Bis zu 800 Millionen Menschen werden beim Super Bowl am 2. Februar vor dem Fernseher sitzen und sowohl das Spiel als auch die Halbzeit-Show gebannt verfolgen. Zum 100. Geburtstag der Liga ist der Rummel sogar noch ein bisschen größer als sonst.
Jedes Jahr am ersten Sonntag im Februar herrscht bei den Wasserwerken in ganz Amerika erhöhte Alarmbereitschaft. Wenn beim Super Bowl der Halbzeitpfiff ertönt, suchen landesweit rund 90 Millionen Menschen gleichzeitig die Toilette auf, was für die Infrastruktur eine enorme Belastung bedeutet. Die gleichzeitigen Spülungen entsprechen 1,4 Milliarden Litern Wasser – in etwa so viel, wie in 39 Minuten die Niagarafälle hinabdonnert. Wohl keine andere Zahl verdeutlicht den Stellenwert des Super Bowls besser als diese. Während des Spiels auf die Toilette zu gehen, kommt für die meisten Fans nicht infrage. Das Risiko, dabei etwas zu verpassen, wäre einfach zu groß.
Auch in diesem Jahr wird die „größte Show auf Erden" die Massen wieder in ihren Bann ziehen. Das Endspiel der amerikanischen Football-Profiliga NFL wird dieses Mal am 2. Februar im Hard Rock Stadium in Miami Gardens in Florida ausgetragen. Dann werden weltweit erneut bis zu 800 Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten sitzen. Der Super Bowl ist damit das größte Ein-Tages-Sportevent der Welt, vergleichbar nur mit dem Finale der Fußball-WM oder dem Champions-League-Finale. In diesem Jahr könnte die Aufmerksamkeit sogar noch ein wenig größer sein als sonst, schließlich ist die diesjährige Auflage gleich in doppelter Hinsicht historisch. Es ist nicht nur die 100. Saison der NFL (National Football League), sondern zugleich der 50. Super Bowl der modernen Ära, seit sich 1970 die NFL und die AFL zusammenschlossen. Die ersten vier Endspiele wurden zuvor noch zwischen den Meistern der beiden Ligen ausgetragen.
Endspiel findet in Florida statt
Seinen Namen verdankt der Super Bowl übrigens Lamar Hunt, dem früheren Eigentümer der Kansas City Chiefs. Oder besser gesagt: seiner Tochter und ihrem Lieblingsspielzeug. „Unsere Kinder hatten jedes einen Ball, einen super Ball aus Vollgummi, der sehr hoch sprang. Meine Tochter redete andauernd über diesen ‚super Ball‘", berichtete Hunt später. So sei er auf die Idee gekommen, dass das letzte Spiel der Football-Saison der Super Bowl sein solle – in Anlehnung an die Endspiele im College-Football, die schon damals Bowl Games genannt wurden.
Der erste Super Bowl – beziehungsweise damals noch AFL-NFL World Championship Game; der heutige Name wurde erst seit 1969 offiziell verwendet – fand im Januar 1967 in Los Angeles statt. NFL-Champion Green Bay Packers besiegte Hunts Kansas City Chiefs aus der AFL mit 35:10. Damals blieb ein Drittel der Plätze im Stadion unbesetzt, obwohl die günstigsten Tickets bereits für sechs Dollar zu haben waren. Beides ist heute unvorstellbar. Die Kartenpreise belaufen sich heutzutage auf mehrere Tausend Dollar; wer in Höhe der Mittellinie sitzen will, ist mit 15.000 Dollar dabei. Allein der Parkplatz vor dem Stadion kann bis zu 500 Dollar kosten. Trotzdem ist der Super Bowl jedes Mal ausverkauft. Den Zuschauerrekord hält nach wie vor das Finale 1980 in Pasadena in Kalifornien, als 103.985 Besucher im Stadion waren. In diesem Jahr werden 65.000 Besucher live dabei sein.
Schon in den Tagen vor dem Super Bowl grassiert in den USA das Football-Fieber. Am Finaltag selbst finden im ganzen Land (und längst auch in Deutschland) private und öffentliche Super-Bowl-Partys statt. 120 Millionen Liter Bier und 1,3 Milliarden Chicken Wings werden an diesem Tag verzehrt; Pizza-Lieferdienste machen dann binnen weniger Stunden ein Drittel ihres Jahresumsatzes. Die Firma Pizza Hut stellt sogar extra für diesen Tag 11.000 neue Aushilfskräfte ein.
103.985 Besucher im Finale 1980
Längst ist das Spiel auch ein Wirtschaftsfaktor. Die Preise für einen 30-sekündigen Werbespot belaufen sich auf exorbitante 5,3 Millionen Dollar, doch die Unternehmen bezahlen diesen Preis wie selbstverständlich. Viele Firmen lassen sich etwas einfallen und entwickeln extra für diesen Tag spezielle Spots, häufig mit prominenter Besetzung, die Kultcharakter haben. Tatsächlich werden die aktuellen Clips zum Super Bowl fast genauso heiß erwartet wie das Spiel selbst.
