Essen ist völkerverbindend – eine kulinarische Weltreise
Des Mittags zappen wir im Fernsehen durch fast 100 Sender. Wenn wir nicht sofort auf eine täglich fast obligatorische Dokumentation über Hitler stoßen, geraten wir in irgendeine Küche, wo geschmurgelt und geröstet wird. Das muss das berühmte Bildungsfernsehen sein. Bis zum späten Nachmittag warten wir gespannt darauf, ob Tim Mälzer überhaupt unfallfrei eine Tütensuppe hinbekommt.
Wen interessieren diese vielen Kochsendungen überhaupt? Wo und was essen wir in Deutschland? Anzunehmen ist, dass ein Teil der Bevölkerung mittags in Kantinen hockt. Auch darbt das Gastgewerbe durchaus nicht, sodass eher ein Tisch beim Italiener, Griechen oder Inder bestellt wird, als dass zu Hause der hochwertige Ceranfeld-Herd angemacht wird.
Im Freundeskreis kamen wir auf die Idee, uns einmal monatlich zu treffen und dabei eine kulinarische Weltreise zu unternehmen. Die Dame des Hauses kochte mit einem Freund, wir beiden anderen waren die Testpersonen.
Vorausgegangen waren einige Reisen in ferne Länder, aus denen es galt, etwas nachzukochen. So gab es aus Kambodscha den Fisch Amok, was in Kokoscreme gegartes Fischcurry ist und in einer ausgehöhlten Kokosnuss serviert wird. In Thailand waren die gebratenen Reisnudeln Phad Thai das Standardessen. Oder es gab Tom Yam Goong – Garnelensuppe mit Limonengras.
Unvergessen, deshalb daheim auch wieder kreiert, das Essen im vegetarischen Restaurant im indischen Goa. Masoor Dal, das Gericht mit roten Linsen. Alu Gobi, ein Kartoffel-Blumenkohl-Curry. Der Hauptgang das Murg Man Pasand, ein Hühnchen in Mandelsoße. Und zum Schluss Mithi Lassi, ein süßes Joghurtgetränk.
Wie schön, dass inzwischen alle Gewürze und andere fremdartige Lebensmittel hierzulande leicht zu erstehen sind. Beim Zusammenstellen des Speiseplans genossen wir durchaus auch einfache Sachen, wobei wir auf Spezialitäten aus Großbritannien verzichteten. Bei Frankreich mussten es auch keine Froschschenkel sein. Dafür gab es eine Platte mit delikatem Käse aus den verschiedenen Provinzen. Selbst gemachte Lasagne erinnerte uns an Italien, Schnitzel mit Zwiebeln an Griechenland. Bei anderen Zusammenkünften probierten wir Soljanka und Pelmeni, diese fetten russischen Teigtaschen. Ein Freund hatte vor fast 20 Jahren ein russisches Mädel geheiratet. Damals war er sportlich schlank. Inzwischen könnte er nach Tausenden Pelmeni als Sumo-Ringer auftreten.
Also, Vorsicht. Nicht alles muss wiederholt werden. So feierten wir Weihnachten 1999 im Red Buffalo in Nairobi, wo uns stolz Fleisch von Zebras und Krokodilen kredenzt wurde. Hund war nicht dabei, das gab es mal bei einer Hochzeit auf der philippinischen Insel Bohol.
Ja, ja – wir Deutschen sind schon ein sehr weltoffenes Völkchen geworden, wenn wir nicht gerade am Ballermann auf Mallorca herrisch auf die „drei B" bestehen: Bratwurst, Bier und diese Zeitung da.
Essen kann durchaus völkerverbindend sein. Die von uns für kurze Zeit mit der Macht beauftragten Politiker haben ein Recht darauf, sich bei Krisengipfeln vernünftig zu stärken. Dann wird meist auch das wertvolle Porzellan herausgeholt. Heerscharen von Dienern sind damit beschäftigt, alles wochenlang vorzubereiten. Das lassen wir Steuerzahler uns natürlich gern etwas kosten.
Eine Nachbarin ist Rentnerin und zahlt auch Steuern. Gegen den 20. jeden Monats reicht das Geld nicht mehr, weshalb sie eine noch ärmere Freundin bittet, etwas von der Tafel mitzubringen. Da ist dann schon mal ein Nudelgericht süß-sauer dabei, das eine Weltfirma in ihrem Chemielabor herstellen lässt. Bundeskanzlerin Merkel hat ja gesagt: „Deutschland geht es gut." Um den Zynismus fortzusetzen: Selbst Bedürftige können international schlemmen.
Im Ernst: Satt zu sein, bedarf es wenig. Was haben wir uns nach jeder Heimkehr gefreut, wieder Vertrautes auf den Teller zu bekommen. Reibepfannekuchen mit Apfelmus, Frikadellen, Bauernpfanne, Linsensuppe. Da kommen Deutschländer-Würstchen rein – obwohl wir doch niemals im Leben rechts wählen.