Wenn Prominente vorangehen, fällt uns Normalbürgern der Verzicht leichter
Damit wir mehr für den Klimaschutz tun, brauchen wir Vorbilder. Und es gibt sie tatsächlich! Die Klimaaktivistin Greta Thunberg spaltet zwar die Gesellschaft und unseren Bekanntenkreis. Aber sie hat zumindest ein Zeichen gesetzt, als sie mit dem Segelschiff zum Klimagipfel nach New York gereist ist – auch wenn wir uns eine etwas bessere Gesamt-Klimabilanz dieses Unterfangens gewünscht hätten. Die Reise hat natürlich ein bisschen länger gedauert als mit dem Flugzeug, aber die schwedische Aktivistin hat ja Zeit und kann auf einer noblen Jacht wahrscheinlich versäumten Unterrichtsstoff besser nacharbeiten als im engen Flugzeugsitz.
Weitere Vorbilder gefällig? Das belgische Königspaar Mathilde und Philippe reiste kürzlich zu seinem Staatsbesuch in Luxemburg mit dem Zug an: „Aus Rücksicht auf die Umwelt und um eine nachhaltige Mobilität zu fördern.“ Zum Glück ist die Strecke so kurz, dass wir uns den Monarchen nicht auf einer Zug-Toilette vorstellen müssen.
Solche Beispiele klimafreundlichen Verhaltens brauchen wir noch mehr. Könnte nicht auch Bundeskanzlerin Merkel ihre Flugreisen zugunsten nachhaltigerer Verkehrsmittel reduzieren? Zu dem G20-Gipfel hätte sie auch mit dem Zug ins japanische Osaka reisen können. Oder zum Weltklimagipfel in New York mit einem kombinierten Bus-Segelboot-Ticket. Gut, das hätte alles etwas länger gedauert, aber die Klimaziele sind ja so weit gestreckt, dass es auf ein paar Monate mehr nicht angekommen wäre. Solange jedenfalls die Kanzlerin weiterhin zu ihren internationalen Terminen jettet, können wir Normalsterblichen auch ruhig weiter nach Mallorca fliegen.
Aber den Klimaschutz sollten wir nicht nur Politikern überlassen, zumal es da ja einige gibt, die einen weltweiten Temperaturanstieg um zwei Grad allenfalls für einen „Fliegenschiss“ in der langen Geschichte der Temperaturschwankungen halten. Aber ein positives Klimazeichen wäre es schon, wenn Herr Gauland wenigstens die Bahn nehmen würde, wenn er sich seinem Parteifreund Höcke wieder mal annähern möchte.
Viel lieber nähmen wir ja Fußballstars als Klima-Vorbilder. Warum ist unsere Nationalmannschaft jüngst mit dem Flugzeug und nicht mit dem Zug zur EM-Quali nach Estland gereist? Neben Heim- und Auswärtsbilanz müsste längst auch die Klimabilanz in jeder Tabelle berücksichtigt werden. Unsere Bundesligateams müssen sich eh darauf einstellen, dass innerdeutsche Flüge bald verboten werden und sie bei ihren Auswärtsspielen in Bus und Zug umsteigen müssen.
Sollten sie dabei auf die Bundesbahn setzen, könnte dies allerdings trotz der positiven Klimaeffekte negative Auswirkungen auf den Spielbetrieb haben. Wegen der üblichen Verspätungen der DB-Züge könnten nämlich genaue Anstoßzeiten in den Stadien und der pünktliche Beginn der Sportschau nicht mehr garantiert werden. Aber Klimaschutz zum Nulltarif gibt es nun mal nicht!
Als Klima-Vorbilder wünschen wir uns auch Wirtschaftsbosse und Pop-Stars: Würde der Mercedes-Chef auf dem Fahrrad zu Verhandlungen mit seinen Zulieferfirmen strampeln oder Ed Sheeran seine Europa-Tournee mit dem Elektro-Bus absolvieren, wären auch wir charakterschwachen Normalbürger zum Verzicht auf die gewohnte Bequemlichkeit bereit und könnten uns bestimmt leichter damit abfinden, wenn innerörtliches Autofahren mal verboten sein wird. Bei den vielen Tempo-30-Zonen und Blitzerfallen ist man zu Fuß ohnehin schneller!
Leider ist nicht jeder für Klima-Argumente zugänglich: So hat unser Briefträger auf den Vorschlag, nicht mehr mit dem Auto bei uns vorzufahren, sondern Briefe und Päckchen besser mit der Post zu schicken, sehr egoistisch gefragt: „Und was wird dann aus meinem Job?“
Uns selbst bereitet es durchaus etwas Sorge, dass diese Kolumne immer noch auf Papier gedruckt wird und auf dem Weg zum Leser ökologische Fußabdrücke hinterlässt. Überlegungen, den Text in Zukunft mündlich an der Haustür oder per Telefon vorzutragen, wurden aber aufgrund der ständig wachsenden FORUM-Leserschaft vorerst auf Eis gelegt.