleibt: „Ich wollte etwas machen, das die anderen in Berlin nicht machen." Sie kannte die „Van Dyck"-Betreiber Monika Linden und Martin Keß schon länger: „Ich habe zehn Jahre in Köln gelebt. Da war Moni schon meine Chefin."
Immer fünf bis sechs Kuchen
Tanya Barut ist langjähriger Gastronomieprofi, und in ihrem Leben fügte sich manches ziemlich organisch. Bis vor zwei Jahren führte sie das „Barini" am Böhmischen Platz, widmete sich nach dessen Verkauf aber erst einmal ihrer Familie und dem Reisen. Ihrem Partner Brian Povak gehört das „Sticks and Stones"-Tattoostudio. Er ist ein gefragter Künstler, der auch regelmäßig andernorts arbeitet. Barut und Povak hatten sich im „Barini" kennengelernt: „Mein Liebster ist Gast von mir gewesen." Viele Tassen Espresso, zwei Tattoos und ein Kind später fiel die Entscheidung, im Vorraum des neuen Studios etwas Eigenes zu machen. „Sticks and Stones" musste ohnehin umziehen und brauchte größere Räumlichkeiten für die elf hauseigenen sowie die Gast-Tätowiererinnen und -Tätowierer.
Platz gibt es an der Donaustraße nun reichlich – das Studio belegt das ganze Erdgeschoss im Seitenflügel. „Brian brauchte den vorderen Raum so eigentlich gar nicht. Der wäre als Warteraum viel zu groß." Was lag also für Tanya Barut näher, als wieder ein eigenes Café zu eröffnen? Schließlich gehen die Tattoo-Kunden den lieben langen Tag ein und aus „und auch die Tätowierer wollen ihren Kaffee trinken". Barut entschied sich für das für sie richtige Modell: „Ich mache alles alleine. Ich habe genau den Kaffee, hinter dem ich voll stehe, und ich backe alles, was ich selbst gern esse." Der Cafébetrieb findet zu familienfreundlichen Zeiten von 9.30 bis 18 Uhr statt. Schließlich ist Sohn Eli gerade erst einmal sechs Jahre alt. „Das ‚Asbury Park Coffee‘ ist die entspanntere Version von dem, was ich vorher hatte."
Die Kuchen waren früher schon klasse und sind es auch in der „Reloaded"-Variante. Die umfasst nun den offensiveren Umgang mit dem Etikett „vegan". Tierfrei gebacken sind das Bananabread, der Zitronenkuchen und die Schoko-Mohn-Cookies. Fünf bis sechs Kuchen sind immer im Angebot. Wir probieren den Carrot Cake mit Nüssen, Frischkäse-Topping und schmuckem Physalis-Flieger. Der darf guten Gewissens nicht vegan sein, sonst würde die zwei Zentimeter hohe Icing-Schicht bestimmt nicht so gut munden. Er ist saftig, genau im richtigen Ausmaß süß und steht klar auf der amerikanischen Seite.
Perfekte Symbiose
Damit ist der Bogen zum Namen des Cafés geschlagen: Brian Povak ist Amerikaner und wuchs in New York auf. Die Familie Barut-Povak verbrachte „einige bemerkenswert schöne Sommer", wie Tanya Barut sagt, „in der Kleinstadt Asbury Park am Atlantik in New Jersey". Bruce Springsteen sendet musikalische „Greetings from Asbury Park" in den lichten Raum.
Zur Eröffnung Mitte November schenkte Brian Povak seiner Liebsten die LP. Das Cover steht auf einem Bord an der Wand hinterm Tresen, während das Vinyl seine Runden dreht. Ein „richtiger deutscher Käsekuchen" vertritt das alte Europa und seine Kuchentradition: Quarkbasiert und mit Blaubeeren ist er der honorige ältere Bruder eines amerikanischen Frischkäse-Cheesecakes. Ein Marmorkuchen spielt in der Ecke der „trockenen Kuchen" mit, ist aber selbstredend fluffig und dunkel schokoladig durchzogen. Die internationale Begleiterin verspricht, mit ihrem Mann erneut auf eine Scheibe Bananenbrot vorbeizukommen: „He loves banana bread."
Mit Chai Latte, „aus einer Kölner Manufaktur", wie Tanya Barut verrät, und Datteln im Innenleben setzt es ungewohnte Geschmacksakzente. Drei Sorten Cookies sind die Alternativen, die in Glasgefäßen auf dem Tresen wohnen, wenn es einmal nicht kuchig, aber dennoch süß und schokoladig zugehen soll. Es gibt sie mit Nugat und weißer Schokolade, „mit zwei Schoki" sowie vegan mit Schoko und Mohn. Schnellen Frühstückern bietet Tanya Barut Croissants und Franzbrötchen, die sie täglich frisch vor Ort aufbackt. Wer bei so viel Internationalität, Kunst und Kuchen den Überblick verliert, kann sich beim Blick auf einen Kiez-Stadtplan in Schwarzweiß überm Tresen neu orientieren: Der Häuserblock mit dem „Asbury Park Coffee" ist rosa eingezeichnet. Wenn um 18 Uhr der Cafébetrieb endet, ist im Tattoostudio noch längst nicht Feierabend. Damit das „Asbury Park Coffee", dann aber keinen verlorenen und geschlossenen Eindruck macht, wurde hinter einer halbhoch eingezogenen Wand ein kleiner loungiger Bereich eingepasst. Ein gold-gelbes Sofa, ein Tischchen mit einem Amaryllis-Strauß und einige Bänke und kleinere Tische machen das Warten auf die Tattoo-Artisten dann heimeliger.
Internationalität, Kunst und Kuchen
Bei den Renovierungsarbeiten im Sommer kamen an einer Seitenwand espressofarbige Originalfliesen zutage. „Die haben wir eine Woche lang freigelegt. Der Architekt sagt, sie sind noch aus den 20er-Jahren", erzählt Tanya Barut. Der Raum wusste eben schon vor rund 100 Jahren, was seine wahre Berufung ist – ein kleines, feines Lokal mit bestem Kaffee zu werden.