Zu Besuch auf der Mercedes Benz Fashion Week in Berlin: Wir berichten über das Große und Ganze, Promis, die Schauen und natürlich auch die Mode selbst.
Das erste Mal Fashion Week. Die Spannung im Vorfeld ist einigermaßen mit Vorfreude beladen. Klar kennt man solche Art von Veranstaltung von Berichterstattungen aus dem Fernsehen. Die Bilder aufgrund des Arbeitsalltags sowieso zuhauf aus jeglichen Bilddatenbanken. Und doch ist der Reiz da, das Ganze einmal aus der Nähe zu erleben.
Was vermutlich die wenigsten wissen – auf die Modeschauen kommt man nur mit Einladung. Influencer, Stars und Sternchen werden persönlich von den Designern und Designerinnen beziehungsweise deren Agenturen eingeladen, unsereins muss sich sozusagen bewerben und um eine Einladung bitten.
Schon in der Abflughalle am sehr überschaubaren Saarbrücker Flughafen sehe ich den ersten Promi, der höchstwahrscheinlich die gleiche Veranstaltung wie ich im Visier hat. Es ist Thomas Hayo. Der gebürtige Saarländer war wohl, so lässt es mich eine Freundin wissen, die ihm auf Instagram folgt, auf Heimaturlaub. Thomas Hayo ist Creative Director und vielen als langjähriger Juror der Castingshow Germany’s Next Topmodel bekannt.
Promis und Influencer bilden die Frontrow
In der Location in Berlin angekommen, bin ich positiv angetan. Dieses Jahr hat sich die Fashion Week in das Kraftwerk Berlin in Mitte verlegt. Der Bau des stillgelegten südlichen Trakts des Heizkraftwerks Berlin-Mitte dient seit mehr als zwei Jahrzehnten als Ort für Ausstellungen und Veranstaltungen. Die schweren Betonpfeiler und meterhohen blanken Betonwände sind recht imposant. Das Raue und Kühle lässt die Räumlichkeiten vor Kraft strotzen. Ich kann mir schon jetzt vorstellen, wie sich die Designkreationen in dieses Ambiente einfügen und Strahlkraft bekommen werden. Der Stilbruch zwischen zarten Stoffen und grauen Betonwänden ist Berlin pur, die Elemente ergänzen einander perfekt.
Die erste Show, die bei mir auf dem Plan steht, ist jene von Irene Luft. 2008 gründete die Modeschöpferin ihr eigenes Label. Die Münchner Designerin entwarf für die vierte Staffel von Germany’s Next Topmodel eine insgesamt 20-teilige Kollektion. Im Jahr 2011 präsentierte sie erstmals ihre Designs auf der Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin. Ich nehme Platz. Für alle „normalen" Menschen bedeutet das freie Sitzplatzwahl. Die beiden oder drei ersten Reihen sind für besagte Promis und besondere geladene Gäste, das können auch Designerkollegen sein, reserviert. Dicht vor mir rechts kann ich in der ersten Reihe Model Franziska Knuppe oder Moderatorin Nova Meierhenrich erspähen. Weiter links sehe ich, ganz in Weiß, Moderatorin Janin Uhlmann. Make-up-Artist Boris Entrup hatte ich gleich zu Beginn gesehen. Kurz vor knapp kommt noch Model Fiona Erdmann im weißen Kleid und mit einer ganzen Entourage an Licht-, Kameramann und Fotografen reingestürmt, plaudert kurz mit allen um sie herum und nimmt dann auch schließlich Platz. Das Licht wird gedimmt, und dann dröhnt die Musik laut aus den Lautsprechern. Die Stimmung ist mitreißend, als die Models über den Laufsteg schreiten, im Takt des Beats mit wunderschönen femininen und romantischen Kleidern, Röcken mit vielen Volants, Raffungen, Rüschen und Blütenapplikationen. Die asymmetrischen Säume sorgen für einen modernen und urbanen Touch. Durch die Netzstrumpfhosen wirken die vor allem in schwarz, pink und beerenfarben gehaltenen Looks ein bisschen verruchter und erwachsen – und auch so fügen sich die luxuriösen Abendkleider perfekt in die Location bei der Präsentation ein. Ein idealer Mix aus tragbaren Teilen für den Alltag und hochwertigen Einzelstücken für besondere Anlässe. Nach etwa 20 Minuten ist der Zauber der Show dann auch schon vorbei.
