Während der Grünen Woche ist die Stimmung bei vielen derzeit gereizt
er mit den Bauern wieder ins Gespräch kommen will, muss sie stärken. Falsch? Weil die Bauern mit ihren Traktoren zum Start der Grünen Woche in Berlin im Regierungsviertel anrückten, grüne Kreuze in ihre Äcker rammten und sich vehement gegen neue Regeln für Dünger und Pflanzenschutz stellen? Sie sind es, die rauskommen müssen aus ihrer Jammerecke? Nein, so einseitig ist es nicht. Ein Annäherungsversuch in drei Schritten.
Schritt 1: Die Koteletts müssen mehr werden, die Euter praller, die Eier zahlreicher – über Jahre haben sich die Landwirte angehört, ihre Höfe müssten größer werden. Wie sie heute zumeist wirtschaften, war politisch gewollt. Nun heißt es, dass die Gülle ihrer Tiere das Grundwasser verseucht, ihr Mais den Schmetterlingen das Leben schwer macht. Dass es ohne Bauern nicht geht, dass das niemand will, dass Brüssel darum auch die Landwirte europaweit mit rund 60 Milliarden Euro im Jahr unterstützt, dass dies mehr Wertschätzung ist als für irgendeine Berufsgruppe sonst – das hören sie nicht. Der Mensch ist eher darauf gepolt, das Negative zu hören. Darum kommt bei vielen Bauern derzeit nur eins an: Meine Arbeit ist eh schon hart, jetzt soll sie auch noch mies sein? Ohne diesen Frust nachzuvollziehen, wird sich der Konflikt zwischen Landwirten und Naturschützern nicht lösen lassen. So mancher kommt eh kaum noch über die Runden.
Das ist – Schritt 2 – nicht den einzelnen Bauern anzulasten, vielmehr Ministern, die den massiven Wandel auf dem Lande über Jahre ignoriert, dem Wachsen und Weichen des Deutschen Bauernverbands keine vorausschauenden Ideen entgegengesetzt haben. Allein in den vergangenen 20 Jahren haben rund 205.000 ihren Hof dichtgemacht. Darum könnte es helfen, wenn die Regierung eingestehen würde: Es tut uns leid, wir haben die Grenzen der Rationalisierungen auf dem Lande zu spät erkannt, was wir da jetzt auf einmal von Euch verlangen, ist viel. Das Reden über eine bessere Strategie für das Leben auf dem Lande würde leichter.
Zunächst müsste es darum gehen, wo es hingehen soll, um eine Vision. Schließlich erstarrt leicht, wer nicht weiß, was noch alles kommt. Ein oder zwei Agrargipfel im Kanzleramt mit 40 Profis, die für Verbände, Länder und so fort sprechen, reichen da nicht.
Warum nicht – Schritt 3 – eine, wie die Franzosen sagen, große Debatte, ermöglicht von Bundes- oder Landesregierung? Die wird in der derzeit so gereizten Gesellschaft nicht leicht. Wer die Auseinandersetzungen zur Agrarpolitik auf Twitter, Facebook, Instagram anschaut, mag sich fragen, ob das funktionieren kann. Einer ätzte dort vor Kurzem in einem Video-Selfie über das „ganze Gesülze und Geseiere" der Politiker. Die zögen nur „ihren Stiefel durch, und was mit uns Bauern passiert, ist denen letzten Endes scheißegal". Ein anderer erklärte: „Wir müssen der Politik zeigen, dass man die Hand, die einen füttert, nicht straflos beißen kann." Beide gehören zur Initiative „Land schafft Verbindung". Sie schaffen das Gegenteil.
Doch kleine Videos, in denen die „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg auch keinem andern zu"-Regel aufgehoben scheint, sind fix gedreht. Wer dort seine Wut rausrotzt, spricht nicht für alle. Viele ticken anders, das zeigt sich in den Internetkommentaren auch. Nur dringen die Gemäßigten seltener durch.
Politiker müssen darum andere Räume suchen, meinen sie einen „nationalen Dialog" ernst, wie ihn CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner ankündigt. Das Feuerwehrhaus etwa, die Turnhalle, wo sich die Menschen austauschen können, die unterschiedlich mit dem Land zu tun haben. Wo es schwerer fällt, den anderen anzuschreien. Wo sich im besten Fall alle als Fachleute respektieren: Umweltverbände die Bauern als Nahrungsmittelproduktions-Experten, Bauern die Umweltschützer als Kenner für Klima, Wasser, Boden, beide die Politiker als Fachleute für nötige Regelungen, die Städter als Verbraucher und jeden als Steuerzahler. Wo das „Ich mache alles richtig, die anderen spinnen"-Denken aufbricht. Es wäre ein Angebot, Politik mitzumachen, Ideen einzubringen und sich nicht kleinzumachen, sondern: groß.