Berliner Konferenz strebt politische Lösung für das Bürgerkriegsland an
Schweigen im Bürgerkrieg in Libyen bald dauerhaft die Waffen? Hört der Flüchtlingsansturm über das Mittelmeer endlich auf? Noch im Januar –
wahrscheinlich schon an diesem Sonntag – soll in Berlin eine große internationale Libyen-Konferenz stattfinden. Auf der Einladungsliste stehen Russlands Präsident Wladimir Putin ebenso wie sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan oder der französische Staatschef Emmanuel Macron.
Neben Syrien ist Libyen heute das Land, das am stärksten unter den Wirren eines Bürgerkriegs leidet. Seit rund neun Jahren toben die Kämpfe. Im Zuge der aufflammenden Unruhen gegen Langzeit-Diktator Muammar al-Gaddafi starteten Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die USA 2011 eine Militär-Intervention. Im gleichen Jahr wurde Gaddafi getötet. Zunächst zerfiel das Land in einen Flickenteppich, in dem Hunderte Clans, Warlords und Milizen die Herrschaft unter sich aufteilten. Hunderttausende Menschen verloren ihr Leben.
Heute streiten sich zwei Akteure um die Macht über ganz Libyen. Auf der einen Seite steht Fajis al-Sarradsch, der seit 2016 durch die UN als Präsident anerkannt wird. Doch er kontrolliert außerhalb der Hauptstadt Tripolis nur wenige Gebiete, in denen sich allerdings wichtige Ölfelder befinden. Sein großer Gegenspieler ist General Chalifa Haftar. Der 76-Jährige hat im Osten eine Gegenregierung aufgebaut. Darüber hinaus beherrschen seine Truppen den Süden.
Jetzt gibt es zumindest einen Hoffnungsschimmer. Mit der Libyen-Konferenz in Berlin könnte ein Verfahren eingeleitet werden, bei dem sich die Streithähne in absehbarer Zeit an einen Tisch setzen. Seit Monaten bemühen sich Bundeskanzleramt und Außenministerium um einen internationalen politischen Rahmen zur Beendigung des Bürgerkriegs. Sowohl die libyschen als auch die ausländischen Konfliktparteien sollen sich auf eine Verhandlungslösung einigen. Das Ganze läuft unter dem Etikett „Berliner Prozess".
Deutschland ist durch eine unruhige Nachbarschaft in Nordafrika und im Nahen Osten besonders betroffen. Nach Ausbruch der Flüchtlingskrise 2015 wurde Libyen zum Transitland für viele Migranten aus Ländern südlich der Sahara. Diese versuchten, sich von Zentralafrika nach Norden durchzuschlagen. Die Devise der Bundesregierung lautet: so viel Stabilität wie möglich in Krisenländern schaffen, um Anreize für die Flucht abzumildern.
Einer der Gründe dafür, dass Libyen zum Spielball ausländischer Mächte geworden ist, liegt an den reichen Ölreserven des Landes. Al-Sarradsch wird unter anderem von der Türkei, Katar und Italien unterstützt. Ankara hat sogar eigene Soldaten in das nordafrikanische Land geschickt. Sie steht auch deshalb hinter al-Sarradsch, weil sich dieser mit islamistischen Milizen verbündet hat.
Erdogan geht in Syrien nach dem gleichen Modell vor. Dort baute er auf dschihadistische Gruppierungen wie dem Al-Qaida-Ableger HTS. Diese kämpften im Auftrag der Türkei gegen die dortige Kurdenmiliz YPG und gegen die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Erdogan untermauert diese Allianzen mit religiös-ideologischen Motiven: Wie die Milizen vertritt er einen politischen Islam, der sich sehr stark in gesellschaftliche Fragen einmischt.
Italiens Unterstützung für al-Sarrasch hat völlig andere Gründe. Die Regierung in Rom will zum einen ihre Öl-Interessen wahren. So ist der italienische Energiekonzern Eni ein wichtiger Partner der Nationalen Libyschen Ölgesellschaft. Zum anderen kooperiert Italien eng mit der libyschen Küstenwache. Die Führung in Tripolis soll einen weiteren Flüchtlingsansturm möglichst abwenden.
Die Unterstützer von General Haftar eint vor allem ein Motiv: Sie decken seinen Feldzug gegen islamistische Milizen. Russland, Ägypten, Saudi-Arabien und auch Frankreich wollen radikale Gotteskrieger zurückdrängen. Die Staaten im Nahen Osten fürchten, dass ein politischer Islam ihre Macht gefährden könnte. Frankreich steht auf der Seite von Haftar, weil es ebenfalls eine Front gegen Islamisten aufgemacht hat. Seit 2014 sind rund 4.500 französische Soldaten gegen Dschihadisten in der Sahelzone im Einsatz.
Russland beansprucht in Libyen zudem eine geostrategische Rolle. Egal, ob Nordafrika, Iran, Syrien oder die Ukraine: An Moskau kommt derzeit niemand vorbei.