Mitreißende Stimmung vom Catwalk überträgt sich auf Zuschauer
Nur einige Zeit später geht es schon weiter. Doch sitzen bleiben kann hier keiner. Erst mal strömen alle aus. Dann heißt es die nächste Einladung für Cashmere Victim abholen und noch mal anstellen. Sobald sich die Absperrbänder zur nächsten Show öffnen, komme ich mir ein bisschen vor wie im Fußballstadion. Es wird gedrängt, als gebe es nicht genügend Plätze für alle. Das Gegenteil ist aber der Fall, und die tolle Überraschung ist: Bleiben reservierte Plätze frei, so dürfen auch Normalos wie ich aufrücken. Die nächsten Shows verfolge ich also aus Reihe zwei und bin jetzt auch ganz nah am Geschehen. Bei dieser Show heizen impulsive Elektrobeats die Stimmung an, die auch perfekt die überwiegend schwarz-grauen Cashmere-Outfits untermalen und den Models die nötige Coolness verleihen. Viele Batikteile oder auch welche mit Blumenprints und buntem, dickeren Strick bringen dann doch noch Farbakzente ins Gesamtbild. Der Beginn der Show ist besonders beeindruckend: Eine Balletttänzerin zeigt mit zwei männlichen Models imposante Hebefiguren.
Cashmere Victim ist ein deutsches noch relativ junges Label, das 2016 gegründet wurde, aber sehr schnell nach Österreich, in die Schweiz, nach Australien, Schweden und die USA expandiert hat. Das Hauptgeschäft liegt im bedruckten hundertprozentigen Cashmere-Strick aus feinsten italienischen Garnen. Die Shirts werden allerdings in Deutschland von Familienunternehmen produziert. Inhaberin und zugleich Designerin ist Konstanze Maager.
Modisch betrachtet, folgte mein persönliches Highlight einen Tag später bei der Show von Lena Hoschek. Ich sitze wieder in der zweiten Reihe, diesmal noch näher dran, am Laufsteg, der nicht einfarbig ist, sondern das Muster eines Persers oder folkloreartigen Teppichs hat. Sobald die Models die Kreationen präsentieren, wird das Design des ganzen Drumherums klar. Denn selbstverständlich wird bei diesen Shows nichts dem Zufall überlassen, alles ist präzise und bis ins kleinste Detail durchgeplant und aufeinander abgestimmt. Auf dem Catwalk sehe ich nun Models im Militär-Look mit vielen Folklore-Elementen. Das Motto bei Lena Hoschek lautet diesmal „Artisan Partisan", und doch ist sie ihrem unverkennbaren Stil treu geblieben. Die Österreicherin lässt alle möglichen kulturellen Einflüsse aus aller Welt in ihre Kollektion einfließen, die die exotischen Models nicht besser hätten übertragen können. Ihre femininen Bänderröcke, Kleider in Midi-Länge und taillierten Entwürfe setzten die Weiblichkeit in den Fokus der ganzen Inszenierung, die mit entsprechenden folklore Klängen auf eine kurze Reise in ferne Länder entführen. Wir begeben uns mit ihr auf eine Zeitreise in vergangene Epochen, bei der gedeckte Farben und Erdtöne dominieren. Die Farb- und Muster-Vielfalt der Kollektion funktioniert. Paisley-Muster, Blüten-Prints oder Patchworkteile komplettieren die Looks. Ich bin schon kurz vor dem großen Finale geflasht. Und dann kommt das Model im glänzenden, champagnerfarbenen Brautkleid mit freier Schulterpartie und brokatartigem Blüten-Dessin. Wie aus einer Traumwelt.
Das Finale ist ein Highlight – modisch und konzeptionell
Und so ist auch der Gesamteindruck meiner Fashionshow-Week. Es ist viel Show und ganz schön viel Schein. Aber alles schön und liebevoll verpackt. Genauso wie die Models in den Designerkreationen. Unterm Strich lässt sich auch feststellen, dass es rein modisch derzeit wenig herausragende Trends gibt, vieles läuft unter dem Radar dessen, was der Konsument ohnehin gern trägt. Das kommt aber der langsamen, aber stetigen Entwicklung der Modebranche zugute, die sich von allzu viel Fashion-Konsum, von der sogenannten Fast Fashion zu mehr Langlebigkeit, der Slow Fashion entwickeln wird. Hierbei stehen auch neue Materialien, verbesserte Arbeitsbedingungen und viele andere Aspekte im Raum. Dazu aber schon bald mehr …