Dass Toni Kroos, Marc-André ter Stegen oder Leroy Sané im Ausland regelmäßig für Furore sorgen, ist kein Geheimnis. Doch in ihrem Schatten glänzen auch andere deutsche Kicker abseits der Heimat. Auch wenn man hierzulande nicht viel davon mitbekommt.
Es ist nicht wirklich schmeichelhaft für Fußballer, als ewiges Talent bezeichnet zu werden. Schließlich steckt dahinter die Bewertung, dass ein zweifellos begabter Spieler früh geweckte Erwartungen niemals wirklich erfüllen konnte. Marko Marin gilt als ein solches ewiges Talent. Schon mit 19 Jahren debütierte Marin in der deutschen Nationalmannschaft, gehörte zum WM-Kader 2010 und spielte gemeinsam mit Mesut Özil in Diensten Werder Bremens betörenden Fußball. Doch als Özil Bremen in Richtung Real Madrid und Weltkarriere verließ, kam Marins so früh in Fahrt gekommene Laufbahn ins Stocken. Trotzdem zeigte der FC Chelsea Interesse und holte ihn 2012 überraschend in die Premier League. Die nicht für ihre Bescheidenheit bekannte englische Presse kündigte zwar den „German Messi" an, doch schnell zeigte sich, dass Chelsea ein paar Nummern zu groß für den kleinen Dribbler war. So liehen die Londoner ihren deutschen Messi immer wieder aus: zum FC Sevilla, zum AC Florenz, zum RSC Anderlecht. Nirgends konnte er richtig Fuß fassen, stattdessen plagten ihn immer wieder Verletzungen. Erst die Leihe zum türkischen Erstligisten Trabzonspor brachte die Wende in Marins Karriere. Doch obwohl es dort sportlich lief, überwarf sich Marin mit dem Klub und wurde suspendiert. Vorgeblich wegen eines Streits im Training, Marin aber verweist darauf, dass er seinen Arbeitgeber wegen ausstehender Gehaltszahlungen verklagt hatte und deswegen gehen musste. Nach einem erfolgreichen Intermezzo beim griechischen Spitzenclub Olympiakos Piräus ist er mittlerweile Dreh- und Angelpunkt im Spiel von Roter Stern Belgrad. Zweimal hat sich der Europapokalsieger 1991 mit Marin für die Champions League qualifiziert. Es läuft so gut, dass der serbischstämmige Marin sogar zum Fußballer des Jahres in seiner Wahlheimat gekürt wurde. Seinen Ruf als ewiges Talent wird der 30-Jährige aber dennoch nicht mehr los.
Wechsel ins Ausland brachte die Wende
Längst in England durchgesetzt hat sich derweil Pascal Groß. Seit 2017 trägt der ehemalige Ingolstädter das Trikot von Brighton & Hove Albion und wird bei den Südengländern vor allem wegen seiner strategischen Fähigkeiten und gefährlichen Standards geschätzt. Nun mag man annehmen, dass ein Spieler, der in der wohl stärksten Liga der Welt besteht, zwangsläufig auch ein Thema für die Nationalmannschaft sein sollte. Bundestrainer Joachim Löw allerdings sieht das anders und hat für Groß, dessen Spielweise etwas an Toni Kroos erinnert, keine Verwendung. Natürlich liegt das auch an dem nur spärlichen Glanz, den Groß’ Arbeitgeber verkörpert. Brighton & Hove Albion ist der Fraktion der grauen Mäuse zuzurechnen, deren primäre Aufgabe Jahr für Jahr der Kampf gegen den Abstieg ist. Doch den großen Sprung auf eine größere Bühne hätte der 28-Jährige im Vorjahr beinahe gemacht. Der legendäre FC Liverpool hatte Interesse an Groß geäußert. Ein Transfer kam letztlich aber nicht zustande, und so heißt es für Groß weiterhin Abstiegskampf statt Champions League.
