Kommunalpolitiker brauchen starke Nerven. Vor allem, wenn Mandatsträger ihre Ratsarbeit ohne den Rückhalt einer Partei angehen müssen. Mit solchen Erfahrungen hat sich die Union Stiftung auseinandergesetzt. Herausgekommen ist ein „Ratshelfer". Geschäftsführer Michael Scholl und Vorsitzender des Vorstandes Hans-Georg Warken zu Hintergrund, Sinn und Absicht.
Herr Warken, in diesem Jahr legt die Union Stiftung ihren Schwerpunkt auf Schulung und Weiterbildung kommunaler Mandatsträger und Bürger, die sich in diesem Bereich engagieren möchten. Warum ist Ihrer Meinung nach gerade die Stärkung der Basis so wichtig?
Warken: Weil die Arbeit in Kommunalparlamenten hohe Anforderungen mit sich bringt, die dazu führen können, dass man sehr schnell die Lust an der Ratsarbeit verlieren kann. Das saarländische Kommunalrecht sieht beispielsweise einen starken Bürgermeister vor, der mit seiner Verwaltung und einem entsprechenden Wissensvorsprung agiert, der einem Rat aus ehrenamtlich tätigen Menschen gegenübersteht. Diese Menschen bringen zwar schon eine Vielzahl an persönlichen Erfahrungen und Wissen mit, müssen aber auch gleichzeitig bei Themen mithalten, die durchaus spezieller Natur sein können und mit denen man nicht alltäglich in Kontakt kommt. Lassen Sie mich hier das kommunale Baurecht nennen. Bei einer Entscheidung kann allerdings nur der mitwirken, der auch weiß, worüber er entscheidet. Hier möchten wir als Union Stiftung anknüpfen und den Mandatsträgern ein Stück weit insbesondere durch Schulungen und Materialien Hilfestellung bieten. Zu diesem Zweck haben wir den Ratshelfer herausgegeben, ein umfangreiches Nachschlagewerk wesentlicher, im Kommunalbereich notwendiger Vorschriften. Mit einem solchen Nachschlagewerk kann der kommunale Mandatsträger alle wichtigen Vorschriften schnell finden.
Parallel dazu möchten wir als Union Stiftung natürlich auch mehr Menschen für unser Gemeinwesen begeistern und sie motivieren, mehr Verantwortung zu übernehmen. Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die mithelfen mit frischem Wind und frischen Ideen die Zukunft zu gestalten. Dazu gibt es ein sehr schönes Zitat: „Kommunen sind die Keimzelle des Staates." Hier findet Demokratie sehr bürgernah statt. Hier werden sehr viele Dinge vor Ort angeleiert, umgesetzt und auf den Weg gebracht. Und diese Menschen, die ehrenamtlich tätig sind, möchten wir als Union Stiftung unterstützen und ihnen Rüstzeug für ihre tägliche Arbeit mitgeben.
Mir liegt dabei noch ein ganz wesentlicher Punkt am Herzen: Wir möchten viel stärker Frauen ansprechen, sich zu engagieren und Positionen zu übernehmen. Hierzu bieten wir unterschiedliche Seminare, wie beispielweise Rhetorik oder wirtschaftliche Betätigung in den gemeindlichen wirtschaftlichen Unternehmen an, damit mehr Frauen sich motiviert und gut vorbereitet fühlen, in Aufsichtsräte gemeindlicher Unternehmen zu gehen.
Welche Vorteile hat ein Ratshelfer im digitalen Zeitalter? Schließlich könnte man die Inhalte auch online nachlesen.
Warken: Natürlich kann man vieles online nachlesen, wenn man in der Rats- oder Fraktionssitzung seinen Laptop oder Tablet-PC dabei hat. Dabei gilt aber, man muss wissen, welche Vorschrift man überhaupt suchen möchte. Allerdings gibt es auch sehr viele wenig bekannte Vorschriften, wie die saarländische Stellplatz- und Garagenverordnung, die im gemeindlichen Baurecht durchaus wichtig ist.
Im Ratshelfer findet sich aber auch die Baunutzungsverordnung, und diese enthält – was vermutlich nur die Wenigsten wissen – detaillierte Vorschriften für ökologisches Bauen. Ein aktuelles, wichtiges Thema, das wir natürlich in unseren Ratshelfer aufnehmen mussten.
