Waren das nicht herrliche Diskussionen? Es ist gerade mal ein Jahr her, als sich die Republik den Kopf über die Schulpflicht zerbrach. Freitag gehört dem Klima. Basta. Eigentlich war das ein schöner Erfolg des Bildungsgrundsatzes, wonach Schüler nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen sollten. Vorbei. So schnell kann’s gehen.
Nachhaltig war gestern, heute ist fair. Zumindest soll es fair sein und zugehen. Angefangen haben einst die Gewerkschaften mit der Forderung nach fairen Löhnen, jetzt hält die Regierung faire Preise für Landwirte für eine gute Idee. Und weil manch einer nach den Bauernprotesten hellhörig geworden ist, gar Mindestpreise für Lebensmittel in Erwägung zieht, wittern andere gleich eine Planwirtschaft im Gebüsch des Arbeiter- und Bauernstaates mit Mindestlöhnen und Mindestpreisen.
Dabei geht längst ein anderes Gespenst um. Es ist das mulmige Gefühl, ziemlich sicher zu ahnen, dass etwas überhaupt nicht mehr stimmt, bei Essen, Wohnen, Verkehr, Umwelt … Und das nicht erst seit heute. Richtig unbehaglich ist, gleichzeitig ziemlich sicher zu ahnen, dass es so nicht ernsthaft weitergehen kann, nur: wie sonst?
„Die Politik" muss das regeln, schließlich ist sie dafür gewählt, aber sie soll sich gefälligst nicht als „Verbotspartei" gerieren. Was aber soll sie tun, wenn ihre Wähler sich nicht freiwillig vernünftig – was immer das sein mag – verhalten? So versucht sich jede Partei darum zu kümmern, dass das, was sie für ihre eigene Klientel hält, bei notwendigen Schritten möglichst nicht oder zumindest wenig belastet wird. Heraus kommen im durchaus ernsten Bemühen um faire Regelungen detailversessene Konstruktionen, die keiner mehr blickt und die allenfalls ein Jurastudium als nachhaltig zukunftsträchtig erscheinen lassen. Was ein Zitat von Albert Einstein geradezu herausfordert: „Man kann Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind."
Vielleicht ist der Zwiespalt zwischen dem gleichzeitigen „mehr und weniger" eine menschliche Konstante. Mehr haben aber weniger ausgeben wollen ist geil. Wobei: Weniger mehr ist aber auch immer noch mehr – und vielleicht fairer. Mehr oder weniger.