Statt auf Google oder Yahoo setzen immer mehr Nutzer auf Ecosia. Das Berliner Start-up ist eine alternative Suchmaschine, mit deren Gewinn 22 Baumpflanzprojekte in aller Welt unterstützt werden. Nach eigenen Angaben wurden so bereits knapp 81 Millionen Bäume gepflanzt.
Das Büro der Firma Ecosia liegt in einer kleinen unscheinbaren Nebenstraße, abseits des Maybachufers, wo man eher die wohlhabendere Klientel in Berlin-Kreuzberg findet. Vielleicht brennt deshalb dort ab und zu ein SUV. Ecosia will die Welt friedlicher verändern, aber denkt dennoch radikal. Gründer Christian Kroll, der hinter dem Berliner Start-up steht, und seine Mitstreiter glauben, die Welt durch das Pflanzen von Bäumen retten zu können, denn Bäume „fressen" das CO2, das die Erde erwärmt und unser Klima lebensgefährlich verändert.
Ecosia ist zunächst nichts weiter als eine Internet-Suchmaschine – wie Google, Fireball oder Startpage. Jeder, der Ecosia zum Suchen benutzt, hilft der Firma, durch Werbung Geld zu verdienen. Diese Werbeeinnahmen allerdings werden in das Pflanzen von Bäumen investiert. Gesamtinvestitionssumme bis heute: 17 Millionen Euro. Eine große deutsche Boulevardzeitung nennt Ecosia auch die „Suchmaschine, die Bäume pflanzt". Natürlich müssen die Bäume immer noch von Menschenhand gepflanzt werden. In der ganzen Welt und gezielt dort, wo sie am wirkungsvollsten gegen den Klimawandel eingesetzt werden – von Argentinien bis Uganda.
Christian Kroll gründete Ecosia im Jahr 2009. Die Idee dazu kam ihm auf einer Weltreise, bei der er auch Nepal besuchte. Dort entwickelte er eine Suchmaschine, um deren Gewinn für lokale gemeinnützige Projekte in Nepal zu verwenden. Zurück in Berlin beschloss er, mit dieser Idee den Regenwäldern in Südamerika zu helfen und mit einer Suchmaschine Aufforstung zu finanzieren. Das war die Geburtsstunde von Ecosia.
Geht man im Internet auf die Seite Ecosia.org findet man einen Zähler, der die Erfolge des Unternehmens clever visualisiert. Den derzeit etwa acht Millionen Nutzern, deren Daten übrigens anonymisiert und nach vier Tagen gelöscht werden, wird angezeigt, wie viele Bäume sie finanzieren – das digitale Zählwerk tickt aktuell im 0,8-Sekunden-Takt und registriert somit etwa 75 finanzierte Bäume pro Minute.
Um das zu schaffen, steckt Ecosia seinen gesamten durch Werbung erzielten Profit in 22 Baumpflanzprojekte in 17 Ländern weltweit – nach Abzug der laufenden Kosten, der Gehälter und eines für Suchmaschinenbetreiber recht kleinen Marketingbudgets.
Gezählt werden nur Bäume, die tatsächlich angewachsen sind, genauer, die es auf ein Alter von drei Jahren gebracht haben. Das Augenmerk von Ecosia ist aber nicht nur auf eine möglichst hohe Zahl von erfolgreichen Baumpflanzungen gerichtet, sondern auf das Erhalten oder Neuanlegen von gesunden Ökosystemen. Vor Ort wird – mit Blick auf Nachhaltigkeit – darauf geachtet, welche Baumsorten heimisch sind, wann die beste Pflanzzeit ist und wie die Zukunftsprognose des bepflanzten Ortes ist, in Bezug auf Bebauung oder ähnliche Bedrohungen. Es arbeiten Projektmitarbeiter vor Ort und auch im Ecosia-Büro in Berlin, Ökoexperten, die den sperrig schönen Titel tragen „Tree Planting Officer".
Gezählt werden nur die Bäume, die auch angewachsen sind
Jedes Projekt bei Ecosia ist anders: In Uganda arbeiten die Berliner zusammen mit dem Institut von Jane Goodall, der bekannten Schimpansenforscherin. Das Uganda-Projekt schafft Wanderkorridore für Schimpansen, damit die Tiere geschützt von einem Waldflecken zum nächsten wandern können. In Burkina Faso ist Ecosia Teil der Aufforstung der Sahelzone. Tausende Hektar Wüste sollen dort Schritt für Schritt begrünt werden. Die Vielfältigkeit der Projekte zeigt, dass Ecosia nicht einfach nur Bäume pflanzen will. Es geht um Naturschutz, Artenschutz und nicht zuletzt darum, den Menschen, die mit Ecosia regional kooperieren, langfristig Arbeit und ein Einkommen zu geben. Denn nur dann sind Bauern – zum Beispiel in Indonesien – nicht mehr gezwungen, ihr Land aus Geldnot an landrodende Palmöl-Produzenten zu verkaufen.
