American Football wird in Deutschland immer beliebter. Und auch immer mehr deutsche Spieler schaffen den Sprung in die National Football League. Ein Blick in die Geschichte.
Als Uwe von Schamann 1972 mit seiner Mutter in die Vereinigten Staaten zieht, hat er noch keine Ahnung von American Football. Geschweige denn davon, wie sehr dieser Sport sein Leben prägen wird. Der damals 16-Jährige ist aktiver Fußballer in seiner West-Berliner Heimat, Football aber spielt dort keine Rolle. „Ich habe überhaupt nicht gewusst was ein Football ist, bevor ich das erste Mal die Sporthalle in meiner neuen Schule betrat. Aber ab diesem Moment war ich hin- und hergerissen zwischen Fußball und Football", erklärt von Schamann vor ein paar Jahren der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Schnell ist es um den jungen Auswanderer geschehen, der als ausgebildeter Fußballer prädestiniert ist für die Rolle als Kicker.
„Ich habe nicht gewusst was ein Football ist"
In dieser Rolle macht er schon an der Highschool einen so nachhaltigen Eindruck, dass es für eines der begehrten Sportstipendien reicht. Und das nicht irgendwo, sondern an der Universität von Oklahoma. Deren Footballteam, die Oklahoma Sooners, gehört zur absoluten Elite des College-Footballs und kann auf eine lange und stolze Geschichte zurückblicken. Auch dort brilliert von Schamann und wird sogar zum besten Sooners-Kicker des Jahrhunderts gewählt. Kein Wunder dass ihn der nächste Schritt direkt in die National Football League zu den Miami Dolphins führt. Anders als heutzutage ist das Team aus Südflorida zu Beginn der 80er eine Spitzenmannschaft und so erreicht von Schamann im Trikot der Dolphins den größten Showdown, den der US-Sport zu bieten hat: den Super Bowl. Von Schamann weiß aus eigener Erfahrung: „Beim Super Bowl mitzuspielen ist das Größte, was es gibt. Davon träumt und dafür arbeitet jeder Footballspieler in Amerika jeden Tag." Der gebürtige Berliner erlebt dieses großartige Gefühl gleich zweimal, der Premiere 1983 folgt ein zweiter Anlauf 1985. Zwar verlieren die Dolphins beide Spiele, doch für von Schamann bleibt immerhin die Ehre, es als erster Deutscher in einen Super Bowl geschafft zu haben.
Die Ehre, als erster Deutscher in der NFL gespielt zu haben, gebührt allerdings einem anderen. Horst Mühlmann, Jahrgang 1940, schafft den Sprung in den Profi-Football bereits 1969, zehn Jahre vor von Schamann. Dabei hat Mühlmann zunächst ganz andere Pläne für sein Leben. Als Torwart von Schalke 04 ist Mühlmann mittendrin in den ersten Jahren der Bundesliga, ehe es ihn Ende der 60er nach Nordamerika zieht. Zunächst als Fußballer in einer semiprofessionellen Liga, dann aber packt ihn das Spiel mit dem Ei. Die Cincinnati Bengals verpflichten Mühlmann, als sie merken, dass dieser Deutsche einen Football so präzise treten kann wie kaum ein Amerikaner. Die „San Diego Union" bezeichnet den gebürtigen Dortmunder daraufhin sogar als „besten Import aus Deutschland seit Bier und Elke Sommer". Fünf Jahre bleibt Mühlmann dem Team aus Ohio treu und hängt anschließend noch drei Jahre in Diensten der Philadelphia Eagles dran. Zeit seiner Karriere als Footballer lebt Mühlmann zwei Leben. Während der Saison weilt er in Übersee und verdient gutes Geld, in der spielfreien Zeit arbeitet er als Fliesenleger in der Heimat und läuft für Schalkes Alte Herren auf. Den Durchbruch des American Footballs in Deutschland erlebt Mühlmann allerdings nicht mehr. Er stirbt 1991 mit nur 51 Jahren an einer Lungenkrankheit.
Nun als TV-Kommentatoren tätig
Während Horst Mühlmann und Uwe von Schamann eher zufällig und erst in den USA Footballspieler wurden, entscheidet sich Sebastian Vollmer schon in Deutschland ganz bewusst für diesen Sport. Als 14-Jähriger schließt sich der Rheinländer dem Team der Düsseldorf Panther an und wird Teil der deutschen Nachwuchs-Nationalmannschaft. Dort überzeugt Vollmer die Scouts der University of Houston von sich und ergattert ein Stipendium. 2009 verpflichten ihn schließlich die New England Patriots im Draft, der alljährlichen Aufteilung der Neuprofis unter den Teams. Damit wird Vollmer zum ersten gedrafteten NFL-Profi, der das Spiel in Deutschland erlernt hat. In Sachen Arbeitgeber hätte es deutlich schlechter kommen können, behaupten sich die Patriots doch seit gut 20 Jahren mit Geschick, Weitsicht und manch unsauberem Trick in der absoluten Spitze der Liga. Sieben Saisons verbringt Vollmer bei den Patriots als Offensive Tackle und hält dabei Quarterback-Superstar Tom Brady erfolgreich den Rücken frei. Der Lohn sind zwei Erfolge im Superbowl 2015 und 2017, gleichwohl Vollmer auf dem Weg zum zweiten Titel verletzt aussetzen muss und nur wenig zum Teamerfolg beitragen kann. Inzwischen hat der 35-Jährige eine neue Aufgabe abseits des Spielfelds gefunden und kommentiert für das Streamingportal DAZN die Montagsspiele der NFL. An seiner Seite ist dabei Markus Kuhn, von 2012 bis 2015 für die New York Giants aktiv. Kuhns größte sportliche Stunde schlägt im Dezember 2014, als er zum ersten deutschen Spieler wird, dem ein Touchdown in der NFL gelingt.
Auch Björn Werner hat sich für einen Job in der Medienwelt entschieden. Der Berliner teilt die Erfahrungen seiner kurzen, aber intensiven NFL-Karriere mittlerweile mit den Zuschauern von „ran" auf ProSieben Maxx. Werner ist der bislang einzige Deutsche, der in der ersten Runde des Drafts gezogen wurde. 2013 entscheiden sich die Indianapolis Colts aufgrund seiner hervorragenden Leistungen auf dem College für den Verteidiger und beschäftigen ihn drei Jahre. Der endgültige Durchbruch bleibt Werner allerdings versagt. Nicht zuletzt, weil der geschundene Körper rebelliert. Ein letzter Versuch, der Karriere noch etwas Schwung zu geben, scheitert im Sommer 2016, als ihn die Jacksonville Jaguars kurz vor Saisonbeginn entlassen. Kurz darauf beendet Werner seine Karriere und beginnt eine neue. Denn neben seiner Arbeit als Experte für „ran" hat sich Werner entschlossen, europäischen Football-Talenten den Weg in die USA zu ebnen und dafür die Stiftung „Gridiron Imports" aus der Taufe gehoben. In regelmäßig stattfindenden Trainingscamps können nun hoffnungsvolle Nachwuchs-Footballer vor amerikanischen Highschool-Trainern vorspielen und sich für Programme in den USA empfehlen. Und vielleicht wird der eine oder andere von ihnen tatsächlich einmal in der NFL spielen.