Ein anderer Deutscher hat den Sprung in die Königsklasse mittlerweile geschafft: Robin Gosens von Atalanta Bergamo. Dabei sah es lange gar nicht danach aus, dass es Gosens tatsächlich in den Profifußball schaffen würde. An ein Probetraining als 18-Jähriger bei Borussia Dortmund erinnert er sich gar nicht gern, denn „es war ein Fiasko, ich konnte überhaupt nicht mithalten". So kickte er weiter für den VfL Rhede in der damals fünftklassigen Landesliga, wo ihn ein Talentspäher des niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim entdeckte und Gosens direkt über die nahe Grenze lockte. In Arnheim traf Gosens auf Trainer Peter Bosz. Der heutige Coach von Bayer Leverkusen erkannte ein gewisses Potenzial in dem jungen Deutschen und schulte ihn zum linken Verteidiger um. So nahm die Karriere Fahrt auf, spätestens nach seinem Wechsel zu Hercales Almelo etablierte sich Gosens – und machte Atalanta auf sich aufmerksam.
Der Wechsel im Sommer 2017 geriet allerdings zu einer Hängepartie. Gosens überwarf sich mit seinem damaligen Berater, von dem er sich über den Tisch gezogen fühlte. Als der Transfer deswegen zu scheitern drohte, rief Atalantas Sportdirektor direkt an. „Ich habe hundertmal ‚ciao’ verstanden, ansonsten aber nur Bahnhof", berichtete Gosens kürzlich dem „Kicker" über das Telefonat, das sein Leben verändern sollte. Die Frau des Sportdirektors sprang letztlich ein, übersetzte und lud Gosens ein. Nach einer Stippvisite in Bergamo war die Sache geklärt und der Vertrag unterschrieben. In seinem nunmehr dritten Jahr in Bergamo ist Gosens längst heimisch geworden, spricht fließend Italienisch und hat das „Dolce Vita" schätzen gelernt. Es zieht ihn gar nicht weg aus der 120.000 Einwohner zählenden Stadt in der Lombardei, und doch hätte er ihr im vergangenen Sommer beinahe den Rücken gekehrt und wäre bei seinem Lieblingsverein gelandet. Doch Schalke 04 und Atalanta kamen in Sachen Ablösesumme auf keinen gemeinsamen Nenner. Aber das nächste Transferfenster kommt bestimmt.
Maximilian Philipp ist in Russland ein Star
Welch befreiende Wirkung ein Vereinswechsel haben kann, weiß Maximilian Philipp nur zu gut. Der gebürtige Berliner scheint sein Glück bei Dynamo Moskau gefunden zu haben. Im Gepäck hatte der 25-Jährige zwei wenig erquickliche Jahre bei Borussia Dortmund. Für die 20 Millionen Euro, die der BVB für Philipp an den SC Freiburg überwiesen hatte, hatte man sich im Ruhrgebiet etwas mehr erhofft. Philipp war häufig verletzt, verbrachte viel Zeit auf der Bank oder der Tribüne, und wenn er denn mal spielte, blieb er oftmals blass. Entsprechend froh waren sie in Dortmund, dass Dynamo Moskau tatsächlich bereit war, jene 20 Millionen Euro zu bezahlen, die sie einst selbst hinblättern mussten.
Und es ließ sich gut an in der russischen Hauptstadt, in der übrigens auch die Weltmeister André Schürrle (Spartak) und Benedikt Höwedes (Lok) ihrem Beruf nachgehen. Zwei Tore erzielte Philipp in den ersten beiden Spielen, ehe ihn eine Formkrise den Stammplatz kostete. Doch längst ist der U21-Europameister von 2017 wieder in der Spur, er hat die beste Torquote der Premier Liga und spätestens seit seinem Doppelpack beim 2:1-Erfolg gegen den ungeliebten Nachbarn Lok einen festen Platz im Herzen der Fans.