Vor gut zehn Jahren wurde das Biosphärenreservat Bliesgau von der Unesco anerkannt. Jetzt geht es um die Verlängerung des Status’. Die Chancen stehen nicht schlecht.
Voraussichtlich im Sommer soll die Entscheidung fallen, ob der Bliesgau weiter das anerkannte Leuchtturmprojekt bleibt, für das er vor zehn Jahren den internationalen Ritterschlag erhalten hat. Die Verantwortlichen, allen voran der Homburger Landrat Theophil Gallo als Vorsteher des Zweckverbandes, und Umweltstaatssekretär Sebastian Thul zeigen sich aufgrund der Zwischenbilanz zuversichtlich. Zunächst war das deutsche Komitee des Programms Mensch und Biosphäre (men and biosphere, MAB) gefragt.
50 Textseiten dürfte der Evaluationsbericht umfassen, den die Geschäftsführer des Biosphärenreservats Bliesgau, Holger Zeck und Gerhard Mörsch, mit ihrem Team und dem des Umweltministeriums verfasst haben. Seit Ende 2017 liegen die Fragen vor. Im Oktober 2018 fand eine Bereisung des Gebiets statt und im September 2019 wurde der Bericht nach Paris geschickt. „Neben konstruktiver Kritik wurden viele Aspekte des saarländischen Biosphärenreservats ausdrücklich gelobt", teilt das saarländische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit.
„Das Biosphärenreservat hat nach zehn Jahren eine hohe Sichtbarkeit und Akzeptanz erlangt, die sich in einer guten Wiedererkennung in der Region und einem hohen Engagement der Akteure widerspiegelt", heißt es im Schreiben des MAB-Nationalkomitees an die Unesco. Das MAB-Nationalkomitee ist ein nationales Fachgremium, berufen vom Bundesumweltministerium, das für die Unesco die regelmäßige periodische Evaluierung der Reservate begleitet. Die Zeichen für eine weitere Anerkennung des Biosphärenreservats Bliesgau durch die Unesco stehen dem Umweltministerium zufolge also gut.
Hervorgehoben wird die enge Zusammenarbeit der Akteure im Biosphärenreservat. Das MAB-Nationalkomitee zeigt sich beeindruckt, wie die Geschäftsstelle des Reservats die komplexen Aufgaben mit vergleichsweise wenig Personalressourcen umsetzt. Gallo erinnerte daran, dass hierzulande immer wieder kritisiert worden sei, dass das Biosphärenreservat Bliesgau zwei Geschäftsführer habe. Dem Umweltministerium zufolge hebt das Komitee die vorbildliche und zukunftsweisende Ausarbeitung von Konzepten und die Umsetzung von Projekten im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hervor. Insbesondere die Zusammenarbeit mit einer großen Zahl und Vielfalt von BNE-Akteuren, die alle Zielgruppen abdecken, wird als bundesweit modellhaft bewertet.
Fortschritt bei regionalen Produkten
Gallo erinnerte daran, dass es das Biosphärenreservat Bliesgau am Anfang schwer hatte. „Es tut mir weh, wie das bei uns heruntergeredet wird." Was in den letzten zehn Jahren geschafft wurde zeige sich unter anderem an 50 Partnerbetrieben, die das Biosphärenreservat derzeit hat. Weitere seien willkommen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Fortschritte bei der Produktion und Vermarktung nachhaltig hergestellter regionaler Produkte hervorgehoben. Besondere Anerkennung fand etwa das „Bliesgau-Regal". Dieses Verkaufsregal im Einzelhandel konnte seinen Umsatz in zehn Jahren (zwischen 2008 und 2017) um 270 Prozent steigern, heißt es im Evaluationsbericht.
Aber ganz ohne Punktabzug kommen die bisherigen Entwicklungen nicht davon. So bemängelt das Komitee die Zusammenarbeit mit Handwerk und Industrie, die verstärkt in die Netzwerk-Arbeit des Biosphärenreservats eingebunden werden sollen. Kritisch beurteilt es auch die aus seiner Sicht zu geringen Aktivitäten in Forschung und Monitoring. Hier wird die Ausweitung von Projekten unter anderem auch zu sozioökonomischen Fragestellungen erwartet.