Wir bieten auch speziell den Gemeinde- und Stadtratsmitgliedern ein umfassendes Angebot an Grund- und Aufbauseminaren zu Rechts- und Praxisfragen an.
Welche Inhalte werden bei solchen Praxisseminaren vermittelt?
Warken: Einer unserer Referenten ist Architekt, der über 25 Jahren in einem Bauausschuss tätig war. Anhand von Planvorlagen erläutert er den Teilnehmern seines Seminars, wie ein Bebauungsplan oder Flächennutzungsplan aussehen muss und wie das gesamte Verfahren im Rat abläuft. Das sind alles Informationen, die vielen neuen ehrenamtlichen Amtsträgern unbekannt sind. So sehen wir als Stiftung unsere Aufgabe darin, diesen Menschen einen Wissensvorsprung zu geben, um ihre Arbeit sachkundig durchführen zu können.
Daneben setzten wir auch in diesem Jahr unsere Seminarreihe für Bürgermeister fort. Im vergangenen Jahr drehten sich die Themen rund um die ersten 100 Tage im Amt. Wie geht man mit den Fragen der Bürger um? Wie führt man eine Ratssitzung? Welche Themen sind zum Amtsbeginn besonders wichtig? Aktuell haben wir natürlich weitere Inhalte vorbereitet. So wie die Frage, wie man an zusätzliche Fördergelder für die Gemeinde kommen kann. Welche Töpfe gibt es im europäischen Bereich, welche im ökologischen? Hier haben wir im Saarland noch Nachholbedarf.
Klingt fast nach einem politischen Briefing.
Warken: Uns geht es darum, die Gemeinden zu stärken, neue Ideen zu vermitteln und zum Nutzen der Kommunen Anregungen in dem Sinne zu geben, wie haben es andere anderswo gut gemacht, was sind deren Erfahrungen. Es geht uns aber auch um die Stärkung der Demokratie und der Debattenkultur. Wir möchten Themen aufzeigen und aufbereiten, um sie anschließend kritisch und durchaus kontrovers zu diskutieren. Dazu gehört auch, dass wir vor Kurzem zum Thema Online-Journalismus im lokalen Bereich ein Start-up-Unternehmen aus Mainz eingeladen haben, was nicht jedermann gefallen hat. Aber unser Job ist es nicht, jedermann zu gefallen. Im Gegenteil. Wir möchten bewusst querdenken und Dinge in Zusammenhang stellen. Was passiert beispielsweise, wenn das Kernkraftwerk Cattenom auch in Zukunft nicht abgeschaltet wird? Würde es vielleicht wesentlich mehr Sinn ergeben, auf Sicherheitsstandards zu drängen, mit denen man womöglich im Grenzraum leben könnte, anstatt nur auf seinem Wunsch zu pochen, Cattenom zu schließen? In solchen Diskussionen kommt man mit einer Ich-bin-dagegen-Haltung nicht weit.
Herr Scholl, die Stiftung ist auch ein Stück weit digitaler geworden und hat kürzlich sogar eine neue Info- und Kommunikationsplattform ins Leben gerufen. Welche Vorteile bietet sie den Nutzern?
Scholl: Das stimmt. Erst kürzlich haben wir das Netzwerk für Kommunalpolitik ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Info- und Kommunikationsplattform für Amtsträger aus saarländischen Gemeinden, Städten und Landkreisen sowie dem Regionalverband Saarbrücken. Dabei ist die Mitgliedschaft im Netzwerk für Kommunalpolitik kostenfrei und jederzeit kündbar. Das Kernstück dieser Plattform ist die Webseite www.netzwerk-kommunalpolitik.de. Wer sich dort registriert, bekommt nicht nur wertvolle Informationen, Abhandlungen und Handreichungen zu kommunalpolitisch relevanten Themen sowie Informationen über die anstehenden Veranstaltungen der Stiftung, sondern auch kostenlos unseren Ratshelfer zugeschickt. Zum Austausch mit anderen Ratsmitgliedern stehen übrigens auch unsere Räume zur Verfügung. Somit möchten wir die ehrenamtlichen Helfer nicht nur analog zusammenführen, sondern auch digitale Vernetzungsmöglichkeiten schaffen.