Sogar der Verlauf des Aktienmarktes für das kommende Jahr soll sich angeblich mit dem Ergebnis vorhersagen lassen. Demnach fallen die Kurse, wenn der Vertreter der American Football Conference (AFC) gewinnt, und steigen, wenn ein Team aus der National Football Conference (NFC) die Vince-Lombardi-Trophäe holt. Die Genauigkeit dieser pseudo-ökonomischen Vorhersage lag in der Vergangenheit immerhin bei 80 Prozent.
Die NFC hat dabei historisch knapp die Nase vorn. 27-mal stellte sie den Super-Bowl-Sieger, einmal mehr als die AFC. Zwischen 1985 und 1997 kam der Meister sogar 13-mal hintereinander aus der National Football Conference. Zuletzt siegte im vergangenen Jahr allerdings ein Vertreter aus der AFC: Die New England Patriots holten sich durch ein 13:3 gegen die Los Angeles Rams ihren insgesamt sechsten Titel. Sie zogen damit in der ewigen Tabelle mit den Pittsburgh Steelers gleich, die ebenfalls schon sechsmal den Titel gewannen. Dahinter folgen die Dallas Cowboys und die San Francisco 49ers mit jeweils fünf Meisterschaften. Die 49ers waren bei ihrem bislang letzten Erfolg 1995 Teil des punktereichsten Super Bowls aller Zeiten: Der Club behielt im Westküstenduell gegen die San Diego Chargers (die heutigen Los Angeles Chargers) mit 49:26 die Oberhand.
Trump verpasst Sensation
Das Spiel der Patriots im Vorjahr gegen die Rams war dagegen das punkteärmste Endspiel der Geschichte. Auf diesen Rekord ist man nicht unbedingt stolz, auf andere dagegen schon. Mit insgesamt elf Super-Bowl-Teilnahmen ist der Club auch in dieser Hinsicht die Nummer eins – Pittsburgh, Dallas und die Denver Broncos folgen dahinter mit immerhin acht Teilnahmen. New Englands Cheftrainer Bill Belichick ist zudem die Person mit den meisten Siegen in der Geschichte des Super Bowls mit insgesamt acht Erfolgen – außer mit den Patriots gewann er auch zweimal mit den New York Giants. Als Spieler kommt Patriots-Quarterback Tom Brady auf den Bestwert von sechs Siegen. Beide waren 2017 auch dabei, als erstmals ein Super Bowl erst in der Verlängerung entschieden wurde. Damals führten die Atlanta Falcons gegen die Patriots bereits mit 28:3, ehe New England ein furioses Comeback gelang. Daran hatte nicht einmal US-Präsident Donald Trump als erklärter Patriots-Fan mehr geglaubt, der seine eigene Super-Bowl-Party in einem Golfclub in Florida deshalb schon frühzeitig verlassen hatte. Trump und die Falcons sind nicht die einzigen Flops in der Geschichte des Super Bowls. Die Buffalo Bills etwa brachten zwischen 1991 und 1994 das Kunststück fertig, viermal in Folge das Endspiel zu erreichen und jedes Mal zu verlieren. Auch den Minnesota Vikings gelang bei bisher vier Teilnahmen noch kein einziger Sieg. 2018 wären die Vikings fast ein fünftes Mal ins Finale eingezogen, das in diesem Jahr sogar in Minneapolis stattfand, doch sie scheiterten im Halbfinale gegen die Philadelphia Eagles. Damit hat weiterhin noch keine Mannschaft einen Super Bowl zu Hause bestreiten dürfen.
Doch es geht beim Super Bowl nicht nur um den Sport. Die ganze Veranstaltung ist ein einziges Spektakel. Vor dem Kick-off wird auf dem Spielfeld eine riesige Nationalflagge ausgebreitet, übers Stadion hinweg donnert eine Fliegerstaffel. In der Halbzeit und für die Nationalhymne treten namhafte Musikstars ans Mikrofon. Auf der Liste der bisherigen Auftritte finden sich Show-Giganten wie Whitney Houston, Michael Jackson, Bruce Springsteen, die Rolling Stones oder U2. In der jüngeren Vergangenheit traten unter anderem Justin Timberlake, Lady Gaga, Katy Perry und Coldplay auf, im vergangenen Jahr waren es Maroon 5. Für 2020 sind die beiden Latin-Pop-Sängerinnen Jennifer Lopez und Shakira angekündigt, die zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne stehen. „Größer wird es nicht", schrieb Letztere zu einem Foto von sich und Lopez auf Twitter. Ein Satz, wie er den Super Bowl auch insgesamt nicht besser beschreiben könnte.