Auch mehr ökologische Landwirtschaft wünscht sich das Komitee. Derzeit liege die Quote bei 19 Prozent. Sie solle auf 20 bis 25 Prozent ausgebaut werden, kündigt Umweltstaatssekretär Thul an. Momentan gebe es 26 Betriebe im gesamten Saarland, die auf ökologischen Landbau umstellen wollten. Für deren Unterstützung würden 23 Millionen Euro bereitgestellt.
Auch in einem anderen Punkt gibt es Nachholbedarf, nämlich bei der technischen Sanierung öffentlicher Gebäude – auch eine Aufgabe in der Biosphäre. Diesbezüglich verweist der Landrat darauf, dass es allein im Saarpfalz-Kreis einen Investitionsstau von 80 Millionen Euro bei den Schulen gebe. Aber auch hier soll jetzt verstärkt zugeschossen werden. Die Biosphäre besteht eigentlich aus drei Zonen, in denen unterschiedliche Nutzungen erlaubt beziehungsweise eben nicht mehr möglich ist. Darum gab es von Beginn an Auseinandersetzungen. Jetzt wird diese „Zonierung" einerseits gewürdigt, weil die Kern- und Pflegezonen seit 2009 etwas vergrößert und die naturschutzrechtlich geschützte Fläche im Reservat gesteigert wurde. Die Fläche der Kernzonen ist von rund 1.100 auf rund 1.200 Hektar vergrößert worden. Diese Flächen sollen nicht durch menschliche Bewirtschaftung beeinflusst werden, sie dienen der CO2-Speicherung, der Bereitstellung von sauberer Luft und Trinkwasser sowie der Entwicklung ungestörter Böden.
Zu wenig Forschung und Bio-Landwirte
Die Flächen der Pflegezonen, die beim Biosphärenreservat Bliesgau gern als „naturschutzfachliches Tafelsilber" bezeichnet werden, weil sie viele Arten enthalten, die auf der Roten Liste stehen, stiegen von 7.050 Hektar auf 7.240 Hektar. Dagegen haben sich Entwicklungszonen von knapp 28.000 Hektar auf gut 27.700 verringert. So bleibt die Gesamtfläche bei gut 34.150 Hektar gleich. Die Änderungen hätten vor allem dazu gedient, Nutzungskonflikte zu lösen.
Allerdings soll jede Kernzone von einer Pflegezone umgeben sein, sozusagen als Puffer. Dies ist im Biosphärenreservat Bliesgau teilweise nicht der Fall. Bei der Einrichtung und bei der rechtlichen Sicherung der Pflegezonen erwartet das Komitee weitere Bemühungen. Das MAB-Nationalkomitee will bereits 2021 eine erste Rückmeldung zu den Kritikpunkten. In einigen Punkten wurde bereits reagiert, etwa bei der Frage der Zonierung. Staatssekretär Thul: „Die gute Entwicklung muss weitergehen. Wir sind dankbar für die wichtigen Hinweise und Anregungen des MAB-Nationalkomitees und werden die Arbeit des Biosphärenzweckverbandes tatkräftig bei der Umsetzung unterstützen."
Helga May-Didion, die dem MAB-Komitee angehört, verweist darauf, dass eine Aberkennung des Biosphären-Status zwar selten sei, aber eben nicht ausgeschlossen, und nannte zwei Fälle in Österreich. Eine derart harte Entscheidung gebe es, wenn man über mehrere Evaluierungsperioden Aufgaben nicht in Angriff nehme. Biosphären-Geschäftsführer Mörsch kennt weitere Fälle in Südamerika, in denen der Status aberkannt wurde.
Er sprach deshalb seinerzeit von einer „Anerkennung, die man sich verdient hat". Und regelmäßig neu verdienen muss.