Unterstützt werden Farmer deshalb auch beim Anbau heimischer Nutzpflanzen. Ecosia hat aber auch Projekte in Brasilien, mit denen der Regenwald entlang der Küste geschützt werden soll. Privatbesitzer betreiben dort Aufforstung von Waldflächen, auf die die Bolsonaro-Regierung keinen Zugriff hat. Als die quälenden Bilder des brennenden brasilianischen Regenwaldes im vergangenen Jahr in Deutschland und europaweit Schlagzeilen machten, bekam Ecosia enormen Zulauf. Das ist nicht nur für Christian Kroll ein sehr zweischneidiges Schwert. Innerhalb einer Woche stieg die Download-Zahl der Ecosia-App um mehr als 1.000 Prozent. Schockiert von den Bildern des brennenden Urwalds wollten die Menschen weltweit etwas tun und landeten so bei Ecosia.
Bis heute hat das Unternehmen nach eigener Aussage fast 81 Millionen Bäume gepflanzt. Tendenz klar steigend. Das Start-up will möglichst schnell eine Milliarde Neupflanzungen erreichen. Unterstützung bekommt Ecosia von der Wissenschaft. Wie wirkungsvoll und ökologisch stimmig die Idee des Bäumepflanzens gegen den Klimawandel tatsächlich ist, zeigen neue Forschungen. Ein weltweites intensives Aufforstungsprogramm könnte demnach langfristig zwei Drittel des gesamten von Menschen produzierten CO2 umwandeln.
„Diese neue quantitative Bewertung des Effekts von Aufforstung, zeigt, dass Aufforstung nicht nur eine Lösung des Klimawandel-Problems sein könnte, sondern die beste Lösung ist unter allen Lösungsansätzen, die bisher vorgeschlagen wurden", sagt etwa Professor Thomas Crowther von der Eidgenössischen Technische Hochschule (ETH) in Zürich. Den Forschern des Crowther Lab, die an der ETH nach natürlichen Lösungen für die Folgen des Klimawandels suchen, geht es vor allem um ehemals intakte, aber heute zerstörte Ökosysteme. Crowther betont, dass eine Reduzierung der CO2-Emissionen und ein Ende der Waldzerstörung höchste Dringlichkeit haben. Er gibt zu bedenken, dass die positiven Effekte der Aufforstung wohl erst in Jahrzehnten die volle Wirkung erzielen würden. Die von ihm und seinen Wissenschaftskollegen vorgeschlagene Lösung lässt sich hingegen sofort angehen – und sie wäre vergleichsweise billig zu haben.
Dem Klimawandel durch Pflanzungen entgegenwirken
Und hier schließt sich der Kreis zu Ecosia. Dort ist man sich durchaus darüber im Klaren, dass auch die größten Aufforstungsanstrengungen vergeblich sind, wenn es politisch nicht gelingt, weitere Rodung und Abholzung von Wäldern zu stoppen. Hilft Ecosia also nur, seinen Nutzern ein gutes Gewissen zu vermitteln, und dabei bleibt es? Dass Ecosia kein Ersatz sein kann für politische Entscheidungen und einen ökologisch verantwortlicheren Lebensstil betont man beim Berliner Start-up in schöner Regelmäßigkeit. Ecosia will kein Alibi sein, nach dem Motto: „Ich fahre einen SUV in der Stadt, bevorzuge auch bei Kurzstrecken das Flugzeug, aber ich benutze doch als Suchmaschine Ecosia."
Künftig plant der Suchmaschinenbetreiber deshalb Verbesserungen in Richtung eines nachhaltigen Lebensstils. Er will seinen Nutzern grünere Suchergebnisse präsentieren: Ökologisch nachhaltige Firmen sind mit einem grünen Blatt gekennzeichnet, Umweltsünder mit einem Kohlekraftwerk. Es ist wohl keine Überraschung, dass man bei Ecosia die Klimapolitik der Bundesregierung, für „eine Farce" hält. Dass die Bundesregierung aber immerhin Ecosia und seine Umweltarbeit kennt und unterstützt, ist sicher positiv zu bewerten.
Ecosia-Gründer Christian Kroll traf sich im September mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Bei dem Gespräch ging es um alternative Eigentumsformen und Rechtssicherheit für die wachsende Zahl von Unternehmern, die – wie auch Ecosia – nicht zuerst an Gewinnmaximierung orientiert sind, sondern an übergeordneten Zielen. Auch Christian Kroll reizt es nicht, sein Start-up möglichst schnell möglichst groß zu machen, um es an einen Investor zu verkaufen und auszusteigen. Der 36-jährige Chef der alternativen Suchmaschine verschenkte sein Unternehmen an eine Stiftung, die verhindert, dass er damit reich wird. Juristisch solide abzusichern, dass Ecosias Gewinne immer dem Gemeinwohl zukommen, war dabei gar nicht so einfach und nur mit viel Zeitaufwand in eine Rechtsform zu gießen.
Ecosias Erfolge sprechen sich nun auch bei Firmen herum, die bisher wenig Schlagzeilen für ihr nachhaltiges oder ökologisches Arbeiten machten, darunter auch Logistik-Riese und Bahn-Tochter Schenker.
Das Unternehmen wurde in eine Stiftung überführt
Das Unternehmen stellte laut eigener Pressemitteilung im September auf die Suchmaschine Ecosia um. Ist das bloßes Greenwashing einer Firma, die 80 Prozent ihrer Güter mit dem Lkw transportiert? Die 34.600 umweltschädliche Lastwagen, aber nur 2.700 umweltfreundlichere Güterzüge im Einsatz hat? Dass wird sich auch dann zeigen, wenn Ecosia wissenschaftlich gestützte Langzeiterfolge vorweisen kann.