Der SV Bübingen war eine gute Adresse im Saar-Fußball und Stammgast beim Hallen-Masters. Nach einem Insolvenzverfahren starten die Nachfolger ganz unten.
Zeit ist für Tobias Hauer ein kostbares Gut. Gerade erst war der 27-Jährige als Linienrichter beim Vorbereitungsspiel des 1. FC Saarbrücken gegen Großaspach im Einsatz, da drehen sich die Gedanken schon wieder um seinen Heimatverein. „Als wir die Neugründung angegangen sind, habe ich mir tatsächlich einen Terminkalender zugelegt, damit ich nichts vergesse", sagt Hauer, der seit dem vergangenen Sommer Vorsitzender des SV 19 Bübingen ist. Der Vorgängerverein sorgte über Jahre für positive Schlagzeilen im Saarland. Mehrfach qualifizierte sich der kleine Club aus dem Regionalverband Saarbrücken für das Hallen-Masters, war Stammgast in der Saarlandliga und klopfte auch mal an die Tür zur Oberliga. Grundlage dafür waren eine exzellente Jugendarbeit und eine verschworene Gemeinschaft. Hauer, Jahrgang 1992, gehört zu dieser Generation, durchlief die komplette Jugend des SVB, bis ihn 2012 ein Kreuzbandriss stoppte. Danach legte er den Schwerpunkt auf die Schiedsrichterei, kickte wenn es die Zeit zuließ, noch in der Zweiten. Hautnah dabei war er auf jeden Fall immer. „Irgendwann konnte man die sportliche Qualität nur noch mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs nicht mehr auf dem hohen Niveau halten. Also ist man in den Wettbewerb mit anderen Vereinen eingestiegen und hat externe Leute verpflichtet. Wenn man sich heute in der Saarlandliga etablieren will, muss man Gehälter zahlen", sagt Hauer.
Für einen Verein aus einem 3.500-Einwohner-Ort ein Drahtseilakt. Einige Jahre ging das gut. Doch dann nahm das Unheil seinen Lauf. Ein paar Fehlentscheidungen, Steuernachforderungen und fällige Kreditraten – im Frühjahr 2019 hatte sich ein Schuldenberg von nahezu 100.000 Euro aufgetürmt. Ein paar Monate lang versuchte der Vorstand noch, den Spielbetrieb in der Saarlandliga aufrechtzuerhalten. Doch die Mischung aus Reserve-Akteuren und Jugendspielern ging gnadenlos unter und verlor die Lust. Im Herbst wurde der Spielbetrieb eingestellt, der Verein schaffte es mangels Masse nicht einmal, ein geordnetes Insolvenzverfahren abzuwickeln. „Ein Schock", sagt Hauer heute, der betont, „dass ein Sportverein für ein Dorf wie Bübingen ganz wichtig ist." Also machte er sich mit einigen früheren Mitspielern daran, die Scherben zusammenzukehren. Ein halbes Jahr später wurde der SV 19 aus der Taufe gehoben, Hauer zum Chef gewählt, „weil am Ende niemand anderes da war, der das machen wollte".
Lange Zeit beim Masters dabei
Nun ist er mit 27 einer der jüngsten Vereinsvorsitzenden im Saarland. Der Polizeikommissar im Schichtdienst fährt ein hohes Pensum. Samstags ist er entweder als Linienrichter in der Regionalliga oder als Schiri in der Oberliga im Einsatz. Sonntags steht er für seinen Verein selbst auf dem Platz.
Zeit für Privates bleibt da kaum. Seit einigen Monaten ist Hauer Single, was für ihn „okay" ist: „Mit einer Familie könnte ich dieses Pensum sicherlich kaum stemmen", sagt er. Angst, dass er auf dem Amt in Bübingen „kleben" bleiben könnte, hat er nicht. „Ich bin mir bewusst, dass im ganzen Land Ehrenamtler händeringend gesucht werden. Aber ich habe mir schon einen konkreten Plan gemacht", sagt Hauer und spricht von einer „Fünf-Jahres-Periode".
Dann soll der Verein, der im Sommer den Neustart in der Kreisliga wagte, in der Landesliga spielen: „Ich denke, das ist eine Liga, in der sich ein Verein aus einer kleinen Gemeinde durchaus etablieren kann." Die gröbsten Aufräumarbeiten sind abgeschlossen, langsam kehrt am Meerwaldstadion wieder Normalität ein. Auch wenn die Wunden der Vergangenheit noch nicht alle verheilt sind. „Das Ende war nicht schön", gibt Hauer zu und spricht davon, „dass einige ehemalige Sponsoren mit dem Fußball in Bübingen nichts mehr zu tun haben wollen."
Er und seine Mitstreiter leisten Überzeugungsarbeit, sprechen mit ehemaligen Geldgebern und Mitgliedern. Die Bilanz nach einem Dreivierteljahr ist beachtlich. Mehr als 200 Mitglieder hat der neue Verein bereits, davon spielen 80 in den Jugendmannschaften. 200 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Spielen. „Die gegnerischen Vereine rufen uns vorher an und fragen, wie viele Fans wir mitbringen, damit sie genug Würstchen kaufen. Das gibt’s in der Kreisliga sicher nicht oft", sagt der Polizeibeamte lachend. Und auch auf der Sponsorenseite tut sich was. Die Ursapharm, die ihren Geschäftssitz in Bübingen hat, begleitete den Neustart positiv, versorgte den Verein mit Trikots. „Dominik Holzer hat uns sehr geholfen", sagt Hauer: „Das war nicht unbedingt selbstverständlich." Wehmut klingt im Gespräch mit dem Vollblutfußballer nicht durch. Auch nicht, wenn es um das Masters geht. „Für uns war es eine super Sache, als kleiner Verein mehrfach dort vertreten zu sein. Das halbe Dorf ist zu dem Turnier gefahren."
Überzeugungsarbeit bei ehemaligen Förderern
Am 2. Februar, wenn die diesjährige Auflage in der Saarbrücker Saarlandhalle steigt, wird Hauer ebenfalls vor Ort sein. Nachdem er im vergangenen Jahr als Schiri im Einsatz war, „sind diesmal andere an der Reihe". Ihm bleibt die Rolle des neutralen Zuschauers.
Dass der SV 19 irgendwann einmal wieder zum Masters fährt, ist dabei sein großer Traum. „Wir haben eine Hallentradition in Bübingen, richten ein eigenes Turnier aus und haben insgesamt neun Turniere gespielt. Wir haben uns wacker geschlagen, aber für einen Kreisligisten wäre es vermessen, wenn wir uns ernsthaft Chancen ausgerechnet hätten.
Der Fokus liegt ohnehin auf der Kreisliga-Saison. Ging es im vergangenen Sommer darum, einen ordentlichen Spielbetrieb auf die Beine zu stellen und sich „im Vorderfeld zu etablieren", sind die Ansprüche schnell gewachsen. Nach der Hinserie steht der SV 19 mit nur einer Niederlage auf dem ersten Platz. „Ich kann jetzt schlecht sagen, dass wir Fünfter werden wollen. Die Meisterschaft ist natürlich das Ziel", lacht Hauer. Die Tränen am Meerwald sind längst getrocknet.