Der KSV Köllerbach steht im Finale um die Deutsche Ringermeisterschaft. Der Gegner heißt abermals Wacker Burghausen und geht als großer Favorit in die Kämpfe.
Drama können sie beim KSV Köllerbach. Zwei Jahre nachdem man in einem an Spannung kaum zu überbietenden Ringkampfabend dem TuS Adelhausen noch einen Neun-Punkte-Vorsprung entrissen hatte, stehen die Saarländer erneut im Finale um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft. Der Gegner heißt erneut Wacker Burghausen und wieder war der Halbfinalrückkampf der „Köllerbacher Wölfe" nichts für schwache Nerven. Die Hypothek aus dem Heimkampf gegen den SV Nackenheim war nicht so groß, wie 2017 beim „Wunder von Püttlingen". Lediglich ein Punkt musste von den Saarländern in der Carl-Zuckmayer-Halle aufgeholt werden.
Für die ambitionierten Gastgeber war das Erreichen des Halbfinales bereits der größte Erfolg der Vereinsgeschichte – doch sie wollten mehr und verlangten den Saarländern alles ab. Der KSV führte vor dem letzten Kampf – traditionell in der Klasse bis 75 Kilo Freistil – mit 14:12, bei einer Niederlage von Andrij Shyyka gegen Osman Kubilay Cakici wären aber die Rheinhessen ins Finale eingezogen. Schnell lag der 39-jährige Köllerbacher 0:3 hinten, zur Pause aber wieder 4:3 vorne. Noch zweimal sollte in Runde zwei die Führung wechseln. Angst und Zuversicht, Entsetzen und Freude wechselten sich ab – eine Achterbahnfahrt der sportlichen Gefühle endete nach einer Oberlage und zwei Beinschrauben in einem ohrenbetäubenden Siegesjubel von rund 300 mitgereisten KSV-Fans. Shyyka gewann 12:5, der KSV mit 16:12. „Nun geht die Arbeit für uns erst richtig los", sagte Köllerbachs Vorsitzender Hilmar Rehlinger, nachdem er sich ein Siegerküsschen bei seiner Frau abgeholt hatte, „wir müssen nun alles für das Finale organisieren." Das findet an diesem Samstag in der Völklinger Hermann-Neuberger-Halle statt.
Shyyka spielte am Ende seine ganze Routine aus
Anders als die Köllerbacher machte Burghausen mit seinem Halbfinalgegner, dem ASV Mainz, kurzen Prozess. Dem 20:9 in der Fasenachts-Metropole folgte ein 20:8 an der österreichischen Grenze. Wacker hatte schon in der Vorrunde für Schlagzeilen gesorgt – allerdings nicht unbedingt für positive. Am letzten Kampftag war man mit einer Rumpfmannschaft beim ASV Schorndorf angetreten, verlor folgerichtig 9:28. Die Schorndorfer zogen damit in der Tabelle am SV Johannis Nürnberg vorbei auf Platz drei und landeten somit im Lostopf für die Play-offs. Manipulationsvorwürfe machten die Runde. Doch der „Ringer-gott" sorgte in diesem Fall für Gerechtigkeit: Statt Schorndorf bekamen die RSG Freiburg und der KSV Witten die beiden Viertelfinalplätze für die Drittplatzierten der Vorrundenstaffeln zugelost. Auch Burghausens Halbfinalgegner Mainz sorgte für Gesprächsstoff, der nun vielleicht sogar Gerichte beschäftigen könnte. Der Schultersieg von Hammet Rüstem (61 Kilo griechisch-römisch) von den Red Devils Heilbronn gegen den Mainzer Dogus Ayazci im Viertelfinale wurde nachträglich aberkannt. Der „Teufel" hatte eine Hautveränderung, die das Mattengericht zunächst nicht zu einem Ausschluss bewegte. Das von den Mainzern angerufene Verbandsgericht danach aber schon. Heilbronn schied aus und hat nun den bekannten Sportrechtler Christoph Schickhardt mit der Wahrung seiner Interessen gegen den Deutschen Ringerbund (DRB) beauftragt.
Der Ausgang des Streits ist offen – der des Finales eigentlich nicht. Zu stark scheinen die Ostbayern besetzt. Doch steht für die Sportler in diesem Jahr ein anderes Ereignis deutlich höher im Kurs als die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft: die Olympischen Spiele. Viele Aktive und ihre jeweiligen Landesverbände hoffen noch, über eines der Qualifikationsturniere ein „Ticket to Tokio" lösen zu können. Darauf ist die Trainingsarbeit ausgerichtet.
„Ich habe im Dezember pausiert und erst im Januar wieder richtig mit dem Training begonnen", sagt beispielsweise Köllerbachs 130-Kilo-Greco-Mann Heiki Nabi. Der Este ist bereits für die Spiele qualifiziert." Andere bangen noch. „Darum ist es für mich wichtiger, in zwei Monaten in Form zu sein, wenn es ums Ganze geht", sagt die saarländische Olympiahoffnung Etienne Kinsinger. Dessen Vorbereitungslehrgänge waren bislang allerdings gut mit den Terminen seines Vereins koordinierbar. Anders als beim Mannschaftskollegen Andrij Yatsenko. Der Mann für die 57 und 61 Kilo Freistil fehlte den Köllerbachern bislang in den Play-offs. Der Verband verweigerte die Freigabe.
Dem Verband drohen juristische Nachspiele
Die Frage, welcher Verein in den Finalkämpfen mehr seiner Leistungsträger auf die Matte bringen kann, könnte also fast entscheidender werden als die nach der aktuellen Form. „Man sollte den Mund nicht zu weit aufreißen", sagt Shyyka auf die Frage, wer denn nun Deutscher Meister wird, „wir werden alles dafür tun. Wenn es zu Hause gut läuft, ist alles machbar."
Denn weil im Rückkampf die Stilarten in den einzelnen Gewichtsklassen von griechisch-römisch auf Freistil und umgekehrt gewechselt werden, stehen die Köllerbacher in Burghausen eigentlich personell stärker da als zu Hause. „Ich erinnere mich an das Finale gegen Luckenwalde. Da waren wir auf dem Papier auch krasser Außenseiter. Wir haben trotzdem gewonnen. Diese Mentalität spüre ich auch in dieser Mannschaft", sagt Timo Badusch. Und für filmreif dramatische Enden haben sie in Köllerbach ja ohnehin eine Ader.